Es ist eine Erfahrung bei allen großen Ereignissen im privaten wie öffentlichen Leben, dass auch die "Zeit bis…" schon geprägt ist von Erwartung, von Vorfreude und oft auch von Ritualen. Und dann gibt es auch immer einiges zu tun. Das gilt für das sehnsüchtige Warten in der Kindheit auf den Besuch einer geliebten Tante oder für die Zeit bis zu den nächsten Olympischen Spielen in einem bestimmten Land. Das entspricht ganz der Erkenntnis, dass große Ereignisse ihre Schatten vorauswerfen – und ihr Licht. Ausnahme: im schwedischen Möbelhaus gibt es einen Kurzweg direkt zum Restaurant; aber das fühlt sich ja auch nicht so ganz richtig an, oder?
Wir kommen dem besonderen Charakter der Adventszeit auf die Spur, wenn wir auf den Wortursprung schauen: Die Adventszeit leitet sich ab vom lateinischen Wort "adventus". In einer Zeit, in der die Bibel (Vulgata) und alle gottesdienstlichen Worte auf lateinisch verbreitet waren, war das die Übersetzung des deutschen Worts "Ankunft". Gemeint ist die Ankunft Jesu Christi. Und damit werden gleich zwei Zeithorizonte aufgeschlagen: Zum einen geht es um die in den Evangelien erzählte Ankunft Jesu in Jerusalem. Zum anderen geht es aber auch um den Glauben an die Wiederkunft Jesu am Ende der Zeiten, wie sie z. B. im Buch der Offenbarung beschrieben ist, dem letzten Buch der Bibel (Offenbarung). Und damit immer um die Sehnsucht – und Gottes Verheißung nach einer Welt, die anders als die jetzige erfüllt ist von Liebe und Gerechtigkeit.
Die Evangelisten Matthäus (Matthäus 21,1-9) und Markus (Mk 11,1-26) berichten von der Ankunft Jesu Christi in Jerusalem: Die Menschen haben ihm einen jubelnden Empfang bereitet und Kleider und Palmzweige auf seinen Weg gelegt. Damit ist die Grundfrage der Adventszeit gestellt: "Wie soll ich dich empfangen, und wie begeg’n ich dir?", wie ein Adventszeitlied es formuliert (EG 11 im Evangelischen Gesangbuch; allgemeiner Teil aller Landeskirchen).
Da ist vor allem an die innere Vorbereitung gedacht. Denn das war und ist der christlichen Tradition bewusst: oft gibt es im Leben zuweilen nicht so direkt und spontan zu feiern. Das am Heilig Abend geschmetterte "Freue dich o Christenheit" aus dem Weihnachtslied "O du fröhliche" – solche Worte könnten ja schwere Kost sein, angesichts von persönlichen Nöten, von Katastrophen und Kriegen. Darum heißt es herantasten. Und heran-glauben. Da könnten sich die Menschen fragen: Wo ersehne ich die Kraft und die Hoffnung Jesu Christi – in meinem Leben, im Leben der Menschen um mich und weltweit? Was müsste ich dafür noch in mir aus dem Weg räumen, um diese Botschaft selbst zu leben?
Und wo bräuchte ich Gottes Hilfe dazu? Das sind Gedanken, die erklären, warum die Adventszeit lange als Buß - und sogar Fastenzeit gelebt wurde.
Das Hauptsymbol der Adventszeit ist … klar, das Licht. Denn dieses Symbol umfängt und ermutigt die großen Hoffnungen - und erst recht die scheinbar lächerlich kleinen. Unterschätze man nicht die Kraft und das Licht einer einzigen Kerze! Den Auftakt dazu hat der Prophet Jesaja gegeben, mit seinen prophetischen Worten wie "Mache dich auf und werde Licht" (Jesaja 60,1) mit Blick auf die Ankunft des Erlösers. Auch in der Schöpfung erschafft Gott als erstes das Licht (1. Mose 1-5). Dem Symbol wohnt die Hauptbotschaft der Adventszeit inne: Werde dir des Lichts des Lebens, Jesus Christus, bewusst – werde bereit, sein Licht zu leben. Dieser Gedanke durchzieht das ganze Neue Testament, wie z. B. in dem Zuspruch wie Auftrag Jesu Christ bei der Bergpredigt: "Ihr seid das Licht der Welt" (Matthäus 5,14).
Die Adventszeit, wie alle christlichen Feste und Festzeiten, ist zwar in der Bibel nicht erwähnt, aber sie ist ein uraltes Ritual: Seit dem Ende des 4. Jahrhundert begeht das Christentum nachweislich die Adventszeit. Begonnen haben damit Spanien und Frankreich. Ursprünglich dauerte sie übrigens 6 Wochen – ähnlich lang wie die siebenwöchige Fastenzeit vor Ostern. Nebenerkenntnis: Deswegen hat der 11.11. bis heute in katholisch und karnevalistisch geprägten Regionen eine so große Bedeutung: Er war früher der letzte Tag vor der Fastenzeit. Also: Letzte Gelegenheit zur Sause, reichlich genutzt. So wie auch die Karnevalszeit das große Feiern vor der österlichen Fastenzeit war. Jedenfalls: Seit dem 16. Jahrhundert und den tridentischen Liturgiebüchern unter Papst Pius V ist die Adventszeit 4 Wochen lang – und so ist es bis heute.
Adventskalender und Adventskranz
Der Adventskalender entstand etwa Mitte des 19. Jahrhunderts. Damals kamen mehrere Familien auf die Idee, den Kindern die Wartezeit auf Weihnachten darzustellen. Sozusagen die Weisheit der vielen. Die Eltern schrieben mit Kreide 24 Striche an die Wand; die Kinder wischten täglich einen Strich weg. Ét voilà: der erste Adventskalender war erfunden. Andere Familien machten es so: Sie klebten jeden Tag ein Bild an ein Fenster oder an eine Wand. 1902 entstand beim Verleger Gerhard die Form, die wir heute vor allem mit einem Adventskalender verbinden: ein gedruckter Kalender mit 24 Türchen; dahinter kleine Bilder. Und ja, erst mal keine Schokolade, sondern etwas zur geistlichen "Erbauung" – so das alte, eigentlich gar nicht negativ gemeinte Wort für den seelsorglichen und pädagogischen Charakter der Bilder.
Den Adventskranz hat Johann Hinrich Wichern 1839. Er wollte in seinem "Rauhen Haus" in Hamburg, einem Heim (und später Dorf) für die Opfer der frühen Industrialisierung, nämlich verwahrloste Jugendlichen die Adventszeit erlebbar machen. Zunächst hing dort ein Wagenrad mit 24 Kerzen: vier weiße Kerzen für die 4 Adventssonntage, 20 rote für die Tage dazwischen. Er wollte den Kindern nicht erst am leuchtenden Weihnachtsbaum, sondern schon in der Adventszeit zeigen: Jesus Christus ist das Licht der Welt.
Auch Altar und Kanzel besonders geschmückt
Wer im Advent in Gottesdiensten ist oder in geöffnete Kirchen geht, wird in Kirchen lilafarbene Paramente sehen – kunstvolle Stoffbehänge an Altar und Kanzeln, schlicht oder kunstvoll gewebt bzw. bestickt: lila ist die Farbe der Bußzeiten. Erst an den Weihnachtstagen werden die Paramente weiß sein: weiß wie das Licht, die Stärke und die Hoffnung, die von Jesus Christus ausgehen.