Missbrauch sei auch in vielen nicht-kirchlichen Bereichen ein Problem, sagte Dreßing der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" (21. Februar 2024): "Überall dort, wo sich Erwachsene professionell oder im familiären Bereich um Kinder kümmern, besteht die Gefahr, dass solche Beziehungen missbraucht werden."
"Wir benötigen zunächst mal eine Basis, um dann auch die Effizienz von Schutzkonzepten beurteilen zu können", fügte Dreßing hinzu: "Dafür müssen wir wissen, wo und wann Missbrauch auch in früheren Zeiten vorgekommen ist." Dreßing vom Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim hat an der ForuM-Studie über Missbrauch in der Evangelischen Kirche in Deutschland mitgearbeitet und an der 2018 erschienenen MHG-Studie über Missbrauch in der katholischen Kirche.
Dreßing vermisst eine ausreichende Unterstützung aus der Politik: "Man hört grundsätzlich, dass eine solche Studie wichtig ist, eine finanzielle Förderung seitens der Politik haben wir bisher hierfür nicht erhalten."
Zur Frage, warum sich der Blick beim Thema Missbrauch derart auf die beiden Kirchen konzentriert, sagte Dreßing: "Der Grund dafür ist, dass in beiden Kirchen die moralische Fallhöhe eine andere ist als etwa im Sportverein und beide Kirchen sich im Umgang mit Betroffenen nicht sehr sensibel gezeigt haben." Anspruch und Wirklichkeit klafften bei den Kirchen in besonderer Weise auseinander, so Dreßing weiter: "Als Spezifikum der Kirchen kommt hinzu, dass die Betroffenen oft nicht allein unter erheblichen psychischen, körperlichen und sozialen Folgen leiden, sondern auch spirituell missbraucht wurden. Häufig ist ihr Glaube erschüttert worden."