Es werden harte Zeiten. Dieser Tatsache waren sich die Vertreter:innen der Kirchengemeinden im Wangerland bereits 2019 beim Blick auf den Stellenplan der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Oldenburg bewusst. Für die Christ:innen im Wangerland sollte dies heißen: Die Anzahl der Pfarrstellen soll ab 2024 von vier auf de facto zwei schrumpfen. Und zwar für alle neun damals selbstständigen Kirchengemeinden.
Unter diesen Rahmenbedingungen kirchlich-religiöses Leben aufrechtzuerhalten, dürfte schwierig werden, waren sich die Verantwortlichen bewusst. Zwar gab es bislang sogenannte verbundene Pfarreien: Doch alsbald wurde klar, dass auch die Konstruktion des verbundenen Pfarramtes zu klein ist und "dass im Grunde genommen der nächste größere Schritt gemacht werden muss". Diese Einsicht gibt Stefan Grünefeld wieder. Er ist Pastor einer der Pastoren, die den Wängerländern erhalten bleiben. Noch im Jahr 2019 machten sich die Mitglieder des Vorstandes des damals schon bestehenden Kirchenbezirks Wangerland an die Arbeit.
Grünefeld skizziert die vor vier Jahren im Raum stehenden Fragen: "Soll diese Art der analogen Zusammenarbeit bleiben oder soll es wirklich eine gegliederte Gesamtgemeinde werden?" Was der Bezirksvorstand erarbeitet habe, sei immer wieder in die Gemeindekirchenräte und die Gemeinden gespiegelt worden: in den Gemeindeblättern, über die Internetpräsenzen und durchaus auch bei den Abkündigungen in den Gottesdiensten. Heißt: Die Gemeinde hat versucht, so gut wie möglich zu informieren. Kommunikation und Transparenz seien dabei sehr wichtig, betont der Geistliche.
Nach der grundsätzlichen Zustimmung ging es weiter: Entwurf einer Gemeindesatzung, Organisation des Fusionsprozesses und einiges mehr. Die Vereinigung wurde schließlich zum 1. Januar 2023 vollzogen. Seitdem heißt es Evangelisch-lutherische Kirchengemeinde Wangerland.
Ursprünglich hatten sich die neun des bisherigen Kirchenbezirks auf den Weg zur Einheitsgemeinde gemacht; geblieben sind am Ende sieben. Zwei Gemeinden haben für sich entschieden, erst einmal selbstständig zu bleiben. "Den beiden Gemeinden war es wichtig, erst alle Entscheidungsgewalt für sich zu behalten. Deshalb haben sie sich erst einmal mal gegen eine Fusion entschieden", sagt der Geistliche.
Nach Zusammenschluss 4.200 Glieder
Die neue Gemeinde hat nach seinen Angaben etwa 4.200 Glieder. Zum Vergleich: Die kleinsten Urgemeinden hatten 170 bis 175 Glieder. "Wir sind ein sehr ländlicher Raum mit einer unglaublich hohen Zahl von Sakralgebäuden und Friedhöfen", beschreibt Grünefeld eine der Herausforderungen für die Zukunft. Dazu gehörten neun Kirchen sowie elf Friedhöfe. Die jüngsten Gotteshäuser seien rund 500 Jahre alt. Hinzu kämen weitere Immobilien wie die sechs Gemeindezentren beziehungsweise -häuser.
Sakralgebäude abzustoßen stehe derzeit nicht zur Diskussion, so Grünefeld. Jedoch: "Von einigen Gemeindehäusern werden wir uns in naher Zukunft trennen müssen, das ist aktuelle Diskussion." Daran komme die Gemeinde angesichts immer weniger Geldes in den Kassen nicht vorbei. Dies werde sicherlich ein schmerzlicher Prozess. Die Sakralgebäude wird es allerdings zuletzt treffen, zumal sie zur kulturellen Identität des Wangerlandes gehören.
Menschen mitnehmen
Die Gebäude- und Immobilienfrage zu klären, ist nicht die einzige Herausforderung, der sich die Gemeinde und ihre Verantwortlichen in den Gremien gegenübersehen. Vor allem die Menschen heiße es mitzunehmen, ist Grünefeld überzeugt. "Kommen wir in dem Gesamtgebilde noch vor, werden hier berücksichtigt?", spiegelt der Wangeländer Pfarrer die wohl am häufigsten gestellte Frage zurück. Dies habe mit der ländlichen Struktur der Region zu tun. Vor diesem Hintergrund habe die Befürchtung, nicht mehr im neuen Gebilde vorzukommen, auch etwas mit der Gebäudefrage zu tun.
Die aktuelle Diskussion wird daran deutlich, dass die Gemeinde vorhat, ein Gemeindehaus abzugeben, dass nach Möglichkeit aber weiterhin dem Gemeinwohl zur Verfügung stehen soll. Dies sei der Gemeinde wichtig, betont der Wangerländer Pfarrer: "Es geht nicht darum, einen möglichst hohen Verkaufspreis zu erzielen, sondern darum, dass das Haus weiterhin ein Treffpunkt der Dorfgemeinschaft ist."
Formale Struktur interessiere Mitglieder wenig
Generell glaubt der Pfarrer nicht, dass es der Gemeinde gelingt, alle Glieder mitzunehmen. "Ich würde auch bezweifeln, dass es gelingt, alle Kirchenältesten mitzunehmen, und das sehen sie schon", sagt Grünefeld. Und: "Ein Zeichen ist ja, dass von neun Gemeinden, die wirklich intensiv verhandelt haben und intensiv gearbeitet haben, zwei abgesprungen sind. Ich vermute, der größte Teil unserer Gemeindeglieder interessiert sich für die formale Struktur unserer Kirche herzlich wenig."
Aber es gibt eben auch die Glieder, die sich für die kirchliche Zukunft interessieren. Damit diese Menschen ins neue Gemeindeschiff einsteigen, rät Grünefeld noch einmal, offen zu kommunizieren: "Mein Weg war neben Öffentlichkeitsarbeit ganz schlicht der Weg in die Gruppen und Kreise", sagt der Wangerländer Pastor: "Ich glaube, das war ganz sinnvoll." Die Erfahrungen, die die Wangerländer gemacht haben, fasst Grünefeld so zusammen: "Es ist ein langer, aufwendiger Prozess. Mit dem formalen Akt ist die Arbeit noch lange nicht zu Ende."