Alexandra Barone
Engagiertes Duo: Direktor Matthias Holtmann (links) und Pfarrer Michael Jonas
Deutscher Reliunterricht in Italien
Die einzigartige Deutsche Schule in Rom
Im katholischen Rom sticht die Deutsche Schule nicht nur durch das moderne Schulgebäude an der Via Aurelia heraus. Mit ihrem neu gestarteten konfessionell-kooperativen Religionsunterricht werden den Schülern allgemeine christliche Werte vermittelt. Evangelisch.de-Mitarbeiterin Alexandra Barone war vor Ort.

Was schon seit 2005 zahlreiche allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg umsetzen, wird ab sofort auch in der Deutschen Schule in Rom praktiziert: Die Rede ist vom konfessionell-kooperativen Religionsunterricht, kurz "KoKo" genannt.

"Wenn man die Geschichte der Deutschen Schule in Rom verfolgt, ist die Einführung von KoKo eigentlich ganz logisch", erklärt Direktor Matthias Holtmann und führt in einem kleinen Geschichtsexkurs aus, dass die Anfänge der Deutschen Schule Rom eng mit der Frühgeschichte der evangelischen Gemeinde verbunden sind.

Die 1837 geplante Errichtung einer evangelischen Elementarschule scheiterte zunächst am Widerstand des Papstes. Erst 14 Jahre später konnte eine kleine evangelische Privatschule eröffnen. Im Herbst 1903 gründete sich dann eine interkonfessionelle Schule, die 1904 in eine von einem Schulverein getragene und vom Deutschen Reich unterstützte Schule verwandelt wurde.

Während der zwei Weltkriege wurde die Deutsche Schule zum Teil geschlossen oder ausgelagert. Nach der Wiedereröffnung einer katholischen Schule im Herbst 1949 verständigten sich die Vertreter der deutschsprachigen katholischen und evangelischen Kirchengemeinden 1950 auf die Gründung eines Schulvereins als Träger einer überkonfessionellen christlichen Schule. 

Die Deutsche Schule an der malerischen Via Aurelia in Rom.

Nach mehreren Umzügen und der gestiegenen Anzahl der Schüler bezog die Deutsche Schule 1985 das großzügig gestaltete Schulgebäude in der Via Aurelia. "Unser Schulgebäude ist einzigartig hier in Rom", erklärt Holtmann. Viele der Schulen in Rom seien in alten Gebäuden untergebracht, die umfunktioniert wurden. Die Deutsche Schule wurde aber als Schule konzipiert, nach deutschem Vorbild, mit Begegnungsräumen, einer lichtdurchfluteten Aula, mit einer modernen Sporthalle und Schwimmbad und einem großen Garten. "Die Schüler sollen sich hier wohlfühlen und nicht nur ihren Unterricht absitzen", erklärt Matthias Holtmann.

 "Die Eltern können mehr Verantwortung übernehmen, also auch im Vorstand, in Elternbeiräten und bei Schulentwicklungsprozessen mitwirken - das ist für viele erst einmal überraschend."

Dieses einzigartige Konzept ist bei den italienischen Familien auf große Begeisterung gestoßen und die italienische Schülerzahl stieg auch in den höheren Klassen, denn dank des Abschlusses eines Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Italien (das sogenannte "Memorandum") wurde das Abitur der deutschen Schulen in Italien durch den italienischen Staat anerkannt. In der Bildungslandschaft in Italien sticht die Deutsche Schule nicht nur wegen ihres breit gefächerten Religionsunterrichts heraus. "Eltern, die ihre Kinder an Privatschulen schicken, sehen sich als Leistungsnehmer und gar nicht als Teil einer Gemeinschaft. Das ist bei uns anders!", erklärt Holtmann. "Wir versuchen den Eltern zu zeigen, dass sie eine ganz andere Rolle haben, sie werden von uns mehr in den Schulalltag eingebunden. Die Eltern können mehr Verantwortung übernehmen, also auch im Vorstand, in Elternbeiräten und bei Schulentwicklungsprozessen mitwirken - das ist für viele erst einmal überraschend."

