In Aschersleben in Sachsen-Anhalt ist eigentlich alles vorbereitet: Ein Teil des städtischen Friedhofs ist bereits reserviert für eine neuartige Form der Bestattung, und die Friedhofssatzung hat der Stadtrat auch schon entsprechend geändert. Allein: Was Oberbürgermeister Steffen Amme (Wählerinitiative Widab) und die Ratsvertreter planen, ist in Sachsen-Anhalt noch gar nicht erlaubt: die sogenannte "Reerdigung", eine Art Kompostierung des Leichnams. Sie soll eine Alternative zur bisherigen Erd- oder Feuerbestattung bilden.
Die Idee: Ein Leichnam wird in einen Kokon eingeschlossen. Nur auf Heu und Stroh gebettet, soll er innerhalb von 40 Tagen weitgehend verwesen. Die hohe Temperatur in dem Behälter und die eigenen Mikroorganismen des toten Körpers sollen dafür sorgen, dass die Leiche in dieser kurzen Zeit zu Erde zerfällt. Wie bei der Feuerbestattung sollen dabei nur Knochen übrigbleiben, die zermahlen und wieder beigemischt werden. Dann kann der zu Humus zerfallene Leichnam ohne Sarg beerdigt werden.
Entwickelt hat die Methode das Berliner Startup-Unternehmen "Meine Erde". Für Gründer und Geschäftsführer Pablo Metz sprechen vor allem zwei Gründe für diese neuartige Bestattungsform: So sei die Feuerbestattung wenig nachhaltig, vor allem wegen des hohen Erdgasverbrauchs bei der Einäscherung. Zudem hätten immer mehr Menschen den Wunsch, dass ihre äußere Hülle im Kreislauf der Natur erhalten bleiben könne.
Obwohl ein Gutachten der Universität Leipzig - allerdings nur auf Basis der Untersuchung von zwei "reerdigten" Verstorbenen - die Unbedenklichkeit der Methode bestätigt hat, stößt die neue Bestattungsform noch auf breite Skepsis. Lediglich Schleswig-Holstein ist Ende Januar vorgeprescht: Der Kieler Landtag hat eine Experimentierklausel ins Bestattungsrecht aufgenommen und die Methode landesweit befristet zugelassen.
Davon ist man in Sachsen-Anhalt noch weit entfernt. Bereits seit einem Jahr debattiert das Land über eine Reform des Bestattungsgesetzes. Im Gesetzentwurf der zuständigen Sozialministerin Petra Grimm-Benne (SPD) ist die "Reerdigung" nicht enthalten, allerdings wurde bei einer Anhörung des Landtags-Sozialausschusses im September 2023 die neue Methode breit diskutiert. Der Koalitionspartner CDU ist indes zurückhaltend, sieht noch Beratungsbedarf.
Auch der Ascherslebener Oberbürgermeister Amme war bei der Anhörung mit dabei, um für die "Reerdigung" zu werben. Neben dem Gedanken der Nachhaltigkeit wolle man auch auf veränderte gesellschaftliche Bedürfnisse reagieren, sagte Amme dem Evangelischen Pressedienst. Deshalb plant die Stadt am Fuße des Harzes ein "Reerdigungs-Zentrum", auch um die Thematik der Nachhaltigkeit aufzugreifen, wie Amme betont. Der Plan kam durch den dortigen Friedhofsverwalter André Könnecke zustande, der zugleich Geschäftsführer des Verbands der Friedhofsverwalter Deutschlands ist. Beide wünschen sich eine Experimentierklausel wie im hohen Norden auch für Sachsen-Anhalt.
Die Kirchen im Land äußern sich allerdings zurückhaltend. Die zuständige Referatsleiterin im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM), Sabine Schulze, sieht zwar keine grundsätzlichen theologischen Bedenken. "Wir beobachten das ganz interessiert und sind überhaupt nicht ablehnend", sagt Schulze. Die EKM sehe es aber nicht als ihren Auftrag an, diese neue Bestattungsform aktiv zu befördern. Schulze sieht vor allem rechtliche Aspekte ungeklärt: Ist der Humus wie ein Leichnam oder wie Asche zu betrachten? Das habe Auswirkungen beispielsweise auf die Nutzungsrechte oder die Bestattungstiefe.
Einwände anderer Art äußert der Leiter des Katholischen Büros in Sachsen-Anhalt, Stephan Rether. So werde mit der "Reerdigung" der Eindruck erweckt, es gehe bei der Bestattung nur um einen Naturkreislauf menschlichen Lebens. "Wir sagen, die Ruhe des verstorbenen Menschen auf dem Friedhof ist getragen von der Hoffnung der Auferstehung", betont Rether. Für eine Zulassung der "Reerdigung" sind also noch viele Fragen offen.