In meiner Heimat Simbabwe, wie auch in Deutschland, wo ich lebte, sind wir weit von der Gleichberechtigung von Männern und Frauen entfernt. Der gesellschaftlich vorherrschende Sexismus wird oft befeuert durch die Auslegung biblischer Schriften, die die Unterlegenheit der Frau und die Überlegenheit des Mannes betonen. Durch diese Vorstellung von männlicher Vorherrschaft und Überlegenheit, werden Frauen ihrer Gleichstellung mit Männern beraubt. Und das, obwohl Frauen und Männer eigentlich gemeinsam geschaffen wurden und gemeinsam das Ebenbild Gottes darstellen.
Aber leider gibt es nicht selten Fälle von jungen Frauen, die von ihren Partnern missbraucht werden und die keine Hilfe und kein Gehör finden. Wenn diese Frauen erzählen, was ihnen widerfährt, wird ihnen in Simbabwe in vielen Fällen gesagt, dass sie ihre Ehen trotz allem, was sie durchmachen, aufrechterhalten sollen. Es ist bedauerlich, dass solche Ratschläge nicht nur von Familienmitgliedern, sondern auch von Kirchenleitenden und Seelsorger*innen kommen. Hier ist oft das Leiden Christi das Leitmotiv – Christus selbst hat gelitten und wir sollten es ihm gleichtun. Dies wiederum steht im Gegensatz zu modernen theologischen Erkenntnissen und ignoriert die Rechte der Frauen, ihren Wert und ihre Bedürfnisse als menschliche Wesen. Dies ist eine von vielen Gelegenheiten, zu denen Frauen als Objekte betrachtet werden.
In meinem Umfeld haben sich die Kirchen mit Organisationen, die sich für die Opfer von geschlechtsspezifischer Gewalt einsetzen, solidarisch gezeigt, die Gemeindemitglieder sensibilisiert und dazu ermutigt, sich zu äußern, wenn sie mit solchen Umständen konfrontiert werden. Aus meiner eigenen Erfahrung kann ich sagen, dass die Rolle der Frauen in der Kirche eher aufgrund traditioneller Überzeugungen und persönlicher Bedenken als aufgrund theologischer Begründungen umstritten ist.
Modesta Mekeresi stammt aus Simbabwe. Die Theologin hat eine besondere Leidenschaft für geschlechtsspezifische Fragen, insbesondere in Bezug auf Mädchen und deren gesellschaftliche Position.
Was bedeutet Mission heute? Das ist nicht leicht zu beantworten. Doch mission.de will genau das. Hier kommen Menschen zu Wort, die weltweit in Mission und Ökumene vernetzt und zuhause sind und etwas zu sagen haben. Ein Blog gibt Raum für pointierte Meinungen, aktuelle Themen und Beiträge zu laufenden Diskursen. mission.de ist eine Initiative evangelischer Missionswerke, Verbände und Kirchen unter dem Dach der Evangelischen Mission Weltweit (EMW).
In der Bibel finden sich prominente Frauen mit unterschiedlichem Hintergrund, die auf unterschiedliche Weise an der Erfüllung von Gottes Auftrag beteiligt waren. Und doch stehen bis heute immer wieder Machtstreben und das Ego von Einzelnen im Weg. Das Streben nach Gleichberechtigung bleibt ein Prozess, und ich bin sicher, dass die Kirchen begreifen werden, dass Gott uns mit unseren unterschiedlichen Körpern und Fähigkeiten geschaffen hat, um verschiedene Aufgaben zu erfüllen. Wichtig ist dabei, dass diese verschiedenen Fähigkeiten nicht nur den Frauen zugutekommen, sondern der ganzen Gesellschaft, die nur so ihr volles Potential ausschöpfen kann.
Nicht immer sind Kirchen sichere Orte
Wir sind dazu aufgerufen, Salz und Licht der Welt zu sein. Das bedeutet, mit gutem Beispiel voranzugehen und das zu leben, was auf den Kanzeln gelehrt und gepredigt wird. Das Konzept der "Imago Dei" spiegelt wider, dass der Mensch (unabhängig seines Geschlechts) von der gesamten Schöpfung unterschieden ist und dass es alle Geschlechter braucht, um das Ebenbild Gottes zu sein. Dies wiederum kann hilfreich sein, wenn es darum geht, einen Schritt zurückzutreten, zurückzublicken und unsere Empfindungen, unser kulturell geprägtes Verständnis von einer Schöpfungsordnung und den Rollen der Geschlechter in der Bibel zu überdenken.
Oft wurden biblische Geschichten bewusst in eine bestimmte Richtung interpretiert, um einem bestimmten patriarchalen Narrativ zu entsprechen. Auf den biblischen Text direkt zu schauen, kann helfen, solche Narrative zu erkennen und die Texte neu zu erleben. Denn wir können nicht leugnen, dass es in Kirchen und kirchlichen Organisationen verschiedene Narrative gibt, die eine Diskriminierung von Frauen befürwortet und scheinbar theologisch unterfüttert.
