Die Autorin Sineb El Masrar hat die Deutsche Islamkonferenz kritisiert. "Ich empfinde es tatsächlich als Show, weil wir am Ende nicht weiterkommen", sagte die deutsche Publizistin am Dienstag der Radiowelle WDR 5. Sie habe den Eindruck, dass man sich in dem Gremium davor drücke, komplizierte Fragen anzugehen. Im Kontext des muslimischen Lebens gebe es viele Probleme, etwa mit Islamismus oder aktuell antijüdischen Parolen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt, sagte El Masrar. Dabei gebe es seit Jahren Versäumnisse auch von politischer Seite.
Die deutsche Islamkonferenz wurde 2006 als Forum für den Dialog zwischen Staat und Muslimen ins Leben gerufen. In der Tagung am Dienstag und Mittwoch soll es um die Bekämpfung von Antisemitismus und Muslimfeindlichkeit in Deutschland gehen. El Masrar war von 2010 bis 2013 selbst Teil des Gremiums.
Sie sehe die Institution der Islamkonferenz als eine Form von Selbstberuhigung, sagte die Autorin, die Bücher etwa über Emanzipation im Islam oder Integration veröffentlicht hat. So könne Deutschland zeigen, "man tut was in diesem Feld, man lädt Muslime ein, man gibt ihnen ein Forum, man gibt ihnen das Gefühl, dass sie wertgeschätzt werden". Um Probleme zu lösen, sei aber mehr nötig.
Die Publizistin kritisierte zudem, dass Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) den Expertenkreis Islamismus in der Islamkonferenz abgeschafft habe. "Wir wissen schon länger, dass wir hochgradiges Problem mit Islamismus haben", sagte El Masrar. Offenbar hätten Entscheidungsträger nicht im Blick, "womit wir in Deutschland teilweise zu kämpfen haben".
In Deutschland gebe es viele Akteurinnen und Akteure, die sich schon lange kritisch mit dem Thema Islamismus auseinandersetzten, betonte die Autorin. Mit diesen müsse stärker zusammengearbeitet werden. Es sei wichtig, Konzepte zu entwickeln, um islamistischen Gruppierungen und ihren antidemokratischen Konzepten nicht weiter Raum zu geben, sagte El Masrar, die auch Mitbegründerin der Initiative "Neue Deutsche Medienmacher" ist.
Forum wurde für Dialog zwischen Staat und Muslimen gegründet
Die deutsche Islamkonferenz wurde als Forum für den Dialog zwischen Staat und Muslimen ins Leben gerufen. Gesprochen wird dort unter anderem darüber, wie muslimische Gemeinschaften anderen Religionsgemeinschaften wie den Kirchen gleichgestellt werden können. Etabliert wurden infolge der dortigen Beratungen in der Vergangenheit etwa islamischer Religionsunterricht oder Lehrstühle für islamische Theologie an deutschen Universitäten.
Ein Synagogenbesuch reicht nicht gegen Judenhass - das müsse auf Social-Media- Kanälen und in Moscheen kommuniziert werden
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte auf der Islamkonferenz, man müsse anerkennen, dass es ein Problem mit Antisemitismus unter Muslimen gebe. Wo es eigentlich um Islamfeindlichkeit gehen sollte, redete sie den Islamverbänden deutlich ins Gewissen. Sie forderte dort am Dienstag von muslimischen Verbänden ein deutlicheres Bekenntnis gegen Judenhass. Sie appelliere gerade an die großen Islamverbände, den Kampf gegen Antisemitismus noch sichtbarer voranzutreiben, sagte die Politikerin. Es reiche nicht, eine Synagoge zu besuchen und sich dort gegen Terror und Antisemitismus zu stellen, ohne dies auch in Moscheen oder den eigenen Social-Media-Kanälen zu kommunizieren, sagte sie.
Die Innenministerin unterstrich, dass sich Antisemitismus in vielen Formen in Deutschland zeige. Man müsse dabei anerkennen, "dass wir ein Problem mit Antisemitismus haben, der auch von Muslimen ausgeht", sagte sie. Auch Altbundespräsident Christian Wulff appellierte an die Islamverbände, sich deutlicher gegen Judenhass zu positionieren. Freitagsgebete der vergangenen Wochen, in denen die Terrortaten der Hamas gegen Israel begrüßt wurden, hätten ihn betroffen gemacht, sagte Wulff.
Muslime stehen nicht unter Generalverdacht
Zugleich wandte sich Faeser gegen einen Generalverdacht gegen Muslime. Der Staat handele nicht gegen eine Religion, sondern gegen islamistischen Terrorismus. Zudem gebe es Muslime und Moscheegemeinden, die sich gegen Antisemitismus engagierten. Deren Stimme müsse lauter werden, sagte Faeser, die zum diesjährigen Treffen auch kleinere und liberale Islam-Vereine eingeladen hatte, während der Zentralrat der Muslime in diesem Jahr nicht auf der Teilnehmerliste stand.
Schwerpunkt der Islamkonferenz sollte in diesem Jahr das Thema Muslimfeindlichkeit werden, nachdem der von der Bundesregierung eingesetzte unabhängige Expertenkreis im Sommer seinen ausführlichen Bericht vorgelegt hatte. Der Angriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober und darauf folgende antisemitische Reaktionen bei Demonstrationen in Deutschland führten dazu, dass das Innenministerium die Agenda änderte. Antisemitismus wurde als Thema ergänzt, am Ende zum eigentlichen Schwerpunkt der Tagung. Auf den Podien am Dienstag redeten Regierungsvertreterinnen, Wissenschaft, Kommunen und Sicherheitsbehörden miteinander, kein Vertreter der muslimischen Community.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) sagte dem epd, die Islamkonferenz habe zurecht Antisemitismus als drängendes Problem identifiziert. "Zugleich dürfen wir Muslimfeindlichkeit nicht aus den Augen verlieren", sagte sie. Beide Phänomenbereiche seien in der Gesellschaft verankert.
Die Antirassismusbeauftragte der Bundesregierung, Reem Alabali-Radovan (SPD) warnte davor, antimuslimischen Rassismus zu unterschätzen oder gar beide Gruppen gegeneinander auszuspielen. "Wir dürfen diese Spaltung nicht zulassen", sagte sie.