Und weiter: "Offener Diskurs, Teilhabe an der Gemeinschaft, Neugier und Resilienz – das sind Werte, die konfessionsübergreifend sind", sagt Holtmann. Der offene Diskurs ist nicht nur dem Direktor wichtig, auch der evangelische Religionslehrer, Pfarrer Michael Jonas, hält den Pluralitätsgedanken in der Schule für bedeutend. "Die evangelischen Schüler:innen sind eine kleine Minderheit hier bei uns, daher haben wir als Religionslehrer schon früh begonnen, miteinander zu kooperieren", erklärt er. Die Idee zum konfessionell-kooperativen Religionsunterricht wurde von der Fachschaftsleiterin Religion, Nataliya Karfut, gemeinsam mit dem Schulleiter Matthias Holtmann, seinem Vize Jan Fischer und den Kirchenvertretern im Schulvorstand (Rektor Michael Max und Pfarrer Michael Jonas) entwickelt.

Deutsche und italienische Kultur kennenlernen

Die Schüler:innen werden abwechselnd von den Kollegen der verschiedenen Konfessionen unterrichtet. "Offener Diskurs, Teilhabe an der Gemeinschaft, Neugier und Resilienz – das sind Werte, die konfessionsübergreifend sind", erklärt Jonas. "Wir wollen den Schüler:innen nicht nur lutherische Traditionen vermitteln, sondern unterstützen sie, die deutsche und italienische Kultur zu erschließen." 

"Die Umsetzung eines konfessionell-kooperativen Religionsunterrichts bietet sich an, denn als Deutsche Schule in Rom haben wir nicht nur Schüler aus über 30 Nationen, sondern auch Schüler und Eltern mit verschiedenen Konfessionen." Der KoKo wird allen Schüler:innen der Anfangs- und Abschlussklassen angeboten, unabhängig von der Konfession. "Die jungen Menschen sollen sich an religiösen und sozialpolitischen Fragen reiben, sich auseinandersetzen mit der deutschen und italienischen Kultur, ohne dabei andere Kulturen und Religionen, die nicht christlich sind, außer Acht zu lassen", so Jonas weiter. Das heißt dann auch schon mal, dass die Ehe zwischen Frau und Mann infrage gestellt wird und andere Lebensgemeinschaftsformen diskutiert wird. "Gerade in der Pubertät wollen die jungen Menschen ihren Platz in der Gesellschaft finden. Wenn sie mit Scheuklappen aufwachsen und offen sind für Andersdenkende, lernen sie nicht, auch andere Meinungen auszuhalten und ihre Resilienz entwickeln", fügt Holtmann hinzu. "Pluralität betrifft eben nicht nur Religion!"

Im Jahr 1998 trafen die Deutsche Bischofskonferenz und die Evangelische Kirche in Deutschland eine gemeinsame Vereinbarung zur Kooperation von evangelischem und katholischem Religionsunterricht. Dieses Dokument war Grundlage und Ausgangspunkt für eine Vereinbarung zwischen der Evangelischen Landeskirche in Baden, der Evangelischen Landeskirche in Württemberg, der Erzdiözese Freiburg und der Diözese Rottenburg-Stuttgart zur konfessionellen Kooperation im Religionsunterricht an allgemeinbildenden Schulen in Baden-Württemberg vom 1. März 2005. Auch in anderen Bundesländern wurde der KoKo umgesetzt. 

Die Deutsche Bischofskonferenz hat Empfehlungen für die Kooperation des katholischen und evangelischen Religionsunterrichts ausgesprochen (2016). Religionsunterricht in Deutschland kann – unter gewissen Bedingungen – auf dieser Grundlage in gemischt konfessionellen Lerngruppen, also etwa mit evangelischen und katholischen Schülern, über einen längeren Zeitraum durchgeführt werden. Planung und Gestaltung von Religionsunterricht erfordert vor diesem Hintergrund eine besondere Berücksichtigung von Konfessionen – insbesondere, da Religionsunterricht auch in konfessioneller Kooperation erteilt, kein konfessionskundlicher, sondern ein bekenntnisgebundener Unterricht ist.
Kennzeichen dieser regulären Form des konfessionellen Religionsunterrichts sind:
•    regelmäßiger gemeinsamer Unterricht der Schüler:innen
•    Wechsel der evangelischen und katholischen Lehrkräfte
•    gemeinsame Unterrichtsplanung der Lehrkräfte, die sich als Team verstehen

Der konfessionell-kooperative Religionsunterricht will:
•    Schüler:innen unterstützen in der Fähigkeit zuzuhören, beim Einüben von Toleranz und Akzeptanz (Demokratiefähigkeit), beim Achten von Fremdem, auf dem Weg zu religiöser Sprachfähigkeit, einer eigenen Position (Positionalität), Dialog- und Pluralitätsfähigkeit
•    Lernen durch Erkennen von Gemeinsamkeiten und Unterschieden ermöglichen
•    die Qualität des Religionsunterrichts sichern und den ökumenischen Dialog fördern