Weil das als Handlung etwas dünn wäre, schickt Drehbuchautor Simon X. Rost, Schöpfer unter anderem der ZDF-Sonntagsreihe "Ella Schön", den Vater auf eine Reise von der Ost- an den Bodensee. Dort nistet sich Klaus Gremme (Alexander Held) für einige Wochen bei Mona Tauber (Lisa Hagmeister) ein, um das titelgebende "Geheimkommando Familie" generalstabsmäßig anzugehen. Die alleinerziehende Mutter zweier Teenager hat erhebliche Geldnöte, ist aber im Gegensatz zu ihrem Haus überaus aufgeräumt und hat auch sonst ein völlig anderes Naturell als der Marineoffizier. Prompt drängt der Kontrast zwischen dem ungleichen Paar die eigentliche Mission in den Hintergrund.
Das klingt nach unbeschwerter Heiterkeit, womöglich sogar mit romantischen Untertönen, aber Rost und Christina Adler betonen vor allem die dramatischen Aspekte des Handlungsentwurfs. Die Regisseurin hat zuletzt "Kinder und andere Baustellen" (2020) gedreht, eine sympathische ZDF-Komödie über Eltern, die eine eigene Kita eröffnen wollen. Der Titel würde auch diesmal passen, zumal der umgehend in die Familie integrierte Gremme ständig Kritik am antiautoritären Erziehungsstil seiner Vermieterin übt.
Der ehemalige Kampfschwimmer, als Ausbilder ein "harter Hund", wie das früher in soldatischen Kreisen hieß, ist selbstredend der Meinung, Kinder brauchten Führung. Claire (Amelie Gerdes), ein aufgewecktes Mädchen mit Down-Syndrom, ist seiner Ansicht nach zu dick, weil Mona ihr keine Grenzen setzt, und Linus (Xari Wimbauer) wird regelmäßig von zwei fiesen Mitschülern gemobbt. Der Junge betrachtet den Gast recht bald als Vaterersatz. Als Linus mitbekommt, wie Gremme mit zwei halbstarken Ladendieben kurzen Prozess macht, soll der Alte ihm zeigen, wie er sich gegen die Rowdys wehren kann.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Buch und Regie verzichten zwar darauf, aus der Liaison zwischen dem Offizier und der Mutter eine Romanze zu machen, aber Mona wird immerhin überraschend zutraulich, obwohl der ehemalige Soldat einige charakterliche Merkmale verkörpert, die sie mutmaßlich an Männern ablehnt. Andererseits lässt die hartnäckige Zuneigung der Kinder, die sich von Gremmes unwirscher Ablehnung nicht abschrecken lassen, schon früh erahnen, dass in dem Besucher aus dem Norden gute Seiten schlummern. Das erkennt auch seine Enkelin Leila (Ava Petsch), die die ganze Angelegenheit überhaupt erst ins Rollen gebracht hat.
Der entsprechende Prolog erzählt mit wenigen Bildern die Vorgeschichte, als Gremme nach ihrem Anruf ("Bist du mein Opa?") in einem Karton stöbert: ein Hochzeitsbild, ein Foto von Vater und Sohn, die Todesanzeige für seine Frau. Als die Schachtel zu Boden fällt, wirken die verstreuten Erinnerungsstücke wie der Scherbenhaufen seines Familienlebens. Ähnlich beredt ist die Szene der Verabschiedung, als Gremme allein und etwas verloren auf dem Platz zurückbleibt. So lakonisch wird es später nicht mehr zugehen.
Rosts Drehbuch lässt überdies völlig außer acht, dass es durchaus Menschen gibt, die sich selbst genügen. Als gäbe es ein entsprechendes ungeschriebenes Gesetz, setzt der Film stillschweigend voraus, dass Gremme als Pensionär in ein Loch stürzt, aber den Eindruck macht der Offizier überhaupt nicht; Alexander Held verkörpert ihn vielmehr als einen Mann, der mit sich im Reinen zu sein scheint. Die fröhliche Musik bildet ohnehin einen deutlichen Kontrapunkt zur eigentlich ernsten Handlung. Das gilt erst recht für eine Szene gegen Ende, als Claire in Lebensgefahr gerät.
Komponistin Martina Eisenreich schlägt jedoch einen gänzlich anderen Tonfall an, als habe sie den Auftrag gehabt, die Dramatik nicht auch noch akustisch auf die Spitze zu treiben. Dass "Geheimkommando Familie" den gelegentlichen Ungereimtheiten zum Trotz dennoch sehenswert ist, hat der Film vor allem den von Christina Adler ausgezeichnet geführten jungen Mitwirkenden zu verdanken. Xari Wimbauer war kürzlich schon in den Rückblenden eines "Tatorts" aus Stuttgart ("Vergebung") sehr präsent, aber Amelie Gerdes ist eine echte Entdeckung; auch die junge Ava Petsch agiert sehr natürlich. Die Szenen dieser drei mit Held sind die darstellerischen Höhepunkte des Films.