Der Andrang an diesem Freitagnachmittag ist groß – wie an jedem Tag, wenn die Achimer Tafel geöffnet hat. Eine Frau schiebt ihr mit Taschen behängtes Fahrrad den steilen Berg von der Unterstraße hinauf, wo die Tafel ihre Ausgabestelle hat. Andere haben sich mit Einkaufwägelchen ausgerüstet. Viele der Kund:innen sprechen kein oder nur wenig Deutsch – rund die Hälfte sind nach Angaben von Bruno Kroen, Vorsitzender des Tafel-Trägervereins, Urkrainer. Auch Angehörige verschiedener Religionsgemeinschaften wie Jesiden und Muslime nehmen die Hilfe der Tafel in Anspruch. "Die Leute freuen sich, dass sie etwas bekommen", sagt Martina Wöbse, während sie zusammen mit Christel Lewandowski Gemüse ausgibt.
Die beiden Frauen sind schon seit Gründung der Achimer Tafel im Jahr 2007 dabei. Achim mit seinen rund 33.000 Einwohner:innen ist die größte Stadt des Landkreises Verden. Dort ist die Wirtschaftskraft traditionell hoch, den meisten Menschen geht es gut. Achim hat zusätzlich den Vorteil, im südlichen Bremer Speckgürtel zu liegen. Dass die Kommune ebenso mit Menschen in wirtschaftlicher Not zu tun hat, wirkt da fast schon paradox.
Gleichwohl sei die Tafel schon bei ihrer Gründung vor nunmehr 16 Jahren notwendig gewesen, weiß Mitbegründer Jan Poppen. Er schaut an diesem und anderen Ausgabetagen hin und wieder vorbei. Mit anpacken ist ihm aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich. Aber wenn er sieht, wie sich die Ehrenamtlichen ins Zeug legen, geht ihm das Herz auf.
Gute Taten jeden Tag
Währenddessen bedient Christel Lewandowski einen jungen Mann. Die Verständigung läuft mit Händen und Füßen. Dass er kein Deutsch sprechen kann, macht ihn sichtlich verlegen. Auf der anderen Seite der Ausgabe versucht es Katharina Greb hin und wieder auf Englisch. Sie ist mit 16 Jahren die mit Abstand jüngste in der Reihe Aktiven. "Ich halte die Tafel für sinnvoll", sagt sie, "ich möchte Menschen helfen." In der Zeit vor Weihnachten sei dies ein besonderes Zeichen von Nächstenliebe. "Aber die Menschen der Tafel vollbringen eigentlich das ganze Jahr gute Taten", ergänzt die 16-Jährige.
Inzwischen ist der junge Mann, der vor wenigen Minuten Gemüse von Christel Lewandowski bekommen hat, fertig und macht Anstalten nach Hause zu gehen.
Als er angesprochen wird, ob er einige Fragen beantworten möchte, zeigt er automatisch seine blaue Karte. Diese berechtigt ihn, sich bei der Tafel mit Lebensmitteln einzudecken. Ein kurzes Zeichen, dann wendet er sich lächelnd an die Menschen der Tafel. Auch Iryna Myrosh hat dies gerade getan. Sie und ihr Sohn kommen aus der Ukraine. Als die russischen Truppen im Osten in ihr Land einfielen, flüchteten beide nach Deutschland, wo Iryna Myroshs Tochter dank eines Studiums Musik studiert. Der Sohn besucht die 1. Klasse des Cato Bontjes van Beek-Gymnasium. Die Achimer Tafel habe eine große Bedeutung für sie, hebt Iryna Myrosh hervor.
"Große Bedeutung" der Tafel
Sie erinnert sich gerne an das vergangene Jahr: Zum Weihnachtsfest 2022 hatten die Ehrenamtlichen der Achimer Tafel für ihre Kund:innen Weihnachtsbäume organisiert. Dieses oder andere spezielle Aktionen zum Fest gibt es laut Bruno Kroen in diesem Jahr nicht. Aber das spielt für Iryna Myrosh keine Rolle. "Sie ist eine große Hilfe", sagt die Ukrainerin über die Tafel. Diese habe für sie eine "hohe Bedeutung". Iryna Myrosh hofft, dass sie alsbald nicht mehr auf die Zuwendungen der Tafel angewiesen ist – sie hofft, auch in Deutschland in ihrem Beruf als Musiklehrerin arbeiten zu können. Deshalb lerne sie jeden Tag Deutsch, zurzeit sei sie arbeitslos.
Derweil haben sich die Reihen gelichtet, die Regale und Körbe mit den von Supermärkten und kleineren gespendeten Lebensmitteln sind leer. Am nächsten Ausgabetag, einem Dienstag, geht es wieder von vorne los – bis zum 17. Dezember. Denn vom 18. Dezember bis 5. Januar ist die Achimer Tafel geschlossen. Doch vorher, am 16. Dezember, sind die Ehrenamtlichen noch einmal öffentlich präsent: bei der Auslosung der Achimer Stadttombola. Die Einrichtung gehört neben dem Rotary Club Achim sowie vielen Freiwilligen zu den Träger:innen. Aber nicht nur dass: Die Tafel profitiert auch von den Erlösen der Losverkäufe. Nicht nur in der Advents- und Weihnachtszeit.