Jesusbild mit Spinnenweben
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Verstaubt und konservativ? Kirchenferne Menschen haben oft Vorurteile gegenüber Christ:innen und der Kirche.
Vorurteile gegen Christ:innen
Wie kann Kirche mit Klischees aufräumen?
Homophob, in Geschlechterrollen hängengeblieben, konservativ: Die Liste der Vorurteile gegenüber Christ:innen ist lang. Woher kommen die Vorbehalte und kann Kirche sie loswerden? Theologie-Professor Tobias Faix kennt Antworten.

Ein Instagram-Video der Süddeutschen Zeitung sorgt dieser Tage für Diskussionen: Darin hat ein Redakteur christliche Influencer:innen und deren fundamentalistische Einstellungen etwa gegenüber Homosexualität oder liberalen Familienmodellen angeschaut. Nach zwei Tagen (Stand Donnerstag, 5. September) hat der Clip mehr als 1300 Kommentare gesammelt. Darunter diskutieren sowohl konservative als auch liberale Christ:innen über Toleranz.

Außerdem melden sich Kirchenvertreter:innen und christliche Influencer auf ihren eigenen Kanälen zu Wort und beziehen Stellung. Einer von ihnen ist Jonny vom Dahl aus dem yeet-Netzwerk, der das SZ-Video kritisiert. Das Reel schüre Vorurteile, so vom Dahl: "Was hängen bleibt, ist die Botschaft: 'Christen sind homophob und ihr Weltbild von vor 100 Jahren'". 

Dass solche Klischees gegenüber Christ:innen in der Gesellschaft verbreitet sind und auch auf die Evangelische Kirche projiziert werden, weiß Tobias Faix, Professor für Praktische Theologie an der CVJM-Hochschule in Kassel. "Es gibt die Problematik, dass Leute ein biografisch geprägtes Bild gegenüber Kirchen haben", sagt er im Gespräch mit evangelisch.de. "Die Kirche gibt es allerdings nicht."

Manche kirchenferne Menschen stülpten extreme Ansichten einiger Fundamentalist:innen folglich allen Christ:innen über. Eine wichtige Beobachtung, so Faix, sei, dass gerade für junge Menschen konfessionelle Unterschiede kaum noch eine Rolle spielten. So werde schnell die Position konservativ-religiöse Influencer auf eine ganze Glaubensgruppe bezogen. Und Soziale Medien verstärkten eine Entwicklung von zwei Lagern, betont Faix: "Ich beobachte eine Zunahme von Polarisierung verstärkt durch die sozialen Medien – es gibt immer mehr Triggerpunkte auf liberaler und konservativer Seite."

Um gegen verallgemeinernde Vorbehalte anzugehen, sei religiöse Urteilsfähigkeit entscheidend. Viele Vorurteile basierten auf Halbwissen und persönlichen Erfahrungen, sagt Faix. "Es fehlt immer mehr an einem Grundwissen über Religionen." Der Schlüssel für mehr Verständnis in der Gesellschaft sei zum einen der Religionsunterricht.

Zum anderen sieht Faix aber auch die Kirche in der Pflicht, Menschen offener zu begegnen. "Eine Kirchenmauer ist für manche Leute auch eine innere Mauer. Leute gehen nicht mehr in die Kirche, weil sie sich selbst nicht als ein Teil davon betrachten. So entstehen Vorurteile."

Ein gelungenes Beispiel dafür habe er bei der Bundesgartenschau in Fulda studiert, so Faix. Dort hatte die Kirche ein Zelt aufgebaut und Segen an interessierte Besucher:innen verteilt. "Die Resonanz war riesig - Tausende haben sich segnen lassen", berichtet der Theologe. "Im Anschluss haben wir Leute befragt, wieso sie sich haben segnen lassen und überwiegend eine Antwort bekommen: 'Kirche ist plötzlich da, wo ich bin'."