Das Bündnis "Soziales Wohnen" wirft Bund und Ländern "Missmanagement" bei den staatlichen Unterstützungen für das Wohnen vor. Es stellte am Dienstag in Berlin eine Studie des Pestel-Instituts vor, wonach aus den Staatskassen im vorigen Jahr allein 700 Millionen Euro an überhöhten Mieten gezahlt wurden.
Insgesamt haben die staatlichen Wohn-Hilfen erstmals mehr als 20 Milliarden Euro betragen. In dem Bündnis haben sich die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), der Deutsche Mieterbund, sowie Fachverbände der Caritas und der Bauindustrie zusammengetan.
Der Hauptgrund für die weiter steigenden Staatsausgaben ist dem Bündnis zufolge die jahrzehntelange Vernachlässigung des sozialen Wohnungsbaus. Deshalb fehlen laut der Studie rund 910.000 Sozialwohnungen. Bundesweit gebe es noch 1,1 Millionen Sozialwohnungen, sagte Studienleiter Matthias Günther vom Pestel-Institut. Vor 15 Jahren waren es rund zwei Millionen. Diese Zahl müsse wieder erreicht werden.
In Baden-Württemberg fehlen rund 206.000 Sozialwohnungen
Am größten ist der Mangel an Sozialwohnungen in Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Niedersachsen, wie aus der Studie hervorgeht. Danach fehlen in Baden-Württemberg rund 206.000 Sozialwohnungen, in Bayern 195.000, in Berlin 131.000 und in Niedersachsen 109.000 Sozialwohnungen. Hamburg und Nordrhein-Westfalen hingegen stehen beim Sozialwohnungsbestand mit rund 4.400 sowie 4.500 fehlenden Wohnungen vergleichsweise gut da.
Der laut Studienleiter Matthias Günter "dramatische Mangel an sozialem Wohnraum" führt dazu, dass die staatliche Unterstützung für das Wohnen "völlig aus dem Ruder läuft". Die von den Behörden übernommenen Mieten lägen fast durchweg mindestens fünf Prozent über den ermittelten örtlichen Durchschnittsmieten. Man müsse sich fragen, "ob wir am Ende nicht die Vermieter fördern", sagte Günther.
Besonders drastische Zahlen liefert die Stadt München. Hier lag die von den Jobcentern gezahlte Miete bei den Kosten der Unterkunft mit 19,20 Euro pro Quadratmeter rund 6,40 Euro - und damit 50 Prozent - über der Münchner Durchschnittsmiete von 12,80 Euro. Günther sagte, im Osten Deutschlands lägen die staatlich übernommenen Mieten in der Regel unter den Durchschnittsmieten. Das gelte allerdings nicht mehr für Städte wie Leipzig, Dresden, Erfurt oder auch Rostock. Die höchsten Mietpreise würden seitens der Behörden aber im Westen und Südwesten gezahlt.
Zu den staatlichen Hilfen zählen das Wohngeld für Geringverdiener und die Kosten der Unterkunft für Bürgergeld-Bezieherinnen und -Bezieher. Der IG BAU-Bundesvorsitzende Robert Feiger sagte, wo günstige Wohnungen fehlten, "muss der Staat die Mieten auf dem freien Wohnungsmarkt akzeptieren". Diese seien in den vergangenen Jahren "bekanntlich durch die Decke gegangen", kritisierte er. Rund 15 Milliarden Euro hätten die Behörden für die Kosten der Unterkunft bezahlt, fünf Milliarden Euro seien ins Wohngeld geflossen. Damit habe der Staat für die Wohn-Hilfen fünfmal so viel ausgegeben wie für die Förderung des Sozialwohnungsbaus mit vier Milliarden Euro, kritisierte Feiger.
Die Verbände erneuerten ihre Forderung nach einer Kehrtwende beim Wohnungsbau und einem Sonderbudget von 50 Milliarden Euro für den Bau von Sozialwohnungen. Dies müsse ebenso wie das 100-Milliarden-Sondervermögen für die Bundeswehr ermöglicht werden, forderte Feiger: "Mit der Schuldenbremse baut man keine Sozialwohnungen." Das Bündnis verlangt außerdem, die Mehrwertsteuer für den Neubau von Wohnungen auf sieben Prozent zu senken.
Die Ampel-Koalition wollte pro Jahr 400.000 neue Wohnungen errichten lassen, davon 100.000 Sozialwohnungen. 2023 wurden dem Bündnis "Soziales Wohnen" zufolge aber nur rund 30.000 Sozialwohnungen fertiggestellt, in den Vorjahren rund 25.000. Von 2022 bis 2026 stellt der Staat 14,5 Milliarden Euro für den Sozialwohnungsbau bereit.