Guido Pusch setzte es in Marienrachdorf im rheinland-pfälzischen Westerwaldkreis vor mehr als zwölf Jahren um. Der Nebenerwerbslandwirt entwickelte die Idee aus Eigenbedarf. "Die Oma sollte nicht ins Pflegeheim", erinnert er sich. Der Hof bot Platz. Er wurde pflegegerecht umgebaut, Pusch installierte einen eigenen Pflegedienst für die Großmutter. Weitere Pflegebedürftige zogen ein. Mittlerweile ist das Konzept "Pusch" bundesweit nachgefragt.
Einmieten können sich Menschen mit Pflege- oder Betreuungsbedarf. Sie helfen, je nach körperlicher Fitness, bei den Arbeiten am Hof, der Tierpflege mit. Die Kosten trägt wie im Pflegeheim größtenteils die Pflegekasse. Rund 20 Pflegebauernhöfe sind, verteilt auf ganz Deutschland, in Planung. Der Hof in Marienrachdorf ist bisher der einzige aktive Pflegebauernhof. In Bad Teinach-Zavelstein im Landkreis Calw soll im Frühjahr 2024 der erste Pflegebauernhof Baden-Württembergs seine Arbeit aufnehmen.
Elternhaus wird Haus der Pflege
Die Hürden sind hoch: Umbaumaßnahmen in Höhe von schnell zweieinhalb Millionen Euro und zahlreiche behördliche Auflagen schrecken ab. Der Landwirt muss investieren und langfristig 20 bis 30 fremde Personen auf seinem Hof akzeptieren. Dorothee Schuon im Schwarzwald scheute den Aufwand nicht und lässt ihr Elternhaus zurzeit in einen Pflegebauernhof nach Guido Pusch umwandeln.
Noch herrscht Baustellenlärm auf dem Anwesen von Dorothee Schuon. Ihr Elternhaus, der frühere Gasthof "Löwen", wird gerade umgebaut. Wo früher Gäste gegessen, getrunken und übernachtet haben, entsteht ein Zuhause für alte Menschen. "Vor dem Haus werden wir drei Alpakas haben", sagt Schuon. Schon jetzt gebe es mehr Anfragen als Plätze. Zielgruppe seien Menschen ab 60 Jahren mit Pflegebedarf und Interessierte, die als Selbstversorger in einer WG zusammenwohnen wollten, erläutert sie. Und sie zeigt die großzügigen Zimmer mit Bad und Toilette, die Küche und die hellen Esszimmer.
Wer bringt die Alpakas auf die Weide?
Anders als im klassischen Pflegeheim sind die Bewohnerinnen und Bewohner des Pflegebauernhofes in den Alltag eingebunden. "Sie bringen die Alpakas auf die Weide, sammeln Eier von den Hühnern ein und helfen, je nach Kräften, bei der Stallarbeit", berichtet die Sprecherin von "Zukunft-Pflegebauernhof", Kordula Wiefel. Gerade demenziell erkrankte Menschen profitierten vom Streicheln der Tiere, weiß sie.
"Gebraucht zu werden", helfe den Menschen auch im Alter, so Wiefel. Auf dem Hof könnten sich alte Menschen sinnstiftend einbringen, darin unterscheide sich der Alltag von dem im Pflegeheim. "Die Tagesstruktur hängt von den Launen der Natur ab, ist nicht künstlich", betonte die Sprecherin. Auch die Arbeitsbedingungen für den Betreuungsdienst seien besser, unterstreicht sie. Sie berichtet von Pflegekräften, die im Heim gekündigt hätten und lieber auf dem Pflegebauernhof arbeiten wollten. "Den Heimen läuft das Fachpersonal davon", sagt Wiefel.
Als "Grundübel" macht sie "die Wirtschaftlichkeit" der Heime aus. Der Pflege fehle eine Lobby in der Politik. Die Heime seien zu "Aufbewahrungsstationen" geworden, weil das Personal fehle, so die Sprecherin. "Zukunft-Pflegebauernhof" könnte eine Antwort darauf sein. "Die Beschäftigung ist nicht künstlich ausgedacht, die Arbeiten müssen gemacht werden", erklärt Wiefel. Denn der Bauernhof muss sich selbst tragen.
Die Pflegekasse übernimmt lediglich die Kosten für die Betreuung. Im Erdgeschoss bei Dorothee Schuon wird es einen Hofladen geben. Mehrere sonnendurchflutete Gemeinschaftsräume laden zu Geselligkeit ein.
Der Altersaufenthalt auf dem Pflegebauernhof stellt nicht die Hilfsbedürftigkeit der Bewohner, sondern deren Ressourcen in den Mittelpunkt. Bleiben darf jede Bewohnerin und jeder Bewohner bis zum Lebensende. Der ambulante Pflegedienst am Hof begleitet sie bis zum letzten Atemzug.