Der Kopf befindet sich unter der Erde, die gummibestiefelten Füße ragen in die Höhe. Für den zuständigen Kommissar, wahrlich keine Zierde seiner Zunft, ist die Sache klar: betrunken ins Grab gefallen, Erde nachgerutscht, Fall gelöst. Angela Merkel bleibt daher nichts anderes übrig, als die Ermittlungen selbst zu übernehmen, denn sie hat keinerlei Zweifel daran, dass der Friedhofsgärtner ermordet worden ist. Tatsächlich stellt sich recht bald heraus, dass der Mann sein Einkommen durch eine offenbar lukrative Erpressung erhöht hat. Unversehens gerät die Ex-Kanzlerin mitten hinein in eine Fehde zwischen zwei Bestatterfamilien und schließlich sogar selbst in Lebensgefahr.
Der erste Film ("Mord im Schloss", 2023) der RTL-Reihe, für die sich Katharina Thalbach nach der amüsanten Guttenberg-Satire "Der Minister" (2013, Sat.1) erneut als Angela Merkel verkleidet hat, war leidlich amüsant, stellenweise aber viel zu dick aufgetragen. "Mord auf dem Friedhof" ist in dieser Hinsicht zurückhaltender, zumal gerade die Hauptdarstellerin ihre Rolle unter der Führung von Serienregisseur Torsten Wacker ("Magda macht das schon", RTL) viel weniger als Komödienfigur anlegt; das mangelnde Vertrauen der Verantwortlichen in das komische Potenzial einer kriminalisierenden Ex-Kanzlerin war das größte Manko des Auftakts.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Autorin des erneut auf einem Roman von David Safier basierenden Drehbuchs ist diesmal Anja Flade-Kruse, die unter anderem einige Vorlagen für zum Teil sehr sehenswerte "Praxis mit Meerblick"-Episoden geschrieben hat. Motor der Geschichte ist die Mördersuche, doch zum Treibstoff wird eine Nebenebene, die Frau Merkel in leichte Verwirrung stürzt, als sie einen Seelenverwandten kennenlernt: Kurt Kunkel (Sven Martinek) ist wie sie ein großer Shakespeare-Verehrer und wird prompt zum Protagonisten ihrer Träume, in denen sie zu den Klängen von "Born to be wild" als Beifahrerin auf seinem Motorrad im Himmel der Liebe durch riesige Rauten braust. Dort wie auch im wahren Leben taucht jedoch unversehens der Gatte auf: Joachim Sauer (Thorsten Merten) beobachtet den dritten Frühling seiner Frau mit nicht unbeträchtlichem Unbehagen. Da er offenbar sonst nichts zu tun hat, mischt er sich kurzerhand in die Nachforschungen ein und stellt zur mutmaßlich eigenen Überraschung fest, dass ihm das ein großes Vergnügen bereitet. Leidtragender ist Personenschützer Mike (Tim Kalkhof), der von dem detektivischen Duo zwecks Ablenkung der Verdächtigen abwechselnd zum trauernden Hinterbliebenen oder zum angehenden Pole-Tänzer umfunktioniert wird, was recht witzig ist, weil er die verschiedenen Rollen auch mal durcheinander bringt.
Das ist alles beileibe kein Muss, zumal einige albernen Slapstick-Momente eher überflüssig sind, aber ein harmlos-heiterer sympathischer Zeitvertreib. Gerade Merkels Sehnsüchte sorgen für hübsche Abwechslungen, wenn sie sich beispielsweise mit Kunkel in eine von Trockeneisnebel durchwaberte "Romeo und Julia"-Szenerie träumt. In ihren Visionen gleicht der verwitwete Bestatter allerdings dem Musketier Aramis; kein Wunder, dass ihre Hormone verrückt spielen. Der Bühnenklassiker ist auch für die Krimiebene wichtig, denn die Hobbydetektivin findet heraus, dass die beiden Bestatterfamilien Kunkel und Borscht gleich mehrfach miteinander verbandelt sind: Kurt und Ralph (Bernhard Schütz), die beiden jeweiligen Chefs, waren einst beste Freunde, bis sie sich vor gut zwanzig Jahren zerstritten haben. Ihre Töchter (Paula Kroh, Johanna Polley) lieben sich, Ralphs junge zweite Frau (Farina Flebbe) hat ein Verhältnis mit Kurts Sohn (László Branko Breiding). Jemand aus diesem Sextett war das Opfer der Erpressung und hat demzufolge auch den Friedhofsgärtner auf dem Gewissen.
Am Ende erweisen sich die Dinge allerdings als etwas komplizierter, zumal sich eine Verdächtige beim satanistischen Flammentanz mit Knalleffekt aus der Handlung verabschiedet. Merkel ahnt, dass die Ursache der Fehde mit jenem Ereignis zu tun hat, das die beiden Freunde einst für immer entzweit hat. Überraschender als die Auflösung ist jedoch die unbestechliche Tatzeugin, die die ehemalige Kanzlerin schließlich präsentiert: Kuh Luise kennt den Mörder.