Eine Glocke mit Hakenkreuz und NS-Inschrift im Turm der evangelischen Jakobskirche sorgt für hitzige Debatte im rheinland-pfälzischen Herxheim am Berg. Eine Mehrheit im Gemeinderat des rund 750 Einwohner zählenden Ortes an der Weinstraße hat sich dafür ausgesprochen, den Kirchturm für die Öffentlichkeit künftig verschlossen zu halten. Dieser sei im Augenblick ohnehin wegen brütender Vögel gesperrt, erklärte Bürgermeister Ronald Becker. Außerdem sollen künftig Aufnahmen von der Glocke unterbleiben. Beschlüsse dazu gab es im Gemeinderat allerdings nicht.
Die Ortsvertreter folgten außerdem der Empfehlung des Presbyteriums der Herxheimer Kirchengemeinde vom Juni, ein Gutachten der Glockensachverständigen der pfälzischen Landeskirche, Birgit Müller, zur Denkmalwürdigkeit der Glocke abzuwarten. Danach erst werde entschieden, was die Kommune als Eigentümerin der Glocke unternimmt. Allerdings ist bei der Glockenexpertin bisher noch kein Auftrag für ein Gutachten eingegangen, "weder mündlich noch schriftlich", teilte Müller am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit.
Die Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz als zuständige Behörde hat die Jakobskirche als Kulturdenkmal aufgeführt, nicht jedoch das Geläut. "Die Glocke taucht in den Akten nicht auf", sagte Landeskonservatorin Roswitha Kaiser dem epd. Dennoch zählten in der Regel mit der Kirche verbundene Gegenstände mit zum Denkmal, näheres müsste ein Gutachten feststellen. Stünde die Glocke zusammen mit der Kirche unter Denkmalschutz, dürfte sie nicht aus dem Turm genommen werden.
Generell halte sie nichts davon, Erinnerung zu tilgen, indem man sich von Gegenständen trenne, die an den Nationalsozialismus erinnern, sagt Kaiser. Im Falle Herxheims sei das Läuten eine "körperliche Erfahrung", die an eine grauenhafte Zeit erinnere, "auch wenn es schmerzt". Dass die Kommune weniger Öffentlichkeit wünscht, kann sie nachvollziehen. Es gebe sicher Zeitgenossen, die hier einen "gewissen Wallfahrtsmoment sehen". Einen Hinweis auf die Glocke in der Kirche findet sie aber sinnvoll.
Das sieht Pfarrer Helmut Meinhardt ähnlich. Entgegen der Auffassung von Gemeinderatsmitgliedern, die jedwede Form von Öffentlichkeit in Zukunft vermeiden wollen, hat er sich daher entschlossen, in der Kirche einen Hinweistext anzubringen. "Darin wird es um die Geschichte der Kirche und deren Geläut gehen", sagte Meinhardt. Außerdem wurde die Stellungnahme des Presbyteriums zur Glocke mit dem Hakenkreuz aus dem Jahr 1934 auf der Internetseite der Kirchengemeinde veröffentlicht.
Dass es die Glocke mit der Inschrift "Alles für's Vaterland - Adolf Hitler" überhaupt noch gibt, ist ungewöhnlich. Normalerweise seien Glocken mit solchen Inschriften nach Ende des Zweiten Weltkriegs eingeschmolzen worden, erklärte die Glockensachverständige Müller. Wahrscheinlich habe die Glocke so lange überlebt, weil sie als Polizeiglocke genutzt wurde, die bei Gefahren die Bürger warnte.