Auch andere Formen der geschlechtsspezifischen Gewalt treffen wir leider oft in Kirchen an. Es gibt Fälle, in denen Führungspersönlichkeiten in religiösen Kreisen schutzbedürftige Frauen ausnutzen, um ihre sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Ich finde, das muss ein Ende haben, und ich hoffe auf religiöse und zivilgesellschaftliche Gruppen, die sich für Gerechtigkeit einsetzen, nicht nur mit Worten, sondern auch mit Taten. Wer wir sind, geht über das hinaus, was für uns durch die menschliche Brille sichtbar ist. Es geht nicht darum, welches Geschlecht wir haben, sondern wie wir geschaffen wurden, um Gottes Plan zu erfüllen, dazu gehören all unsere Fähigkeiten und Talente.
Kirchen können Einfluss nehmen
Zusätzlich zu den christlichen Initiativen, die auf die diskriminierenden Strukturen in der Gesellschaft reagieren, gibt es Aspekte, die von der Kirche berücksichtigt werden müssen und zu einer Veränderung beitragen würden. Beispielsweise muss sich Kirche nicht zwingend gesellschaftlichen Normen unterwerfen, sondern kulturelle Praktiken, die schädlich sind, kritisieren und sie nicht auf die Kirche auszuweiten. Dies erfordert allerdings einen Bruch mit dem, was ansonsten üblich ist.
Da Frauen nur selten Gehör geschenkt wird, wenn diese Fälle von Missbrauch oder Belästigung zur Sprache bringen, gilt es in kirchlichen Strukturen umso besser zuzuhören. Dass in der idealen Kirche eben nicht alternative Interpretationen vorgebracht werden, welche die Täter decken oder schützen. Dass in der Kirche eben nicht die Machtpositionen der Täter dafür sorgen, dass die Frauen verleugnet und die eigene Stellung verteidigt wird. Stattdessen sollte Kirche offen und empathisch den Opfern gegenüber sein.
Ein weiteres Beispiel, für Situationen, in denen sich die Kirche von gesellschaftlichen Praktiken distanzieren kann und sollte, sind Kinderehen, die in meiner Heimat wie in vielen anderen Ländern der Welt an der Tagesordnung sind. Die Auswirkungen, die solche Kinderehen auf das Leben der Betroffenen haben, sind sehr problematisch. Ein dauerhafter Zustand der Hilflosigkeit umgibt die Betroffenen – diese Hilflosigkeit wird gleichzeitig normalisiert. Dies führt dazu, dass sich die jungen Frauen oft selbst als hilflos, unfähig und schwach wahrnehmen.
Der christliche Glaube gibt Hoffnung
Als Christ*innen können wir solchen Herausforderungen auf eine ganz besondere Art begegnen. Denn das Christentum gibt uns eine Ethik an die Hand, an der wir unser Handeln orientieren können. Wir sind in der Lage, zu erkennen und einzuordnen, was in unserer Umgebung vor sich geht, und werden, wenn wir uns an die christlichen Gebote der Nächstenliebe halten, nicht (oder nur seltener) zu Opfern oder Täter*innen in der Gesellschaft.
Stattdessen tragen dieselben Grundsätze dazu bei, darüber nachzudenken, was wir uns selbst und anderen antun, und unser Handeln kritisch zu hinterfragen. Auch bei dem empathischen Umgang mit den Opfern von Gewalt und Ungerechtigkeit hilft uns unsere christliche Grundlage. Christ*in zu sein, trennt uns nicht von der Welt und ihren Herausforderungen, aber wir erhalten die Verantwortung, zu entscheiden, wie wir uns verhalten und wie wir unseren Beitrag zu einer gut geschaffenen Welt leisten können.
Dieser Text ist ein Aufruf an alle Leitenden und alle Christ*innen, die Praktiken abzuschaffen, die die Kirche mit jeglicher Form von geschlechtsspezifischer Gewalt in Verbindung bringen. Stattdessen sollten Frauen in machtvolle Positionen gelangen dürfen und so ein sichtbares Zeichen der positiven Veränderung sein. Dieser Text ist ein Aufruf an die Kirchen, eine verlässliche Gemeinschaft aufzubauen, in der Frauen und Männer nicht in Isolation oder Angst vor Übergriffen leben. "Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und schuf sie als Mann und Frau." (Gen 1,27); und die Kirche als prophetisches Zeichen dessen, was Gott für Frauen und Männer wünscht, ist aufgerufen, diese Gemeinschaft in ihrem eigenen Leben und Handeln zu verkörpern.
evangelisch.de dankt der Evangelischen Mission Weltweit und mission.de für die inhaltliche Kooperation.