Kirchenglocken mit Hakenkreuz - oder gegossen aus erbeuteten französischen Waffen. Kriegerdenkmäler, die den Heldentod preisen, geschmückt mit Bibelversen und Reichsadler. Was soll man tun mit solchen Objekten in pfälzischen Kirchen und Kirchengemeinden, mit Objekten, die "belastet" - und ein "belastendes Erbe" sind? Mit dieser Frage setzt sich die Evangelische Kirche der Pfalz derzeit in einem Projekt zur Aufarbeitung ihrer Vergangenheit auseinander.
In einer Umfrage haben die Evangelische Akademie der Pfalz und das Zentralarchiv der Landeskirche (Speyer) die Kirchengemeinden in der Pfalz und Saarpfalz sowie übergemeindliche Einrichtungen dazu aufgerufen, Objekte aus ihrem Bestand zu nennen, die aus heutiger Sicht anstößig sein könnten. Dies sind etwa Denkmäler, Bilder oder liturgische Gegenstände mit militaristischen, rassistischen, antisemitischen, kolonialistischen, nationalsozialistischen oder sexistischen Bezügen.
Bei dem auf zwei Jahre angelegten Projekt geht es um den offenen Umgang der Pfälzer Kirche mit ihrer eigenen historischen Schuld, erläutert Akademiedirektor Christoph Picker. Bereits 2016 hatte sich die Landeskirche mit dem viel beachteten Projekt "Protestanten ohne Protest" erstmals öffentlich mit ihren Verfehlungen und ihrer Mittäterschaft in der NS-Zeit auseinandergesetzt.
Und dennoch: In der aufgeheizten und bundesweit für Schlagzeilen sorgenden Debatte um den richtigen Umgang mit der "Hitlerglocke" im vorderpfälzischen Herxheim am Berg habe die Pfälzer Kirche "keine gute Figur gemacht", erinnert Picker. Die Landessynode habe es versäumt, sich zu positionieren, ob die 2017 stillgelegte Polizeiglocke aus dem Jahr 1934 mit Hakenkreuzen und der Aufschrift "Alles fuer's Vaterland - Adolf Hitler" weiter im Kirchturm hängenbleiben oder abgehängt werden solle.
Ziel: "eine gute Erinnerungskultur" entwickeln
In einem Gesetz hatte die Pfälzer Synode 2021 den liturgischen Gebrauch von Darstellungen judenfeindlichen, rassistischen und nationalsozialistischen Gedankenguts untersagt. Diese müssen demnach nicht grundsätzlich entfernt, der Umgang mit ihnen aber geprüft und der Kirchenleitung darüber berichtet werden.
Ziel der Umfrage per E-Mail und Briefpost sei es nun, in der Kirche "eine gute Erinnerungskultur" zu entwickeln, betont die Leiterin des Zentralarchivs, Rebecca Rose. Von rund 430 Kirchengemeinden hätten sich bisher nur etwas mehr als 100 zurückgemeldet, informiert die Theologiestudentin Marie Fischer, die als wissenschaftliche Hilfskraft das Projekt betreut. Das Ergebnis sei "in Ordnung, aber nicht überragend", räumt sie ein.
"Belastende Objekte" seien etwa Darstellungen der kommunistischen Revolutionäre Lenin und Trotzki als Inkarnationen des "Antichristen" in einer Kirche in Landau-Godramstein sowie Fenster in der Speyerer Gedächtniskirche, die die christliche Mission in allen Erdteilen schönfärben. Oder auch die Glocke in der Friedenskirche im saarpfälzischen Homburg-Beeden mit dem Zusatz "Gegossen im Jahr der Saarbefreiung 1935" - und das Kriegerdenkmal mit aufgesetztem Reichsadler vor der Kirche in Ludwigshafen-Ruchheim.
Noch im November ist eine zweite Umfragerunde über die Pfarrämter geplant. 2025 sollen die Ergebnisse mit Handlungsempfehlungen im Internet veröffentlicht werden. Wie die Kirchengemeinden mit ihrem Erbe umgehen, sollen sie dann in erster Linie selbst entscheiden: "Wir wollen ihnen 'Hilfe zur Selbsthilfe' geben", sagt Archivleiterin Rose.
Der landeskirchliche Bildungsdezernent Claus Müller sieht in dem Projekt eine Chance, einen Überblick über historische Relikte der Landeskirche zu gewinnen. "Nur wenn wir wissen, was da ist, können wir uns dazu auch verhalten", sagt er.