Mitternachtsbus-Projektleiterin Sonja Norgall ist besorgt. Vor zehn Jahren waren es nicht fünf Brötchen, sondern fünf Kisten mit belegten Semmeln. Dabei versorgen die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer aktuell pro Mitternachtsbus-Schicht zwischen 100 und 200 wohnungslose Menschen. "Alle Gäste sollten mindestens ein belegtes Brötchen bekommen", erklärt die 49-Jährige.
Schon seit Jahren gehen die Spenden aus Bäckereien zurück. Dazu trägt bei, dass heutzutage auch aus Resten Geld gemacht werde, sagt die Projektleiterin. Durch Apps oder Brotretter-Tüten werde Gebäck kurz vor Feierabend günstiger verkauft, andere Filialen recyceln übriggebliebenes Brot. Zudem werde grundsätzlich weniger vorproduziert.
Norgall: "Wohl auch mithilfe von Computerprogrammen wird in Bäckereien weniger Überschuss hergestellt." Was wirtschaftlich und ökologisch sinnvoll ist, stellt die Initiative der Diakonie vor Probleme: "Manchmal steht der Aufwand, Spenden einzusammeln, in keinem Verhältnis." Doch die Feierabend-Tour zu den Bäckerei-Filialen im Raum Eimsbüttel und Schanzenviertel sei verbindlich abgesprochen mit den Geschäften.
Jedes Brötchen wird gebraucht
Abgesehen davon werde jedes Brötchen gebraucht. "Die Not auf der Straße ist in letzter Zeit eher noch größer geworden und den Menschen geht es gesundheitlich schlechter", beobachtet Norgall, die das Projekt seit 2010 leitet. Um alle zu versorgen, muss die Initiative teilweise belegte Brötchen zukaufen, damit die Menschen etwas Ausgewogenes zu essen bekommen. Dabei ist das Projekt selbst auf Unterstützung angewiesen, denn der Mitternachtsbus finanziert sich ausschließlich aus Spenden.
An 365 Nächten im Jahr fahren Ehrenamtliche mit dem Mitternachtsbus von 20 bis 24 Uhr durch die Hamburger Innenstadt. Sie verteilen Brötchen, heiße Getränke, Wasser oder Brühe, aber auch Schlafsäcke, Decken und Kleidung an Bedürftige. "Die belegten Brötchen gehen in der Nacht immer weg", sagt Norgall.
Es bleibt nicht nur bei der Versorgung mit dem Nötigsten: "Gerade jetzt, wo es wieder kälter wird, informieren wir unsere Gäste über weitere Hilfen wie das städtische Winternotprogramm oder das warme Mittagessen im Diakonie-Zentrum für Wohnungslose." Und wenn nach der Tour mal süße Backwaren übrigbleiben, werden sie am nächsten Tag im Diakonie-Zentrum oder in der Hamburger Obdachlosenunterkunft "Pik As" verteilt - und natürlich auch gerne gegessen.