Ohne evangelische Publistik würde in den deutschen Medien eine wichtige Perspektive fehlen, sagt Bollmann. Sie trage dazu bei, Diskurs und Resonanz zu ermöglichen. "chrismon"-Chefredakteurin Ursula Ott und epd-Chefredakteur Karsten Frerichs sprachen mit dem GEP-Direktor über Publizistik als gesellschaftsdiakonische Aufgabe, aktuelle Veränderungen im Gemeinschaftswerk und Perspektiven für die Zukunft angesichts schwindender Kirchenfinanzen.
Herr Bollmann, Sie waren früher Radioreporter. Wie erklären Sie den Hörerinnen und Hörern in aller Kürze, was das Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik ist?
Jörg Bollmann: Das GEP, wie wir es abkürzen, ist das bundesweite Medien-Dienstleistungsunternehmen der Evangelischen Kirche in Deutschland, ihrer Gliedkirchen, Werke und Einrichtungen. Generelles Ziel ist es, das Evangelium mit den Instrumenten des Journalismus zu verkündigen.
Das hören Journalisten nicht so gerne, dass sie etwas "verkündigen" sollen…
Bollmann: Sie sollen ja auch nicht predigen. Das Evangelium lässt sich auf ganz vielfältige Art verkündigen, auch durch praktisches Handeln. Ich kann das Evangelium - so wie ich es verstehe - auch dadurch verkündigen, dass ich jemandem über die Straße helfen. Oder, um es mit dem Leitbild von "chrismon" zu sagen: Das evangelische Magazin nimmt teil an dem Bemühen, das Evangelium für die Gegenwart jeweils neu auszulegen. Oder nehmen Sie zum Beispiel den Fernsehgottesdienst, eine Verkündigungssendung, die aber sehr viele mediale und journalistische Instrumentarien einsetzt. Wie setze ich das Licht? Wie platziere ich die Kameras? Wie viele Kameras bringe ich überhaupt zum Einsatz? Wie schneide ich im Live-Geschehen die Ereignisabfolge, also den liturgischen Ablauf des Gottesdienstes? Wie gestalte ich die Predigt so, dass sie von den Fernseh-Zuschauerinnen und Zuschauern in ihrer besonderen Fokussierung auf den Bildschirm am besten verstanden wird? Da helfen journalistische Kriterien und tragen in diesem Format zur Verkündigung des Evangeliums bei.
Der bayerische Pfarrer Robert Geisendörfer hat das GEP im Juli 1973 gegründet, es bestand von Anfang an eine Spannung zwischen journalistischer Freiheit auf der einen und "Solidarität mit der Kirche" auf der anderen Seite. Wie ist das heute?
Bollmann: Publizistik darf niemals und zu keiner Zeit mit Öffentlichkeitsarbeit verwechselt werden. Publizistische Berichterstattung muss kritisch sein dürfen und frei sein in der Themenwahl. Nehmen Sie das Themenbeispiel sexualisierte Gewalt in der Kirche. Darüber muss gerade auch evangelische Publizistik in aller Freiheit und aller kritischen Distanz berichten können, ohne sich mit Kirche zu entsolidarisieren. In der GEP-Satzung heißt es dazu: Evangelische Publizistik umfasst in der Bindung an das Evangelium eigene Entscheidungsfreiheit und kirchliche Verpflichtung in gleicher Weise. In der Institution Kirche arbeiten eben Menschen, und die machen Fehler und können sich, wie wir in den Fällen sexualisierter Gewalt leider erkennen müssen, auch in Schuld verstricken. Das muss evangelische Publizistik in aller Deutlichkeit benennen.
"Publizistik darf niemals und zu keiner Zeit mit Öffentlichkeitsarbeit verwechselt werden"
Und was meinen Sie mit Freiheit der Themenwahl?
Bollmann: Wir müssen der - verständlichen - Versuchung widerstehen, bei jedem Beitrag der evangelischen Publizistik zu fragen: Und wo ist die Kirche? Nur ein Beispiel aus dem evangelischen Magazin "chrismon": Was hat die Geschichte über ein Schulmädchen in Tansania, das morgens 20 Kilometer zu Fuß zur Schule gehen muss, mit der Institution Kirche zu tun? Auf den ersten Blick nichts. Riskieren wir also einen zweiten Blick. Es geht um Nächstenliebe, es geht um Empathie für Schwache, es geht darum, im Kümmern um menschliche Schicksale nicht an nationalen Grenzen haltzumachen. Das ist Verkündigung des Evangeliums mit journalistischen Instrumenten.
