Noch bleibt alles vor den Blicken der Öffentlichkeit verborgen: In der Kapelle im neuen Potsdamer Garnisonkirchturm wird derzeit die Orgel intoniert. Vier Wochen brauchen die Orgelbauer, um jede einzelne der mehr als 1.400 Pfeifen des Instruments zu stimmen. Kein Staub, keine unnötigen Schwingungen und keine Geräusche von außen sollen die Arbeiten stören. Spätestens Ende März muss alles fertig sein. Denn mehr als sechs Jahre nach dem Baustart soll am Ostermontag die Kapelle als erster Raum des neuen Turms eröffnet werden.
Sehr modern, sehr hell, lichtdurchflutet", so beschreibt der Friedensbeauftragte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Jan Kingreen, die neue Kapelle. Der Theologe ist seit einiger Zeit Pfarrer am Ort und Programmvorstand der Garnisonkirchenstiftung. Während die Turmfassade weitgehend originalgetreu errichtet wurde, weicht die Gestaltung der Kapelle ebenso wie die Architektur im Inneren des Turms deutlich vom Original ab, das 1968 in der DDR als Teil der Kriegsruine der Garnisonkirche gesprengt und abgerissen wurde.
"Es ist einfach alles modern", sagt Kingreen: "Auch was wir da machen, ist ja kein barocker Inhalt, sondern ein sehr moderner Inhalt." Demokratiebildung ist dort geplant, die Auseinandersetzung mit früheren demokratiefeindlichen Traditionen an der historischen evangelischen Garnisonkirche. Diskussionen, kulturelle und kirchliche Veranstaltungen sollen dort stattfinden. Die Aussichtsplattform soll zudem Touristen anziehen. Der Turm werde damit zu einem "innovativen Ort in einem barocken Kleid", sagt der Pfarrer: "Und die Kapelle wird das Herzstück."
Innovativer Ort im barocken Kleid
Dass die Kapelle deutlich vor dem derzeit rund 60 Meter hohen Turm eröffnet wird, habe verschiedene Gründe, erzählt Kingreen: "Die ganz pragmatische Antwort ist, weil sie fertig ist." An den anderen Räumen im Turm muss noch weiter gearbeitet werden. "Alles auf einmal zu eröffnen, da würden wir uns ein Stück weit übernehmen", sagt der Pfarrer.
Er hofft auf eine Eröffnung des Turms mit einem Bürgerfest im Sommer. Der Termin steht noch nicht fest. Mit der Kapelleneröffnung gibt es nun vorab einen Start im kirchlichen Rahmen. Rund 100 Gäste werden zum Eröffnungsgottesdienst am Abend des 1. April erwartet, erzählt Kingreen. Auch Bischof Christian Stäblein, der Vorsitzende des Kuratoriums der Stiftung, will am Ostermontag dabei sein. Danach sollen dort nicht nur regelmäßig Gottesdienste gefeiert werden, es soll auch zu anderen Veranstaltungen eingeladen werden.
Proteste zur Eröffnung erwartet
Die historische Potsdamer Garnisonkirche wurde im 18. Jahrhundert errichtet und im April 1945 bei einem Luftangriff weitgehend zerstört. Weil die preußische Militärkirche, in der Hitler 1933 eine Rede hielt, auch Ort antidemokratischer Kräfte war, gab es lange teils erbitterten Streit über den Wiederaufbau. Auch zum Eröffnungsgottesdienst sind Proteste angekündigt. Der Garnisonkirchturm könnte ein "rechtsextremer Gedenk- und Identitätsort mitten in Potsdam" werden, heißt es im Aufruf. Es werde ein Symbol "von Nationalsozialismus, deutschem Kolonialismus und Preußenverherrlichung" errichtet.
Kingreen hält dagegen. "Wir bauen hier ein Friedens- und Demokratiezentrum auf", sagt er. Mit Programm und Gestaltungselementen, darunter der Friedensbotschaft im Sockel und dem Versöhnungssymbol Nagelkreuz auf dem Altar, werde ein deutlicher Bruch mit der Geschichte vor 1945 vollzogen. Das neue Bauwerk zeige auch, wie ein in rechtsextremen Kreisen angestoßenes Projekt den einstigen Initiatoren aus der Hand genommen worden sei und nun für etwas Neues stehe, sagt er: "Das ist gelungen." Der insgesamt knapp 90 Meter hohe Turm soll bis Ende 2025 fertiggestellt werden. Bis dahin muss noch die rund 30 Meter hohe Turmhaube gebaut und auf den Turm gesetzt werden.