Kurschus hatte wegen Medienvorwürfen am Dienstagabend auf der EKD-Synode in Ulm erneut über den Fall eines mutmaßlichen Missbrauchs berichtet und sich den Fragen des Plenums gestellt. Sie wisse von dem Fall seitdem im Januar eine anonyme Anzeige gegen einen ehemaligen Mitarbeiter aus ihrem früheren Kirchenkreis Siegen gestellt wurde.
Damit wies sie den Vorwurf eines berichtenden Mediums zurück, dass sie bereits in Gesprächen vor vielen Jahren von dem beschuldigten Kirchenmitarbeiter als mutmaßlichen Missbrauchstäter erfahren habe. Schon zuvor hatte Kurschus bekräftigt, dass sie zwar von der sexuellen Orientierung erfahren habe, aber "zu keiner Zeit der Tatbestand sexualisierter Gewalt thematisiert worden" sei. Weil die Staatsanwaltschaft noch ermittele, sei sie nicht befugt, persönliche Fragen zu der Person zu beantworten.
Die Ratsvorsitzende unterstrich vor der Synode: Es sei bekannt, dass sie sich seit Jahren mit Nachdruck in dieser Sache engagiere. "Die Betroffenen stehen und standen bei mir immer im Mittelpunkt. Diese Vorwürfe sollen und müssen von unabhängiger Seite aufgeklärt werden, dafür stehe ich schon jetzt", sagte sie. Sie nehme keinen Einfluss auf das Verfahren. Erstmal sei das ein Fall im Kirchenkreis, da sei ein "Interventionskreis" damit befasst. Sie gehöre auch in diesem Fall in das Feld der irgendwie tangierten, ergänzte sie. "Unsere Kirche steht dafür, dass die Betroffenen im Mittelpunkt stehen - das wird sie auch erreichen", so Kurschus.
Vor wenigen Tagen waren Missbrauchsvorwürfe gegen einen ehemaligen Mitarbeiter des Evangelischen Kirchenkreises Siegen-Wittgenstein öffentlich geworden. Kurschus war von 2005 bis 2012 Superintendentin des Kirchenkreises Siegen, der zum 1. Januar dieses Jahres im Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein aufgegangen war. Wie die "Siegener Zeitung" am Dienstag online berichtete, liegt ihr die Aussage eines Mannes vor, der bereits Ende der 90er Jahre kirchliche Amtsträger in Siegen über die Vorwürfe gegen den Kirchenmitarbeiter informiert haben will. Eine Gesprächspartnerin sei Annette Kurschus gewesen, zu der Zeit Gemeindepfarrerin in Siegen.
Kurschus hatte am vergangenen Freitag erklärt, ihr sei der Beschuldigte aus der Zeit ihrer früheren Tätigkeit im Kirchenkreis sehr gut bekannt. Hinweise auf Taten sexualisierter Gewalt habe sie in dieser Zeit nicht bekommen. Vor Journalisten sagte die 60 Jahre alte Theologin bereits am Sonntag am Rande der Synodentagung in Ulm, sie kenne den Fall seit Anfang des laufenden Jahres nach einer anonymen Strafanzeige. "Die Person kenne ich in der Tat aus meiner früheren Zeit in Siegen. Das ist klar: In Siegen kennt jeder jeden, und erst recht, wenn man so lange da war."
Am Dienstag erklärte sie schon am Rande der Tagung zu den Medienvorwürfen: "Ich bin entsetzt und wütend, aktuell so furchtbare Schilderungen über eine Person zu erfahren, von der ich bislang nur ein anderes Gesicht wahrgenommen hatte. Dass ich die seit Anfang dieses Jahres beschuldigte Person aus der Zeit meiner jahrzehntelangen Tätigkeit im Kirchenkreis Siegen gut kenne, ist allgemein bekannt. Hinweise auf sexualisierte Gewalt hat es in dieser Zeit mir gegenüber nicht gegeben."