Family Homes ist eine digitale Plattform, auf der sich Familien präsentieren können, für die Gott eine lebendige Rolle im Leben spielt. Sie bieten Gästen einen Gebetsraum und eine bezahlbare Übernachtungsmöglichkeit an. Wer hier eine Übernachtung buchen will, sollte einen christlichen Bezug haben oder Sehnsucht nach Gott verspüren. Erfinderin des Konzepts und Gründerin der Beherbergungsplattform ist Melanie Oetting.
evangelisch.de: Frau Oetting aus einer schmerzlichen Krise heraus Kraft schöpfen für solch ein Projekt wie Family Homes, wie ist es denn genau dazu gekommen?
Melanie Oetting: Mein Mann hatte mich verlassen und ich wusste nicht mehr weiter in meinem Leben. Ich war alleine mit vier Kindern. Ich habe zu Gott gesagt: Schau mich an, mein Leben ist zum Davonlaufen. Und dann habe ich in einer Gebetszeit, in der Stille, von ihm gehört, dass mein Haus ein Haus des Gebetes werden soll. Erst habe ich das nicht verstanden. Aber der Samen war gelegt, still und leise. Ich habe niemandem davon erzählt und darauf vertraut, dass ich schon verstehen werde, was das jetzt bedeutet. Ich habe gebetet und immer wieder in mich hineingehört und dann habe ich durch verschiedene Situationen gespürt: Ah, die Leute sollen zu mir kommen. Also habe ich mir einen Gästebereich eingerichtet. Und Weihnachten habe ich dann verstanden, dass ich auch mit den Gästen spazieren gehen könnte, also mehr von mir geben soll.
Katja Eifler volontierte nach ihrer Studienzeit im Lokalradio im Rhein-Kreis Neuss. Anschließend arbeitete sie als Radioredakteurin. Später als Redaktionsleiterin eines Wirtschaftsmagazins am Niederrhein. Heute ist sie freischaffende Journalistin, Online-Texterin, Coach und Moderatorin. Seit April 2023 ist sie als Redakteurin vom Dienst für evangelisch.de tätig.
Aber es fehlte mir noch der Name für meine Idee. Nach einer Gebetsnacht für unseren Pfarrer, in der ich viel geweint habe, bin ich um drei Uhr nachts mit dem Rad nach Hause gefahren, da ist es mir ganz plötzlich eingefallen: Family Homes, und ich dachte, wow, das ist so genial!
Sie waren also das erste Family Home?
Oetting: Ja, ich habe bei mir selbst Ende 2018 angefangen. Noch in der Trennungssituation habe ich das Konzept und die Website aufgebaut und bin dann alleine online gegangen. Die nächste Frage war: Kommt denn da irgendein Gast?
Gekommen sind ja schon viele. Aber können Sie sich heute noch an ihre ersten Gäste erinnern?
Oetting: Ja, eine Freundin von mir musste verreisen und suchte Platz für ihren 15-jährigen Sohn. Ich sagte klar, kann er hier übernachten, aber er muss wissen, dass er in ein Family Home kommt. Meine Kinder waren natürlich total skeptisch, ängstlich, wie, was wird denn jetzt passieren? An dem Abend waren sie aber bei ihrem Vater und so habe ich mit dem Jungen alleine zu Abend gegessen und ihn gefragt: Sag mal, hast du schon mal Erfahrung mit einem lebendigen Gott gehabt? Er hat gesagt, ja. Da war ich überrascht. "Ich bin geheilt worden." Ich bin fast von meinem Stuhl gefallen. Er hätte operiert werden müssen, und zwar am Knie, und dann haben er und seine Mutter gebetet, und er hätte tatsächlich nicht operiert werden müssen. Seitdem wisse er, sagte er, dass seine Mutter keinen Unsinn erzählt.
Der zweite Gast war dann Bernhard, ein Mann mit Einschränkungen, sicherlich keiner, den ich so jemals kennengelernt hätte. Da habe ich gemerkt: Melanie, jetzt fängst du an, den Menschen zu dienen. Das hat mir die richtige Haltung gebracht. Denn wie oft täuscht man sich beim ersten Eindruck. Bernhard war und ist ein großes Geschenk. Er kommt seither jedes Jahr zu mir und besucht in seinem zweiten Urlaub auch die anderen Family Homes.
"Da habe ich gemerkt: Melanie, jetzt fängst du an, den Menschen zu dienen"
Sie selbst sind katholisch?
Oetting: Ja, aber ich habe ein großes Herz für die Ökumene. Das ist die Zukunft, wir müssen zusammen die Fülle unseres Glaubens erleben und uns gegenseitig bereichern.
Wie kam es dann zu den weiteren Family Homes?
Oetting: Ich suche nie danach, die Menschen müssen auf uns zukommen. Ein Family Home zu werden, dauert: Ich muss einen Gästebereich und einen Gebetsraum einrichten und mir überlegen, was ist mein Talent? Und ich muss bereit sein, offen auf Menschen zu zugehen. Heute sind es sechs Family Homes in Deutschland und eins in Österreich. Das Netzwerk ist aber noch breiter. Wir haben vier Häuser, die nur einen Gebetsraum teilen. Wir initiieren Gebetsräume, gestalten sie mit und vernetzen sie untereinander.
