Happy Birthday, Alter! Vielleicht sitzt der Musiker mit dem Faltengebirge im Gesicht Keith Richards gerade irgendwo erwartungsfroh grinsend mit seiner Telecaster-Gitarre: Die "Rolling Stones" gehen im Frühjahr auf Nordamerika-Tournee. Im Gepäck haben sie ihr neues Album "Hackney Diamonds", dessen Sound so erdig ist, wie die Band schon immer geklungen hat. Richards ist bereit für die Bühne, auch wenn die Knochen etwas schmerzen mögen. Am 18. Dezember wird der britische Gitarrist, Songschreiber und Sänger 80 Jahre alt.
Der Musiker hat das Klischee von "Sex and Drugs and Rock'n'Roll" exzessiv gelebt. Jahrzehntelang war er schwer drogenabhängig, inzwischen hat er das Rauchen und Trinken nach eigenen Worten aufgegeben. Der Mann, der vor 61 Jahren die "Rolling Stones" mitgründete, ist einer der letzten großen Überlebenden der Rockmusik. Mit unverwüstlicher körperlicher Konstitution brennt der Großvater zahlreicher Enkelkinder für seine Musik - und genießt das Leben.
Richards wuchs in Dartford südöstlich von London als vernachlässigtes Einzelkind in einfachen Verhältnissen auf, musste sich immer schon durchboxen. Seine große Leidenschaft waren der amerikanische Rock'n'Roll und besonders der rohe Chicago-Blues von Männern wie Muddy Waters und John Lee Hooker. Er brach die Kunstschule ab, traf seinen kongenialen Partner Mick Jagger und widmete sich gemeinsam mit ihm der Mission, die Bluesmusik in Großbritannien bekannt zu machen.
Die beiden wohnten in London in schimmeligen Kellerräumen und hoben gemeinsam mit Brian Jones (Gitarre) 1962 die angeblich "dienstälteste Band der Welt" aus der Taufe. Die "Rolling Stones", der auch Bill Wyman (Bass) und der 2021 verstorbene Schlagzeuger Charlie Watts angehörten, spielten zunächst nur Bluestitel nach. 1965 gelang ihnen mit "Satisfaction" ihr erster und wohl bekanntester Hit. Richards und Jagger entwickelten sich - neben den "Beatles" John Lennon und Paul McCartney - zum erfolgreichsten Songschreiber-Duo der Rockmusik.
Besonders Keith Richards wurde zu einem Vorbild der 68er-Protestgeneration. "Sie wollen, dass ich Dinge tue, die sie nicht tun können", erinnert er sich in seiner Autobiografie "Life" (2010). Er war frech, witzig, unangepasst, testete Grenzen aus - ein langhaariger Bürgerschreck, der wegen seines Drogenkonsums aber auch mehrfach verhaftet wurde und 1967 nur knapp um eine mehrjährige Gefängnisstrafe herumkam. Jahrelang war der Musiker, der bei Auseinandersetzungen auch die Fäuste einsetzte, im Visier der Polizei.
Gleichzeitig entwickelte sich der blasse Engländer zu einer Mode-Ikone der Hippies: Wie ein Freibeuter wandert er noch heute umher, mit Lederjacke, Totenkopf-Ring am Finger und bunten Tüchern um den Kopf.
Keith Richards ist kein Virtuose auf der Gitarre. Doch das Spiel des "Riffmeisters" ist unverwechselbar. Er schlägt einen Akkord an und man hört sofort: Das ist "Keef", wie seine Fans ihn nennen, das sind die "Stones". "Ich weiß nicht, wie ich das mache, aber ich mache es", sagte er im Oktober in der "Tonight Show" des US-Talkmasters Jimmy Fallon. Manchmal schräge Klänge erzeugt er, indem er offene Gitarrenstimmungen bei Songs wie "Gimme Shelter", "Honky Tonk Women", "Jumping Jack Flash" oder "Start Me Up" einsetzt.
Bis heute ist Richards in den Augen vieler das Herz der "Rolling Stones". "Ich habe eine verdammt gute Antenne dafür, durch den Raum schwirrende Songs aufzuschnappen, das ist alles", erklärt er in seiner Autobiografie. In inniger Hassliebe vereint, erweiterten Richards und Jagger das Spektrum des schwarzen Blues mit Anleihen aus Folk, Country, Funk, Reggae und auch Disco, wie bei dem Song "Miss You" (1978).
In den 1980er Jahren standen die "Rolling Stones" kurz vor dem Aus. Jagger startete eine Solokarriere. Er geriet darüber mit Richards in Streit, der die Band zusammenhalten wollte. 1987 versuchte sich auch Richards mit seinem beachtenswerten Album "Talk Is Cheap" als Solist. 1989/90 rauften sich die "Stones" zur "Steel Wheels/Urban Jungle"-Welttournee dann wieder zusammen - und sie wurde ein riesiger Erfolg. Seither rockt und rollt die Band mit oft langjährigen Pausen weiter.
Auf der makabren "Top-Ten-Liste" todgeweihter Rockstars der britischen Zeitschrift "New Musical Express" rangierte Keith Richards ab 1973 zehn Jahre lang auf Platz eins. Darüber mag der Musiker heute nur lachen. Mit seiner Frau, dem amerikanischen Model Patti Hansen, ist er seit 40 Jahren verheiratet; sie leben in den USA, England und auf einer Karibikinsel. In einem Fernsehinterview bekräftigte Keith Richards, was sein Lebenselexier bleibt: "Musik zu machen, die die Leute antörnt."