"An dem, was bisher erreicht worden ist, haben Betroffene den größten Anteil", sagt Nancy Janz im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst. Die Sprecherin der Betroffenenvertretung im Beteiligungsforum Sexualisierte Gewalt in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) fügt hinzu: "Es braucht die Betroffenen, die wütend sind, die in dieser Wut auch eine zerstörerische Kraft haben und sagen: Alles, was ihr tut, ist falsch. Ihr könnt es nicht richtig machen! Eine Institution kann sich selbst nicht aufarbeiten. Diese Kraft hat es gebraucht, um überhaupt wach zu werden als evangelische Kirche." Sie werde weiter benötigt, und deshalb sei es wichtig, neben den in ganz Deutschland geplanten regionalen unabhängigen Aufarbeitungskommissionen mit jährlich geplanten Foren weitere Formen des Mitwirkens zu schaffen.
Die Ende Januar veröffentlichte ForuM-Studie über sexualisierte Gewalt in der evangelischen Kirche geht von mindestens 2.225 Betroffenen und 1.259 mutmaßlichen Tätern aus. Die Dunkelziffer wird aber viel höher eingeschätzt. Jetzt gehe es darum, aus der Studie Folgerungen zu ziehen und die 46 Handlungsempfehlungen umzusetzen, sagt Janz. In der Studie stehe zum Beispiel, dass viele Betroffene mit ihrer erlebten sexualisierten Gewalt vereinzelt seien und der Wunsch nach Vernetzung groß sei, erläutert sie. "Wir haben in den letzten zwei Jahren in der Betroffenenvertretung sehr intensiv an der digitalen Vernetzungsplattform BeNe (Betroffenen Netzwerk) gearbeitet, mit der wir hoffentlich im April starten können."
Innerhalb der nächsten 15 Monate sollten sich die regionalen unabhängigen Aufarbeitungskommissionen der verschiedenen Landeskirchen bilden, an denen jeweils auch mindestens zwei Betroffene mitwirken sollen. Für den Verbund der niedersächsischen Kirchen und der bremischen Kirche sei als erster Schritt die Geschäftsführung ausgeschrieben, die weitere Schritte koordinieren solle, sagt Janz.
Janz lebt in Bremen und ist neben ihrer Arbeit als Heilpraktikerin für Psychotherapie auch für die Bremische Evangelische Kirche tätig. Sie hat als junge Frau selbst in einer diakonischen Einrichtung in Niedersachsen sexualisierte Gewalt durch einen Jugendpastor erfahren. Im Beteiligungsforum gibt sie Betroffenen eine Stimme.
"Die Arbeit ist sehr zeitintensiv und herausfordernd, dennoch so notwendig und wirksam und bitter nötig", sagt sie. Die neu zu gründenden regionalen Kommissionen benötigten neben der Beteiligung von Betroffenen auch die Mitarbeit der jeweiligen Landesregierungen, erläutert Janz. Diese sollen unabhängige Expertinnen und Experten als Mitwirkende in den Kommissionen benennen. "Da sind wir sehr angewiesen auf die Politik und darauf, welche Menschen sich für die Kommissionen zur Verfügung stellen."