Dieses Kümmern um Schwache ist dem GEP in die DNA geschrieben. Robert Geisendörfer schrieb, dass evangelische Publizistik Fürsprache üben soll für die geringsten unserer Brüder. Heute würde er vermutlich schreiben: und Schwestern.
Bollmann: Ja. Ich sage Ihnen noch ein Beispiel. Frauen wie Pia und Anne, die von ihren Müttern und vielen Männern missbraucht wurden, wenden sich vertrauensvoll an "chrismon". Dem evangelischen Magazin erzählen sie ihre Geschichte, weil sie durch die Veröffentlichung ihren Schmerz bearbeiten wollen, obwohl es ihnen unendlich schwer fällt, die Geschichte über ihr Leid zu erzählen. Für Menschen wie Pia und Anne sind wir in der evangelischen Publizistik die richtige Adresse. Wir machen ihre Leidensgeschichte öffentlich, ohne jeden Voyeurismus, aber auch ohne die Härte, diesen unglaublichen Schmerz und den Skandal über Missbrauch in der eigenen Familie zu verschweigen. Wir bieten Menschen wie Pia und Anne ein Ventil und setzen bei aller Tragik ein Zeichen der Hoffnung. Das machen wir mit den Mitteln des Journalismus, das ist evangelische Publizistik.
Noch ein Zitat aus den Grundsätzen, mit denen das GEP gegründet wurde: Es soll "in einer polarisierten Gesellschaft relativieren, Emotionen drosseln und zum gesellschaftlichen Frieden beitragen". Heute aktueller denn je...
Bollmann: Auch das gehört - ganz aktuell - für mich nach wie vor zum Auftrag der evangelischen Publizistik. Wenn ich den Soziologen Hartmut Rosa richtig verstanden habe, dann bezeichnet er in seinem Buch "Demokratie braucht Religion" das sogar als Aufgabe der Kirche insgesamt. Er sagt, die polarisierte Gesellschaft habe sich aus dem Wettbewerb heraus entwickelt. Die zunehmende Schärfe des Wettbewerbs führe dazu, dass die Teilnehmenden immer weniger miteinander reden können, sich immer weniger zuhören. Rosa bezeichnet das als Verlust von Resonanz. Er weist Kirche und Religion die wichtige Aufgabe zu, Diskurs und Resonanz wieder zu ermöglichen. Dabei spielt meiner Meinung nach die evangelische Publizistik eine wichtige Rolle. Evangelische Publizistik übernimmt in diesem Rahmen eine, im Kirchensprech, gesellschaftsdiakonische Aufgabe. Andere sagen dazu vielleicht gemeinnütziger oder konstruktiver Journalismus.
Oder einfach: guter Journalismus. Warum braucht es dann die evangelische Publizistik?
Bollmann: Für evangelische Publizistik gilt dasselbe wie für die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten: Wenn wir sie nicht hätten, dann würde uns was fehlen in dieser Gesellschaft.
Was?
Bollmann: Eine wichtige, eine andere Perspektive. Beispiel duales System im Rundfunk: Öffentlich-rechtliche Anstalten senden aus der Perspektive einer Grundversorgung - Information, Bildung, Kultur, Unterhaltung. Private Medienunternehmen senden aus der Perspektive von Umsatz und Gewinn, was völlig okay ist. "RTL aktuell" zum Beispiel ist eine publizistisch hoch anerkannte Nachrichtensendung. Dennoch unterscheidet sich der Berichterstattungsansatz im öffentlich-rechtlichen und im privaten Bereich durch die Perspektive. Für eine demokratische Gesellschaft ist das meiner Meinung nach zu wenig, um wirklich mediale Vielfalt zu realisieren. Die evangelische Publizistik bietet eine weitere Perspektive an. Aus ihrer Perspektive richtet sich der Blick auf die Schwachen, es geht um Fürsprache, um Barmherzigkeit, um Stimme für die Stimmlosen, wie es Geisendörfer formuliert hat. Wobei es der evangelischen Publizistik wichtig ist, ihre Geschichten immer mit einem Funken Hoffnung zu erzählen, auch wenn es sich um schwere menschliche Schicksale handelt.
Geisendörfer hat sich immer stark in medienpolitische Debatten eingemischt, schon vor 50 Jahren waren die Angebote der öffentlich-rechtlichen Sender ein großes Thema. Sie machen das weniger, warum?