Warum ist es Ihnen so wichtig, dass jedes Haus einen Gebetsraum hat?
Oetting: Man kann Gott überall begegnen, aber wenn sie in eine schöne Kirche gehen, dann merken sie, dass da die Atmosphäre eine ganz andere ist, es weht ein anderer Geist dort. Gott zieht dort ein. So ist es auch mit dem Gebetsraum. Je mehr ich mich als selbst dort aufhalte, umso mehr verdichtet sich dort für mich Gottes Präsenz. Wir bereiten so den Boden für unsere Gäste, damit sie schneller in Kontakt mit ihm kommen. Es ist ein Ort der Konzentration, der Reduktion. Auch ein Ort des Schutzes, denn alles, was wir dort durchleben ist sicher und davon profitieren die Gäste. Viele sind fasziniert davon, wie gut es sich dort beten lässt.
Mit welchen Geschichten und Gefühlen kommen die Menschen zu ihnen?
Oetting: Es kommen Menschen, die Gott schon in ihrem Leben erfahren haben, sie glauben und wir sprechen ja auch eindeutig Christen an. Die Gäste sind offen und suchend. Sie wollen Gott spüren, eine Frage klären oder Entscheidungen treffen. Wir als Gastgeber sind bereit ihnen zu begegnen, sie wissen also, sie sind hier nicht alleine. Wir essen auch einmal mit ihnen zusammen und unternehmen etwas Gemeinsames. Sie können ihre Fragen stellen, mit uns beten und an unseren Talenten teilhaben. Es ist immer ganz individuell. Wir fragen: Was möchtest Du, was ist deine Sehnsucht? Brauchst du mich oder nicht?
Was steckt denn hinter diesen Talenten, die die Gastgeber:innen angeben?
Oetting: Das, was unsere Leidenschaft ist, damit können wir Menschen anzünden. Und die Begegnungen sind leichter, wenn man etwas teilen kann. Es kommt zu einem einfacheren Kontakt.
Was ist ihr Talent?
Oetting: Ich liebe Bewegung, ich spiele Tennis und wandere gerne in den Bergen. Ich bilde mich auch gerade fort zur Pilgerleiterin.
Was war ein persönlicher Höhepunkt für sie als Gastgeberin?
Oetting: Das war eine Begegnung nachdem mein Sohn im Juni 2023 tödlich in Kirgisistan verunglückt war. Ich war in Trauer, voller Schmerz und hatte eigentlich wenig für meine Gäste zu geben. Und da stand plötzlich ein unangemeldeter Gast vor der Tür. Er kannte mich von einem Vortrag und suchte einen Übernachtungsplatz. Im dritten Satz sagte er mir: Ich trauere gerade um meine Frau…und ich sagte ihm dann: Ich trauere um meinen Sohn. Er hatte Angst, seinem Schmerz zu begegnen. Wir haben uns dann im Gebetsraum getroffen und ich habe ihm erzählt, wie ich trauere und ihn gefragt, ob er Mut brauche dies auch zu tun.
Ich halte es für wichtig zu trauern, gerade wenn man Kinder hat, sonst denken die auch, das ist verboten. Ich konnte ihm helfen, indem ich von meiner Trauer erzählt habe. Dann haben wir gebetet. Später berichtete er mir, wie viel er danach mit seinen Kindern geweint und geredet hat und wie der Besuch bei mir geholfen hat. Für mich war das ein Geschenk Gottes. Ich konnte so auch spüren, dass mein "Sein" selbst so voll mit eigenem Schmerz nicht umsonst ist. Ich war tief berührt.
Was gibt Ihnen das Beten?
Mir gibt es Richtung, Hoffnung und gerade aktuell auch nach dem Tod meines Sohnes viel Trost. Ich lese gerne in der Bibel. Ich suche mir jeden Tag eine Stelle aus und schaue dann, welches Wort oder welcher Vers mich besonders anspricht. Dann frage ich Gott: "Was willst du mir mit diesem Wort oder Satz für heute sagen?" Seitdem ich das mache, fahre ich auf einer Straße mit Leitplanke durch mein Leben. Ich stürze nicht links und rechts ab, sondern bin gehalten durch das Wort. Das ist ein Geschenk.
"Dann frage ich Gott: "Was willst du mir mit diesem Wort oder Satz für heute sagen?" Seitdem ich das mache, fahre ich auf einer Straße mit Leitplanke durch mein Leben"
Die Übernachtungen sind aber nicht kostenfrei bei Family Homes?
Nein, die Übernachtungen sind nicht kostenfrei, aber wir sind zuallererst Menschen, die ein Herz für das Gebet haben. Ich suche Beter, ich suche keine Menschen, die nur Zimmer vermieten wollen. Aber man darf sich auch freuen, dass man damit ein Zubrot verdient. Aber die Grundeinstellung ist die Freude am Gebet und die Offenheit für Menschen.