Menschen "auf allen Ebenen" der Evangelische Kirche im Rheinland hätten in der Vergangenheit "dem Schutz des Ansehens der Kirche oder von Trägern einen zu hohen Stellenwert" eingeräumt, sagte Latzel bei der Landessynode in Düsseldorf. Dem Leid von Betroffenen sei kein gleicher Stellenwert eingeräumt worden.
Das habe den von Missbrauch betroffenen Menschen weiteren Schaden zugefügt, sagte der leitende Geistliche. "Das gehört zur Schuldgeschichte unserer Kirche, und auch dafür können wir die betroffenen Menschen nur um Entschuldigung bitten." Der Umgang mit Missbrauch und sexualisierter Gewalt sei ein dauerhafter Lernprozess, betonte Latzel. Und dieser sei in der evangelischen Kirche wie auch in der Gesellschaft "bei Weitem nicht abgeschlossen".
Seit 1946 sind nach Angaben der rheinischen Kirche 70 Verdachtsfälle sexualisierter Gewalt bekannt, die in den Akten gefunden wurden. Bei einer 2021 eingerichteten Meldestelle wiederum seien bisher 76 Verdachtsmeldungen abgegeben worden.
In der kommenden Woche veröffentlicht ein unabhängiger Forschungsverbund eine Studie über sexuellen Missbrauch in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und der Diakonie. Die sogenannte ForuM-Studie enthalte möglicherweise eine höhere Fallzahl, weil sich Betroffene ausschließlich an die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gewandt haben könnten.
Im Zusammenhang mit Verstößen gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind den Angaben zufolge seit 2004 insgesamt 28 Disziplinarverfahren geführt worden - vier davon liefen noch. In elf Fällen habe auch die jeweilige Staatsanwaltschaft ermittelt. Vier Strafverfahren seien wegen eines nicht hinreichenden Tatverdachts eingestellt worden, eines gegen Auflagen.
Die rheinische Kirche hat knapp 2,2 Millionen Mitglieder und ist damit die zweitgrößte der 20 evangelischen Landeskirchen in Deutschland. Sie ist gegliedert in 37 Kirchenkreise mit insgesamt 605 Kirchengemeinden zwischen Niederrhein und Saar.