Tabea Heidemann hat schon gewählt. "Die digitale Abstimmung hat super geklappt", sagt die 19-jährige Abiturientin. Ihre Kirchengemeinde Alt-Duisburg gehört zu den 114 rheinischen Gemeinden, in denen sich die Gemeindemitglieder bei der Presbyteriumswahl heute tatsächlich zwischen den Kandidierenden entscheiden können.
Zwölf Plätze in dem Leitungsgremium sind zu besetzen, 13 Männer und Frauen haben sich beworben. Eine von ihnen ist Tabea selbst, die gerade ihren Bundesfreiwilligendienst leistet. Im Presbyterium will sie vor allem etwas für die Jugendarbeit bewirken - zum Beispiel das Jugendcafé renovieren, eine Jugendgruppe bilden und Freizeiten anbieten.
Alle vier Jahre werden in den evangelischen Landeskirchen in Rheinland, Westfalen und Lippe mit zusammen rund 4,3 Millionen Mitgliedern die Gemeindeleitungen neu zusammengesetzt. Die für vier Jahre gewählten ehrenamtlichen Mitglieder eines Presbyteriums (in Lippe: Kirchenvorstand) tragen gleichberechtigt mit den Pfarrer:innen die Verantwortung für die Arbeit der örtlichen Kirchengemeinden. Das Gremium befasst sich mit Fragen von Gottesdienst, Jugendarbeit, Diakonie und Kirchenmusik, stellt Personal ein, verwaltet die Finanzen und kümmert sich um den Erhalt der Gebäude.
Mit ihren 19 Jahren liegt Tabea knapp über dem Mindestalter von 18 Jahren für eine Kandidatur zum Presbyterium. Wählen dürfen alle Konfirmierten ab 14. Durch ihre Mutter christlich geprägt, ging Tabea regelmäßig zum Kindergottesdienst, engagierte sich später in der Arbeit mit Konfirmanden, gestaltete Jugendgottesdienste und half bei Taufen mit. "Ich bin da so reingerutscht", sagt sie zu ihrem kirchlichen Engagement. Gleichaltrigen, die vielleicht Vorurteile gegenüber Kirche haben, will sie zeigen, "dass wir offen sind und man bei uns viel machen kann". Sollte sie nicht gewählt werden, will Tabea trotzdem in der Gemeinde aktiv bleiben.
"Kirchlich engagierte Menschen zu finden ist schwierig"
Bereits als gewählt betrachten darf sich der 53-jährige Cord Neuhaus in der Kirchengemeinde Bergkirchen im ostwestfälischen Bad Oeynhausen. Für die sechs Plätze im Presbyterium haben sich genau die nötigen sechs Bewerber gefunden. Der Tischlermeister gehört dem Presbyterium bereits seit 2002 an. Seit drei Jahren ist er sogar dessen Vorsitzender - dieses Amt bekleiden sonst meistens Pfarrer:innen. Neuhaus findet es schade, dass es in Bergkirchen, anders als bei den beiden letzten Kirchenwahlen, nicht zur Abstimmung kommt. "Kirchlich engagierte Menschen zu finden, die sich dann auch für vier Jahre an ein Amt binden wollen, ist schwierig", sagt er.
In den drei Landeskirchen sinkt der Anteil der Kirchengemeinden mit einer tatsächlichen Wahl seit Jahren. Waren es in der rheinischen Kirche 2016 noch rund 40 Prozent, ging die Zahl vor vier Jahren auf unter 30 Prozent zurück. Jetzt sind es mit 114 von 605 Gemeinden rund 19 Prozent. In Westfalen gibt es nach Angaben des Landeskirchenamts in 60 von 442 Gemeinden einen Urnengang (2020: 87). In der Lippischen Landeskirche wird in keiner der 65 Gemeinden wirklich gewählt.
Der Duisburger Superintendent Christoph Urban findet den Trend zur "Nicht-Wahl" problematisch. "Wir müssen uns Gedanken machen um die Legitimation unserer Gremien", sagt er. Die Presbyteriumsmitglieder hätten weitreichende Entscheidungen zu treffen. Dafür benötigten sie den Rückhalt der Gemeindeglieder, der sich in einer Wahl gut ausdrücken könne. Dass die Kandidatenfindung schwer sei, liege nicht am mangelnden Willen der Menschen zum Engagement, erklärt der Superintendent. Die Belastungen im Beruf und in der Familie seien groß - viele setzten sich lieber punktuell für Projekte ein.
Im Kirchenkreis Duisburg wählen fünf von 13 Gemeinden. Sie alle hätten sich für die von der rheinischen Kirche neu geschaffene Möglichkeit der Online-Abstimmung entschieden, berichtet Urban. "Damit sind wir staatlichen Wahlen voraus." Gemeindemitglieder können wahlweise digital abstimmen, Briefwahl beantragen oder am 18. Februar persönlich im Wahllokal votieren. Insgesamt praktizieren 96 rheinische Gemeinden dieses neue kombinierte Verfahren. Urban erhofft sich von der Online-Wahl eine höhere Beteiligung. Bei den letzten beiden Presbyteriumswahlen lag sie im Rheinland jeweils bei zehn Prozent, in der westfälischen Kirche zwischen fünf und sechs Prozent.
Presbyter Neuhaus aus Bergkirchen blickt bereits auf die "spannende Zeit" nach der Kirchenwahl. Kirche sei "im Wandel" - und bei den bevorstehenden Veränderungen möchte er weiter mitentscheiden. Seine Gemeinde hat gerade eine neue Pfarrerin mit einem halben Stellenanteil bekommen. Die andere Hälfte arbeite die Theologin in einer Nachbargemeinde, mit der man nun eine gemeinsame Zukunft plane bis hin zu einer möglichen Fusion. Auseinandersetzungen stünden in der Kirche auch über den Erhalt von Gebäuden bevor, sagt der Presbyteriumsvorsitzende, der auch dem Vorstand des Kirchenkreises Minden angehört.