Carl Sievers (Peter Heinrich Brix), Chef der Kripo Sylt, ist genötigt worden, die Mitglieder seiner einstigen Abschlussklasse aus der Polizeischule auf die Insel einzuladen; bislang hat er immer einen Grund gefunden, sich vor den jährlichen Begegnungen zu drücken. Nach 25 Jahren ist die Gruppe also erstmals wieder vollständig, aber nicht mehr lange: Ein Kollege aus Niedersachsen wird in seinem Wagen auf dem Autozug aus großer Entfernung erschossen.
Tags drauf entdecken Kinder auf der Startrampe eines BMX-Geländes zwei leere Hülsen sowie einen Spielwürfel. Er zeigt die Eins, für Feldmann (Oliver Wnuk) ein klarer Hinweis, dass es noch weitere Opfer geben wird. Tatsächlich findet sich im Auto der Kollegin Bielmann (Idil Üner) ein weiterer Würfel, er zeigt die Zwei, und Sievers wird beschossen, als er mit dem Rad unterwegs ist; offenbar hat irgendjemand eine alte Rechnung mit der Gruppe offen. Das Quintett ahnt auch, um wen es sich handelt.
Sie waren damals zu siebt: Siggi Gruber hat die Prüfung nicht bestanden, sich aber trotzdem mit gefälschtem Abschlusszeugnis beworben. Der Schwindel ist aufgeflogen, weil ein Mitglied der Gruppe ihn verraten hat. Wer das war, hat er damals nicht erfahren. Aber falls er sich nun an allen Sechsen rächen will: Warum erst heute? Vielleicht, weil sie es ihm einfach machen: Gruber (Michael Lott) lebt mittlerweile ebenfalls auf Sylt, er arbeitet als Koch in einem Muschelimbiss; und er hat einen Jagdwaffenschein.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Als Feldmann und Ina Behrendsen (Julia Brendler) in seiner Wohnung ein Gewehr entdecken, das dem Typ der Tatwaffe entspricht, scheint der Fall klar. Der Film ist jedoch noch längst nicht zu Ende, denn Gruber entführt den Kripochef; und dann nimmt die Geschichte eine überraschende Wende.
Das Drehbuch von Thomas Oliver Walendy, Berno Kürten und Regisseur Sven Nagel erfreut neben der interessanten Geschichte nicht zuletzt durch die kleinen Nebenebenen. Gerade die Szenen mit Oliver Wnuk und Julia Brendler bewegen sich in Sichtweite einer romantischen Komödie, zumal Feldmann eine Einladung nach Ibiza erhalten hat: Dort wird eine Sondergruppe zum Kampf gegen organisierte Kriminalität gegründet. Mindestens so groß wie sein Ehrgeiz ist allerdings seine Zuneigung zur Kollegin, doch auf die zwei Zauberworte "Geh nicht!" wartet er vergeblich.
Auch die zweite durchgehende Herzensangelegenheit der Reihe entspricht nicht den Erwartungen: Die gegenseitigen Gefühle zwischen Sievers und Tabea Krawinkel (Victoria Trauttmansdorff) sind offenkundig, aber weil der zu Missmut neigende Hauptkommissar nicht aus seiner Haut kann, bleiben sie unausgesprochen. Dass er die Psychologin nicht über die Gefahr informiert, in der er schwebt, trägt gleichfalls nicht gerade zu ihrer guten Laune bei. Das übernimmt Sievers’ einstiger Mitschüler Gernot Stelzer (Gerhard Wittmann). Der Bayer setzt sich kurzerhand über den zur Sicherheit des Quartetts (Frank Kessler und Heike Jonca vervollständigen das Ensemble) verordneten Hausarrest hinweg und nistet sich im Domizil des Kollegen ein. Dort bricht zwar prompt das Chaos aus, aber immerhin kommt Tabea auf diese Weise in den Genuss eines zünftigen Weißwurstfrühstücks.
Es gibt ein paar kleine Spannungsspitzen, wenn Feldmann den Attentäter verfolgt und plötzlich die Kollegin vor der Mündung steht, oder wenn bei Nacht und Nebel jemand um Sievers’ Haus schleicht, aber für Nervenkitzel sorgt in erster Linie die Musik (Mario Grigorov). Regisseur Nagel, der seine Karriere einst mit der vielversprechenden Dokusoap-Parodie "Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer!" (2013) gestartet hat, scheint bei seinen Krimi-Inszenierungen ohnehin andere Prioritäten zu setzen. Seine Beiträge für "Friesland" und "Wilsberg" (ebenfalls ZDF) waren eher enttäuschend, aber in seinem vergnüglichen "Nord Nord Mord"-Debüt "Sievers und die Stille Nacht" (2021) hat er Tonfall und Tempo der Geschichte ausgezeichnet getroffen.
Von Tempo kann diesmal allerdings keine Rede sein, die Umsetzung ist eher bedächtig. Spaß macht der 23. Film der Reihe trotzdem, weil gerade Wnuk regelmäßig durch beiläufige kleine Heiterkeitsmomente erfreut: hier ein Seitenblick, dort eine Geste, die im Ansatz steckenbleibt. Die Handlung endet mit einer zu Herzen gehenden Szene, die fast zu Tränen rührt.