Der Auftakt zum fünften "Masuren-Krimi" ist zumindest optisch spektakulär. "Blutgeld" beginnt mit einem Fest auf einem Ausflugsschiff, es gibt Schampus und Koks. Das allein wäre noch nichts Besonderes, aber die Szene spielt auf dem masurischen Oberlandkanal. Er verbindet verschiedene Seen untereinander sowie mit dem Frischen Haff und letztlich mit der Ostsee. Touristische Attraktion der Schiffsreise sind die sogenannten Rollberge: Um den Höhenunterschied von knapp hundert Metern zu überwinden, werden die Boote mit Hilfe von Seilzugbahnen über Land transportiert.
Die fröhliche Reisegesellschaft feiert einen Geburtstag, aber offenbar hat niemand gemerkt, dass der Jubilar durch Abwesenheit glänzt: Vlad Koslow ist über Bord gegangen, aber selbstredend nicht freiwillig, sonst wär’s ja kein Krimi.
Viel interessanter als die Klärung der ominösen Todesumstände ist jedoch die Verknüpfung dieses Falls mit der Vorgeschichte von Viktoria Wex. Wer die nicht kennt oder sich nicht mehr erinnern kann, wird dem Geschehen jedoch zunächst mit einigen Fragezeichen folgen; das ist der Nachteil, wenn zwischen der Ausstrahlung zweier Filme knapp zwölf Monate liegen. Claudia Eisinger spielt in den "Masuren-Krimis" eine brillante Kriminaltechnikerin, die im Umgang mit ihren Mitmenschen mitunter gewisse Schwierigkeiten hat, weil sie stur auf Fakten fixiert ist.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Emotionen aller Art reduziert sie zum Beispiel gern auf rationale Beweggründe und chemische Prozesse, was der Romantik nur bedingt zuträglich ist. Der einheimische Polizist Leon Pawlak (Sebastian Hülk) mag die aus Berlin in die Heimat eines Teils ihrer Familie zurückgekehrte Wissenschaftlerin trotzdem, selbst wenn sie nach dem Sex immer noch gesiezt werden möchte.
Zur interessanten Krimifigur wurde Viktoria, weil ihr Mann Felix, ebenfalls Polizist, vor drei Jahren ermordet worden ist. Er war, wie sich nun rausstellt, verdeckter Ermittler fürs Berliner LKA und einer großen Sache auf der Spur. Die beiden Fälle entpuppen sich als zwei Seiten derselben Medaille, als Wex herausfindet, dass Koslow vermutlich an einer offenbar mit Gewalt verabreichten Überdosis jener Droge gestorben ist, deren Hersteller wohl auch für den Tod von Felix verantwortlich waren.
Eine Schlüsselrolle auf beiden Ebenen spielt die gleichfalls verdeckt ermittelnde LKA-Kollegin Johanna Berger (Bea Brocks), die aber alles abstreitet, als Viktoria sie zur Rede stellt. Ein Toter mehr oder weniger, erkennt die Wissenschaftlerin, scheint die Beamtin nicht weiter zu kümmern, solange sie bloß die Hintermänner des schwunghaften Drogenhandels dingfest machen kann.
"Blutgeld" ist als Krimistory durchaus interessant (Buch: Olaf Kramer), zumal Pawlak fürchtet, Masuren sei drauf und dran, zu einer Drehscheibe des organisierten Verbrechens zu werden, aber die Umsetzung hätte gern spannender sein können; bis auf einige interessante Kameraperspektiven ist die Umsetzung handwerklich zwar solide, aber ansonsten nicht weiter auffällig. Regisseurin Frauke Thielecke hat bislang vor allem Serienfolgen gedreht. Ihre wenigen Langfilme sind fürs "Herzkino" sonntags im ZDF entstanden ("Ein Tisch in der Provence", "Katie Fforde"), was erklären könnte, warum die Stärken dieses "Masuren-Krimis" eher im zwischenmenschlichen Bereich liegen.
Das gilt für die sich allmählich vertiefende Beziehung zwischen Viktoria und Leon ebenso wie für die Szenen mit Leons Teenager-Tochter Emilia (Matilda Jork) und der jungen Aga (Clara Devantié), die als Escort-Girl Gast der Schiffsparty sowie Zeugin des Mordes war und Johanna Berger beschuldigt. Das LKA und die polnischen Behörden haben eine gemeinsame zentrale Ermittlungsstelle eingerichtet, und natürlich lassen sich Leon und Viktoria nicht beirren, als Leons Chefin und Ex-Frau Zofia (Karolina Lodyga) aus Warschau den Befehl bekommt, die Nachforschungen im Mordfall Koslow einzustellen.
Episoden-Stargast ist Stipe Erceg als Drahtzieher, dem jedoch nichts nachzuweisen ist. Auch die einheimischen Mitwirkenden sind interessant ausgewählt, allen voran Laura Breszka als Danuta Koslow, die auf die Mitteilung, ihr Gatte habe sein Geburtstagsfest nicht überlebt, erstaunlich gefasst reagiert. Gegen Ende wird es ein bisschen dramatisch, als Aga und Emilia entführt werden, aber sehenswert ist "Blutgeld" vor allem wegen der Hauptfigur und ihrer Darstellerin, zumal Claudia Eisinger die Rolle sehr kontrolliert interpretiert. Da Viktoria bereits körpersprachliche Nuancen genügen, um ihre Mitmenschen zu analysieren, muss die Andeutung eines kleinen Lächelns genügen, um ihre Sympathien für Leon zu bekunden.