"Uns ist zumindest nichts bekannt geworden, dass mit körperlicher Gewalt, Drohungen oder mit Androhung von Schlägen oder sonstigem irgendwelche Leute gefügig gemacht worden sein sollen", sagte ein Sprecher am Montag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Es sehe aus Sicht der Staatsanwaltschaft danach aus, dass der Beschuldigte, ein ehemaliger Mitarbeiter des Kirchenkreises, seine Stellung ausgenutzt habe, um erwachsene junge Männer "irgendwie zu verführen, dass sie mit ihm homosexuelle Handlungen vornehmen".
Nach den bisherigen Ermittlungen werde davon ausgegangen, dass die mutmaßlichen Geschädigten zum Zeitpunkt der Vorfälle volljährig gewesen seien. Hier stelle sich allenfalls die Frage, ob es sich um einen Missbrauch von Schutzbefohlenen handeln könnte oder ob es strafrechtlich nicht zu erfassen sei, weil ein Erwachsener auch Nein sagen könne. Das werde noch geprüft.
Die bislang bekannten Taten liegen nach Angaben des Sprechers "sicherlich schon 20 Jahre zurück", so dass die Staatsanwaltschaft von Verjährung ausgehe: "Wenn nichts weiter dazu kommt, mag das moralisch eine gewisse Sache sein, aber letztlich strafrechtlich nicht zu fassen." Nach einem Bericht der "Siegener Zeitung" (Samstag) solle es zwar auch jüngere Fälle geben, "aber das entzieht sich derzeit unserer Kenntnis". Sollte sich herausstellen, dass auch Kinder oder Jugendliche zu sexuellen Handlungen bewogen worden seien, müsse der Fall natürlich anders bewertet werden. "Aber bislang haben wir diesbezüglich keine Erkenntnisse", betonte der Sprecher.
Die westfälische Präses und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus, hatte entsetzt auf den Missbrauchsverdacht reagiert. Sie war von 2005 bis 2012 Superintendentin des Kirchenkreises Siegen. Der Kirchenkreis Siegen-Wittgenstein war am 1. Januar dieses Jahres aus der Vereinigung der Kirchenkreise Siegen und Wittgenstein hervorgegangen.
Bei den polizeilichen Vernehmungen wurden laut Staatsanwaltschaft einige wenige Personen befragt. Die "Siegener Zeitung" hatte von mindestens acht mutmaßlich Betroffenen berichtet, die Vorwürfe gegen den Beschuldigten erheben. Möglicherweise hätten einige Menschen mit der Zeitung gesprochen, die sich bislang bei der Polizei oder bei der Staatsanwaltschaft nicht gemeldet hätten, sagte der Sprecher.
Die Evangelische Kirche von Westfalen hatte auf Anfrage erklärt, sie nehme Aussagen und Berichte von Betroffenen sehr ernst und gehe den Beschuldigungen sexualisierter Gewalt konsequent nach. Nach Abschluss der behördlichen Ermittlungen werde der Verdachtsfall extern aufgeklärt und aufgearbeitet.