Die Menschen befürchteten durch die Zuwanderung vor allem Kosten für den Sozialstaat, Wohnungsknappheit sowie Probleme in den Schulen, erklärte die Bertelsmann Stiftung bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse am Dienstag in Gütersloh. Eine Mehrheit nehme weiterhin eine Willkommenskultur in den Kommunen und der Bevölkerung vor Ort wahr - in Ostdeutschland allerdings weniger als im Westen.
Für die Studie "Willkommenskultur in Krisenzeiten" wurden 2.000 Menschen in Deutschland ab 14 Jahren im Oktober 2023 repräsentativ befragt, also noch vor der Veröffentlichung des Recherchezentrums "Correctiv". Nach den Anfang Januar veröffentlichten Recherchen soll bei einem Treffen von hochrangigen AfD-Politikern, Neonazis und spendenwilligen Unternehmern ein Plan zur Vertreibung von Millionen Menschen aus Deutschland vorgestellt worden sein. Dies führte daraufhin bundesweit zu Massendemonstrationen gegen Fremdenfeindlichkeit.
Aus der Studie gehe hervor, dass 78 Prozent der Befragten durch Zuwanderung Mehrkosten für den Sozialstaat befürchten, hieß es. 74 Prozent nannten als Sorgen die Wohnungsnot in Ballungsräumen und 71 Prozent Probleme in den Schulen. Ost- und Westdeutsche liegen hier mit ihren Einschätzungen nahe beieinander. Die Werte sind laut der Stiftung gegenüber früheren Befragungen gestiegen und erreichen ein ähnliches Niveau wie 2017 nach der sogenannten Flüchtlingskrise.
Bereitschaft mehr Geflüchtete aufzunehmen sinkt
Die Bereitschaft, mehr Flüchtlinge aufzunehmen, ist laut der Umfrage in beiden Landesteilen zuletzt stark gesunken. Im Westen bejahten 58 Prozent die Aussage, Deutschland sei an seiner Belastungsgrenze angelangt - ein Anstieg um 23 Prozentpunkte gegenüber 2021. Im Osten kletterte der Wert von 42 auf 72 Prozent. Dass Deutschland aus humanitären Gründen mehr Flüchtlinge aufnehmen könne und solle, meinten nur noch 37 Prozent der westdeutschen und 27 Prozent der ostdeutschen Befragten.
Laut der Studie ist eine Mehrheit der Auffassung, dass Zuwanderer hierzulande willkommen seien. Im Blick auf Geflüchtete liegen demnach die Werte etwas niedriger. Bei möglichen Vorteilen und Chancen von Migration meinten demnach 63 Prozent, diese sei wichtig für die Ansiedlung internationaler Firmen. Fast genau so viele Befragte waren jeweils der Ansicht, dass Deutschland dadurch weniger überaltert oder Zuwanderung das Leben in Deutschland interessanter mache. Über ein Viertel (27 Prozent) stimmte der Auffassung zu, Geflüchtete seien "Gäste auf Zeit", um deren Integration Deutschland sich nicht bemühen solle (2021: 20 Prozent).
Junge Menschen bis 29 Jahren sehen laut der Studie häufiger positive und seltener negative Folgen von Zuwanderung. Zum Beispiel sagten in dieser Altersgruppe 64 Prozent, Zuwanderung gleiche den Fachkräftemangel aus - von allen Befragten stimmten dem nur 47 Prozent zu. Nur 48 Prozent der Jüngeren sahen Probleme in den Schulen durch Zuwanderung, insgesamt waren rund 70 Prozent der Befragten dieser Meinung.
In den seit 2012 durchgeführten Umfragen zur Willkommenskultur zeigt sich laut der Stiftung immer wieder eine "ambivalente" Haltung der Bevölkerung gegenüber Migration: Es würden sowohl positive als auch negative Folgen für Wirtschaft und Gesellschaft erwartet. In Zeiten eines sprunghaften Anstieges von Zuwanderung durch Flucht wie 2015/2016 und zuletzt 2022/2023 komme es vermehrt zu skeptischen Einschätzungen - bei weiterhin größtenteils bestehender Offenheit gegenüber Migranten.
Die Ergebnisse erlaubten die Schlussfolgerung, die gestiegene Skepsis sei nicht auf eine ablehnende Haltung gegenüber zuwandernden Menschen zurückzuführen, sagte die Integrationsexpertin der Bertelsmann Stiftung, Ulrike Wieland. Ursache sei vielmehr die "Sorge um die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kapazitäten für eine gelingende Aufnahme und Integration".