Konkret geht es um Gewalt und Missbrauch in einem Diakonie-Kinderheim in Willmars in der bayerischen Rhön in den 1960er-Jahren, wie der Bayerische Rundfunk (BR) in seiner Sendung "Stationen" berichtet. Darin berichtet ein Betroffener aus dem Kinderheim, der sich bislang nicht gemeldet hatte, dass er mehrfach vergeblich versucht habe, Übergriffe zu thematisieren.
Der Beschuldigte und der Tatort sind seit dem Jahr 2015 bekannt: Ein Diakon aus einer hannoverschen Diakonen-Bruderschaft soll in dem Diakonie-Kinderheim mindestens einen Jungen mehrfach und schwer sexuell missbraucht haben. Damals wandte sich der Betroffene, inzwischen selbst als evangelischer Pfarrer tätig, mit seiner Geschichte an Diakonie und Landeskirche - die Anerkennungskommission prüfte seinen Fall und sprach ihm Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids zu. Nach weiteren Betroffenen aber suchten der örtliche Diakonieverein, die Diakonie Bayern und auch die Landeskirche nicht, heißt es in dem BR-Bericht.
Erst vor wenigen Wochen meldete sich dann ein zweiter Betroffener des Diakons. Hermann Ammon spricht im Beitrag über seine gescheiterten Versuche, die brutalen Übergriffe des Diakons dem damaligen evangelischen Ortspfarrer zu schildern. Bis heute verweigere der damalige Ortspfarrer jedes Gespräch zu dem Thema. Die Diakonie Bayern erklärte sich für nicht zuständig in dem Fall.
Die BR-Journalisten sind bei ihren Recherchen auf eine Personalakte des Diakons bei der Diakonie Gifhorn-Kästdorf in Niedersachsen gestoßen. Demnach waren Übergriffe auf Kinder bereits bekannt, als der Beschuldigte Heimleiter in der Rhön wurde. Die Diakonie Bayern hatte damals bei der Diakonen-Bruderschaft des Stephansstift Hannover die Eignung des Mannes abgefragt. Doch gewarnt wurde trotz offensichtlicher Auffälligkeiten nicht vor ihm, sagte der Historiker Steffen Meyer dem BR. Man habe lediglich auf seine mangelnde formaljuristische Heimleiter-Qualifikation hingewiesen. Meyer hat im Auftrag der Diakonie den Lebenslauf des Diakons rekonstruiert.
Der Bericht steht im Zusammenhang mit der Ende Januar veröffentlichten unabhängigen Missbrauchsstudie für die evangelische Kirche und die Diakonie. Die Studie zählt 2.225 bekannte Fälle und 1.259 mutmaßliche Täter. Sie attestiert Kirche und Diakonie zudem einen mangelhaften Umgang mit Betroffenen und eine verspätete Aufarbeitung.