Die 1987 von islamistischen Muslimbrüdern gegründete Organisation, die seit 2007 die Macht über den Gazastreifen innehat, hat nach den Worten von der Bereichsleiterin des "Peace Research Institute Frankfurt" (vormals Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung), schon in der Vergangenheit massiv auf terroristische Gewalt gesetzt. In ihrer Charta habe die Hamas das Ziel formuliert, den Staat Israel gewaltsam zu vernichten. Mit dem derzeitigen Angriff verbinde sie zudem konkrete Ziele. Zum einen wolle die Hamas sich als einzige legitime Repräsentanz der Palästinenser inszenieren, die für Palästina kämpfe. Die von der Konkurrenz-Organisation Fatah geführte Autonomiebehörde in der Westjordanland solle dagegen als bloßer Erfüllungsgehilfe der israelischen Besatzungspolitik erscheinen.
Die Entführung vieler Israelis als Geiseln in den Gazastreifen deute in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Hamas beabsichtige, die mehreren Tausend palästinensischen Häftlinge in israelischen Gefängnissen freizupressen. Ein weitergehendes politisches Ziel des blutigen Angriffs bestehe darin, die Annäherung arabischer Staaten an Israel zu torpedieren. Nach der Aufnahme politischer und wirtschaftlicher Beziehungen von Israel zu Marokko, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Bahrain und Sudan in den vergangenen Jahren und angesichts laufender Verhandlungen Israels mit Saudi-Arabien hätten die Palästinenser das Gefühl, dass ihr Streben nach Unabhängigkeit vergessen werde.
Dass die Hamas jetzt zuschlage, liege daran, dass Israel als geschwächt erscheine angesichts der innenpolitischen Massenproteste in den vergangenen Monaten, die sich gegen den von der Regierung geplanten Justizumbau richten. "Israel war mit sich selbst beschäftigt", sagte die Politikwissenschaftlerin. Ein weiterer Anlass könnte der Überraschungsangriff arabischer Nachbarstaaten auf Israel am Feiertag Jom Kippur vor 50 Jahren sein. Die Hamas griff jetzt am Feiertag Simchat Tora an.
Um aus dem begonnenen Krieg wieder herauszukommen, müssten die arabischen Staaten, die Beziehungen zu Israel geknüpft hätten, mäßigend auf die Palästinenser einwirken, schlug Baumgart-Ochse vor. Diese Staaten müssten den Palästinensern dafür versprechen, ihre politische Eigenständigkeit von der israelischen Regierung als Bedingung für eine Normalisierung der Beziehungen zu fordern. Ob sich die Kriegsgegner darauf einließen, sei eine andere Frage. Die Hamas sei eng mit dem Israelfeind Iran verbündet, die Koalitionspartner des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu wollten hingegen einen palästinensischen Staat verhindern und die Westbank annektieren.