© Getty Images/iStockphoto/vicnt
17. Oktober, WDR, 22:15 Uhr
TV-Tipp: "Der Kroatien-Krimi: Jagd auf einen Toten"
Als Jasmin Gerat 2020 Jahr Nachfolgerin von Neda Rahmanian als zentrale Figur der "Kroatien-Krimis" wurde, trat sie ein beachtliches Erbe an. Klugerweise haben die kreativen Köpfe der Reihe, Christoph Darnstädt (Buch) und Michael Kreindl (Regie), gar nicht erst versucht, die Rolle oder ihre Darstellerin ins Korsett der Vorgängerin zu zwängen: Die neue Kollegin aus Zagreb hat mit Erfolg vermieden, nett sein zu wollen.

Ihr erster Fall, "Tote Mädchen", bescherte beiden, Stascha Novak wie Jasmin Gerat, einen glänzenden Einstand. Der zweite Film, "Tränenhochzeit", war allerdings deutlich schwächer. Reizvoll waren allein die Szenen mit Clubbesitzer Milan (Henning Vogt), der die Polizistin am Tag der Hochzeit in Zagreb sitzen gelassen hat. Nun treffen die beiden im dritten Fall (Erstausstrahlung war 2021) in Split wieder aufeinander. Stascha ist überzeugt, dass Milan Kontakte zur Mafia hatte und sie verlassen hat, um sie zu schützen. Das scheint sich zu bestätigen, als sein Club eines Nachts in Flammen aufgeht.

Die Leiche im Büro ist zwar bis zur Unkenntlichkeit verbrannt, aber Stascha identifiziert ihren früheren Verlobten anhand eines Anhängers. Die Mordmethode legt eine Hinrichtung nahe. Tatsächlich ist am Abend zuvor ein Mitglied der Zagreber Mafia-Familie Memic in Milans Club aufgetaucht. Bei der Obduktion stellt sich allerdings raus, dass der Tote vermutlich der Mafioso ist. Die Memics werden Milan so lange jagen, bis sie Rache nehmen können; Stascha muss ihn daher um jeden Preis zuerst finden. 

Trotz der potenziell fesselnden Handlung gehört "Jagd auf einen Toten" zu den eher schwächeren Episoden der Reihe, selbst wenn die Bildgestaltung (Anton Klima) durch viele Urlaubseinstellungen erfreut. Türkisfarbener Himmel, tiefblaues Meer, flirrendes Sommerlicht, Kameraflüge über die Altstadt, eindrucksvolle Nachtaufnahmen: Mitunter wirkt der Film, als wäre der Krimi bloß ein Vorwand für schöne Adriabilder.

Die hartgesottene Mafia-Familie hätte ein reizvoller Kontrast dazu sein können, aber die Mitglieder fallen viel zu klischeehaft aus: hier der Patriarch, Zlatan Memic (Ralf Dittrich), ein Gangster von altem Schrot und Korn, dort der in seinen Augen verweichlichte Sohn, bei dessen Verkörperung Franz Dinda bestimmt an Al Pacino als Michael Corleone in "Der Pate" (Teil zwei) gedacht hat: Rade Memic ist kein Schläger, sondern ein Geschäftsmann, der für die seriöse Fassade der Familie zuständig ist.

Dritter im Bunde ist Zlatans Neffe Mirko; Eugen Bauer hat allerdings kaum mehr zu tun als möglichst kernig dreinzublicken. Am Ende kommt es zu einer Schießerei, die unter anderem zur Folge hat, dass die Memics ihre Split-Pläne ein für alle Mal begraben können; aber Stascha auch all’ ihre Hoffnungen. Die Wahl des Drehorts für den Showdown in der altrömischen Ruinenstadt Salona sorgt immerhin für weitere faszinierende Bilder. 

Eine sympathische Idee ist auch die Mitwirkung von Rufus Beck: Staschas Chef (Max Herbrechter) fragt sich, ob seine Mitarbeiterin womöglich selbst mit der Mafia unter einer Decke steckt, und reist nach Zagreb, um mit ihrem früheren Vorgesetzten und Novak senior (Beck) zu sprechen. Er trifft den Mann beim Fliegenfischen, krempelt die Hosenbeine hoch und gesellt sich zu ihm ins Wasser; einer der schönsten Momente des Films. Das Gespräch mit dem Kollegen ist hingegen eher unfreiwillig komisch, weil der Mann wie eine Karikatur des Balkan-Machos wirkt.

In eine ähnliche Schiene rutschen viele Szenen mit Gerat. Der alte Memic sagt über Stascha, sie habe "kroatisches Feuer", weshalb er ihr auch abnimmt, dass sie ihren Ex-Verlobten rachsüchtig der Mafia ans Messer liefert. Entsprechend emotional legt die Schauspielerin ihre Rolle an: Wenn die Kommissarin nicht gerade schreit, heult oder kotzt, wirft sie mit Kraftausdrücken um sich; möglicherweise hatten Kreindl, Darnstädt und Gerat aber auch nur einen radikalen Gegenentwurf zum kühl-beherrschten Standardbild deutscher TV-Ermittlerinnen im Sinn. 

Im Anschluss zeigt der WDR die zehnte Episode der Reihe, "Die Patin von Privonice" (23.40 Uhr); der Film ist allerdings bloß Krimidurchschnitt, zumal Buch und Regie die Titelfigur gerade nicht zur großen Gegenspielerin aufbauen. Ungleich sehenswerter ist "Tod einer Legende" (im Bayerischen Fernsehen um 22.00 Uhr), eine Wiederholung aus dem Jahr 2016 und daher noch mit Gerat-Vorgängerin Neda Rahmanian.

Die Handlung beginnt mit einem Selbstmord: Goran Trevi?, vor zwanzig Jahren eine der größten Hoffnungen des kroatischen Fußballs, schießt sich vor den Augen seiner entsetzten Frau (Nadeshda Brennicke) eine Kugel in den Kopf. Als die Polizei am Tatort eintrifft, hat irgendjemand den Suizid als Mord inszeniert. Der Filmtitel bezieht sich jedoch nicht auf Goran, sondern auf seinen Vater Dragan (Miroslav Nemec): Der Vereinsboss von Hajduk Split hatte maßgeblichen Anteil an der Renaissance des kroatischen Fußballs.

Kurz nach dem Freitod seines Sohnes wird auch er erschossen aufgefunden. Diesmal sieht es aus wie Selbstmord. Bauchgefühl und Nase sagen Branka Mari? allerdings, dass sich beide Todesfälle in Wirklichkeit anders zugetragen haben. Weil sie gegen die ausdrückliche Anweisung von Polizeichef Bili? (Juraj Kukura), zufällig ein guter Freund von Dragan Trevi?, weiterermittelt, droht ihr die Suspendierung, wenn sie nicht umgehend handfeste Beweise liefern kann.