Der Botschafter des Staates Israel in Deutschland, Ron Prosor, will den jungen Jüdinnen und Juden beim Eröffnungsabend Mut machen. Sie seien die Zukunft für die jüdischen Gemeinden. "Man hat jahrelang gesagt: Ja, diese Generation TikTok. SchmickTok. Wenn ich Sie angucke, weiß ich, welche starke Energie, Motivation diese Generation hat. Ich bin sehr stolz darauf", ruft Prosor in den voll besetzten Saal. Sie seien nun die Generation, auf die sich die Älteren verlassen könnten. Seit dem 7. Oktober, dem Tag des Überfalls der Hamas auf Israel, sei das klar. Das sehe er daran, dass junge israelische Soldat:innen und Reservist:innen nach dem Massaker sofort zurückgekehrt seien. "Als sie das gehört haben, sind sie aufgebrochen. Sie waren im Urlaub etwa in Indien oder Südamerika. Für sie ist es ganz klar, dass sie zurückkommen, um den einzigen jüdischen Staat zu verteidigen", so Prosor weiter.
Juden weltweit haben ein lebenslanges Aufenthaltsrecht in Israel. Es ist eine Art Überlebensgarantie eben auch für die Juden in Deutschland. Israel ist das einzige Land in der Welt, in dem es keinen Antisemitismus gibt.
"Israel ist der sichere Hafen. Israel ist der Sicherheitsanker, den man hat. Wie der Notgroschen. Ohne Israel gibt es kein uns. Wenn Israel verschwindet, verschwinden wir zwangsläufig mit", sagt Boris Karasik, 25 Jahre alter Student der Geschichte und Politik auf Lehramt aus Mannheim.
Alle Juden haben dort seit der Gründung des Staates Israel 1949 ein verbrieftes Einreise- und Aufenthaltsrecht. Israel galt immer als der "sichere Flugzeugträger im Mittelmeer". Seit dem Überfall der Hamas auf Israel sei auch diese Sicherheit fragil geworden und trage zur Verunsicherung bei.
"Ich selber dachte nach dem 7. Oktober, wo soll ich überhaupt hingehen? Die Familie einer Freundin wollte wegziehen. Wohin? Wir wissen es nicht", berichtet Jacob Horowitz, 24 Jahre alt aus Düsseldorf.
Dass Israel aber grundsätzlich die Heimat für alle Juden ist und bleibt, sei allen auch auf dem Jugendkongress bewusst. Und das sei nicht nur ein irgendwie theoretischer Anspruch, sondern Lebensrealität in so gut wie allen jüdischen Familien weltweit, berichtet Maya Roisman, 28 Jahre alte Studentin aus Darmstadt: "Wir haben das in unserer DNA, nach Israel zu gehen, um uns zu retten. Mein Vater konnte in der Ukraine auf Grund von Antisemitismus und dem nicht sowjetisch klingenden Nachnamen, der eindeutig jüdisch ist, nicht studieren. Der ist geflohen. Meine Mutter hat armenische Wurzeln. Ihre Familie wurde in Aserbaidschan massakriert. Sie sind nach Israel geflohen. Es gibt sephardisch-jüdische Menschen, die wurden aus Irak, Iran und Marokko vertrieben. Alle die in Israel leben und jüdisch sind, haben eine Vertreibungs- und Rettungsgeschichte."
Schon viele Freunde hätten Alija gemacht, seien also nach Israel ausgewandert. Doch das könne nicht die Lösung sein, wenn das nun alle machten. Es brauche für ein starkes Israel auch ein starkes Judentum in der Welt. Jacob Horowitz ist im Vorstand der Jüdischen Studierenden Union Deutschland JSUD aktiv. Er fordert eben auch von den deutschen Juden, sich hier im Land für den jüdischen Staat einzusetzen:
"Wir brauchen Israel. Aber Israel braucht auch die Diaspora."
Andererseits gehe es um den Einsatz für das jüdische Leben in Deutschland. Nur sei die Bedrückung hier noch nie so groß gewesen, sagt Horowitz. Man erlebe seit dem 7. Oktober 2023 die größte Welle von Antisemitismus seit dem Ende des Nationalsozialismus. "Bundesweit sieht es sehr schlecht aus. In den letzten Monaten sprechen wir von pro-palästinensischen Demos, die antisemitische Slogans auf Campi austragen. Jüdische Studierende werden von Kommilitonen bedroht. Jüdische Studis trauen sich nicht mehr auf den Campus. Das ist ein Zustand, der unerträglich ist", so Horowitz weiter.
Dabei sei nun gerade Deutschland das Land, das nicht nur an der Seite Israels steht, sondern sich nach der Shoah seiner historischen Verantwortung gegenüber den Juden bewusst sei. Umso fataler sei es, dass nun gerade dieses Deutschland nicht genügend Schutz biete, sagt Mascha Brosius, 28 Jahre alt, aus Köln: "Obwohl ich hier geboren wurde und deutsch bin und einen deutschen Pass habe, bin ich immer eine Fremde. Deutschland ist das beste Land für uns in Europa, ja vielleicht weltweit außerhalb Israels. Aber das ist das Gruselige. Das Beste, was wir kriegen können, ist das, was wir hier haben. Es passiert aber nicht genug, weil wir trotzdem mit den Problemen im Alltag konfrontiert sind. Wenn das das Beste ist, was wir kriegen können, dann ist das beängstigend."
Der jüdische Jugendkongress will dagegen Mut machen. Es geht darum, sich gegenseitig zu stärken, in Workshops und Seminaren, aber auch miteinander zu feiern und neue Freundschaften zu schließen. Neben einer allgemeinen Verunsicherung strahlen die jungen Jüdinnen und Juden auch so etwas wie Trotz und Selbstbewusstsein aus. Jetzt erst recht! Viele leiten etwa jüdische Jugendheime, sind aktiv in der Studierendenunion oder im Kunst- und Kulturbereich. Sie haben auch nach dem 7. Oktober Demos und Aktionen gegen Antisemitismus mit organisiert. Viele sagen: Alija, die Ausreise nach Israel, sei für sie noch keine Option. Noch. Noch versuchten sie sich hier in die deutsche Gesellschaft einzubringen, sagt Lehramtsstudent Boris Karasik: "Man darf nicht aufhören zu versuchen Brücken zu bauen. Wir wollen aktiv jüdisch leben. Wir wollen hier leben. Selbst nach dem 7. Oktober darf man das nicht aufgeben."