Zum 1. Januar 2024 dürfte es zwei größere Gemeinden mehr innerhalb der Evangelischen Landeskirche Bayern geben – Trumsdorf und Wonsees schließen sich aller Voraussicht nach zusammen, sofern bis dahin die Genehmigung des Freistaates Bayern vorliegt. Nur der kann der neuen Gemeinde den Status "Körperschaften des öffentlichen Rechts" zusprechen. Auch im Bereich Allach-Menzing tut sich etwas. Bereits mit Beginn dieses Jahres haben die Gemeinden der Bethlehems- und Carolinenkirche fusioniert. Zum 1. Januar soll sich die Epiphaniaskirche anschließen. Aus dem Pfarramt wird dann die größere Gemeinde Allach-Menzing.
Aus mehreren Gemeinden oder Pfarreien etwas Neues zu formen, geschieht nicht von heute auf morgen. Die Wege dorthin sind länger – bisweilen bis zu zehn Jahren und mehr. Dies trifft beispielsweise auf Allach-Menzig zu. Dort haben laut Pfarrer Matthias Dörrich die Vertrauensleute der Kirchenvorstände die erste Initiative für gemeinsame Gottesdienste ergriffen. Schon damals sei abzusehen gewesen, dass es langfristig weniger Kirchensteuer geben wird und die Kirchen sparen müssen. "Viel wichtiger ist aber die gemeinsame Jugendarbeit", sagt Dörrich, "es gibt auch hier nicht mehr genug Personal."
Auf dieser Basis sind die Gemeinden in den kommenden Jahren Stück für Stück zusammengewachsen. Mit neuen Pfarrern, blickt Dörrich zurück, habe es einen neuen Gemeindebrief mit modern strukturierter Jugendarbeit und schließlich der Bildung der Pfarrei gegeben. "Wir dokumentieren, dass wir zusammengehören", sagt der Geistliche. Anders werde es mittel- bis langfristig nicht funktionieren, denn alleine bis zum Jahr 2030 solle es einen personellen Aderlass um rund 30 Prozentpunkte, bis 2035 sogar um 50 Prozentpunkte geben.
Doch es sind eben nicht nur die Stellen, die die evangelischen Gemeinden belasten. Auch die Grundstücke beziehungsweise Immobilien wiegen schwer. Profanisierung sakraler Bauten und ihr Verkauf ist ein Weg. Die Verantwortlichen in Allach-Menzing haben einen anderen Weg eingeschlagen. So soll auf dem Gelände der Carolinenkirche "ein diakonisches Zentrum unter Mitnutzung der Kirche" entstehen, erklärt Dörrich den Kniff: "Das Grundstück gehört dem Evangelisch-lutherischen Dekanatsbezirk München, und die Gemeinde ist die Baulast los."
Blick nach Oberfranken
Der "Stellenplan 2020" der Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern war es letztlich auch, der die Christen im Oberfränkischen dazu veranlasst hatte, sich Gedanken über die Zukunft ihrer Gemeinde zu machen – und zwar schon vor Beginn der Corona-Pandemie. Durch die Zuweisung von Stellen über die Dekanate hätte dies bedeutet, dass die Gemeinde Wonsees rechnerisch statt einer bislang vollen nur noch eine halbe Stelle bekommen hätte. Dass dies nicht funktionieren wird, war Pfarrerin Anna Städtler-Klemisch aus Trumsdorf und ihrem Mann Daniel Städtler, Pfarrer im benachbarten Wonsees, sowie den Kirchenvorständen schnell klar.
In Oberfranken sei der Gedanke der Volkskirche noch immer stark in der Bevölkerung verankert, erklärt Städtler: "Der Pfarrer tauft, traut und beerdigt. Daran hängen die Menschen noch sehr." Eine halbe Pfarrstelle hätte einen tiefen Einschnitt nicht nur für die Gemeinde, vor allem aber für die Menschen bedeutet. Vor diesem Hintergrund sei die Möglichkeit, sich im Sinne einer Regionalisierung mehrere Pfarrstellen mit funktionaler Aufteilung keine Option gewesen.
"Einer ist mehr für die Seelsorge zuständig, einer mehr für die Gottesdienste, daran ist erstmal nichts verkehrt", sagt Städtler. Und doch steht ein großes Aber im Raum: "Das ist etwas, was unseren Kirchenvorsteherinnen und Kirchenvorstehern hier Angst gemacht hat. Es hätte bedeutet, die Strukturen, an die man sich jahrhundertelang gewöhnt hat, die einem lieb und teuer waren, hätten sich sehr stark verändert." Die Alternative: Alles bleibt, wie es ist. Dass dies nicht funktioniert, sei den Verantwortlichen indes schnell klar gewesen.
Zusammenschluss als "charmante Lösung"
Die Kirchenvorstände beider Gemeinden überwanden ihre Angst und fingen an, über die Zukunft nachzudenken. Als "charmante Lösung", so Städtler-Klemisch, sei die Fusion von Trumsdorf und Wonsees früh Thema gewesen: "Es sind nicht mehr zwei Kirchengemeinden zu verwalten, sondern nur noch eine. Und nach der Fusion bleiben den Menschen ihre Traditionen erhalten. Das war damals unser Gedanke."
Wichtig für alle Beteiligten: Der Fusionsprozess sollte freiwillig sein. Das bedeutete, dass jede Gemeinde zu jeder Zeit wieder aussteigen konnte. Das Vorgehen beschreiben Städtler-Klemisch und Städtler so: Die Gemeinden wollten so tun, als ob sie sich zusammenschließen werden. Um das Projekt in Angriff nehmen zu können, hätten beide Seiten eine gemeinsame Checkliste erarbeitet. Außerdem hätten sich die Kirchenvorstände für sich Gedanken gemacht.
Vertrauen muss wachsen
Allach-Menzing, Trumsdorf und Wonsees: In allen Gemeinden und Pfarrämtern haben die Verantwortlichen die Erfahrung gemacht, dass Kommunikation und Transparenz eine große Rolle spielen. Die Menschen würden unter anderem über die Gemeindebriefe oder in Gemeindeversammlungen informiert, meinen Städtler, Städtler-Klemisch und Dörrich unisono.
Letzterer macht eine Einschränkung: Die meisten Gemeindeglieder interessierten sich nicht für den formalen Überbau. Bei den engagierten Menschen hingegen müsse das Vertrauen wachsen. In erster Linie müssten sich die hauptamtlich Mitarbeitenden verstehen, weiß der Pfarrer aus Allach-Menzing aus Erfahrung: "Wenn die Hauptamtlichen das nicht vorleben, dann zerreißt es den Kirchenvorstand." Damit scheint es allem Anschein nach keine Probleme zu geben, im Gegenteil wie Dörrich sagt: "Die Hauptamtlichen haben durch die Fusion wieder mehr Freiraum, um Schwerpunkte zu setzen – theologisch zum Beispiel."
Bleibt die Frage, was geschehen wäre, wenn die Fusionen misslingen. Ein Plan B gibt und gab es nicht, weder in Allach-Menzing noch in Trumsdorf und Wonsees. "Der Zusammenschluss misslingt nicht", ist sich Pfarrer Dörrich sicher, "das habe ich in Bayern noch nicht erlebt." Das Pfarrerehepaar Städtler-Klemisch-Städtler schlägt in die gleiche Kerbe. "Ich glaube, es braucht keinen Plan B", sagt Städtler. Und: "Wenn man von Anfang an offen ist und sagt: ,Lass uns gemeinsam einen Weg finden!‘, ergibt sich der Plan B im Arbeiten, und das ist wahrscheinlich das Beste, was passieren kann."