Bollmann: Geisendörfer war zugleich Fernsehbeauftragter der evangelischen Kirche, hatte als bayerischer Pfarrer eine andere berufliche Herkunft und Funktion. Ich unterscheide zwischen meiner persönlichen Rolle und dem, was wir mit unseren Medien anbieten. Wir haben im GEP mit epd medien ein publizistisches Produkt, das den Auftrag hat, den Diskurs über Medien zu führen. Die Redaktion von epd medien macht das jeden Tag, und, wie ich finde, sie macht das sehr gut. Die evangelische Kirche hat einen Medienbeauftragten für den Rat der EKD und die Freikirchen, der im GEP angestellt ist, sich unter anderem um medienethische Belange kümmert und sich aktiv in die entsprechenden Debatten einmischt. Darüber hinaus leistet das GEP mit dem filmkulturellen Zentrum und der Fachzeitschrift "epd Film" filmkulturelle Arbeit, in der wir unter anderem am Diskurs um das Kulturgut Film und Kino teilnehmen.
Ich muss mich als Direktor und Geschäftsführer einer gemeinnützigen GmbH nicht jeden Tag oder jeden Monat in diese Debatte einklinken. Das heißt ja nicht, dass ich mich nicht immer mal wieder zu Wort gemeldet habe, was ich bis zum Ende meiner Amtszeit sicher auch noch das eine oder andere Mal tun werde. Aber die publizistische Tagesarbeit überlasse ich gerne den journalistischen Produkten und damit auch den Journalistinnen und Journalisten in unserem Haus.
"Die evangelische Publizistik bietet eine weitere Perspektive an. Aus ihrer Perspektive richtet sich der Blick auf die Schwachen, es geht um Fürsprache, um Barmherzigkeit, um Stimme für die Stimmlosen, wie es Geisendörfer formuliert hat"
Wenn evangelische Publizistik also eine öffentliche Aufgabe wahrnimmt - müsste sie dann nicht besser anerkannt werden? Außer warmen Worten zum Jubiläum?
Bollmann: Es liegt an uns, wie gut oder wie schlecht wir sind mit dem, was wir tun und wie wir wahrgenommen werden. Ehrlich gesagt, können wir meiner Ansicht nach mit den Ergebnissen, die wir erreichen, ganz zufrieden sein, um es protestantisch bescheiden auszudrücken. Schauen wir zum Beispiel auf die Reichweite vom Evangelischen Pressedienst (epd), die in einem sehr umkämpften Nachrichtenmarkt in Deutschland mit 76 Prozent allein bei den Tageszeitungsverlagen sehr hoch ist. Hinzu kommen alle öffentlich-rechtlichen Sender, diverse Online-Portal und kirchliche Medien. Wir sprechen mit "chrismon" jeden Monat rund 1,4 Millionen Leserinnen und Lesern an, die sich für das interessieren, was wir sagen und was wir schreiben - ein herausragendes Interesse. Und wir bekommen für unsere verschiedenen Hörfunk- und Fernsehbeiträge sehr viel Aufmerksamkeit, die kirchlichen Sendungen in Fernsehen und Hörfunk verzeichnen durchweg gute bis sehr gute Quoten. Im Rahmen des digitalen Transformationsprozesses arbeiten wir kontinuierlich daran, auch in den Weiten des Web auf Wachstum und relevante Reichweiten zu kommen. Wobei wir zum Beispiel mit "evangelisch.de", "religionen-entdecken.de", "ein-jahr-freiwillig.de" oder auch mit dem Netzwerk yeet großartige Produkte und Dienstleistungen zur Verfügung stellen.
Noch etwas verbindet Sie mit Robert Geisendörfer. Schon zwei Jahre, nachdem das GEP gegründet wurde, hat er dem Rat der EKD berichtet, dass das Haus strukturell unterfinanziert ist. Auch sie haben in den mehr als 20 Jahren an der Spitze des Hauses viele Kämpfe um ausreichend Geld führen müssen.
Bollmann: Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Finanzkraft der Kirche schwindet und die beiden großen christlichen Kirchen immer mehr Mitglieder verlieren. Diesen Trend werden wir auch mit den Instrumenten und Produkten der evangelischen Publizistik nicht drehen. Mir macht aber Hoffnung, dass die EKD-Synode, die ihren Haushalt bis 2030 erheblich kürzen wird, das GEP von einer nominalen Kürzung verschont hat. Wir bleiben also bis 2030 auf dem aktuellen Niveau der Finanzzuweisungen aus dem EKD-Haushalt. Ich verstehe das als immensen Vertrauensbeweis aber auch als eine klare Erwartung an die Leistungskraft der evangelischen Publizistik, die - wie es in der GEP-Satzung steht - in allen ihren Arbeitszweigen an der Erfüllung des Auftrags teilnimmt, dem Kirche verpflichtet ist.
Aber klar, mit Inflation und steigenden Personalkosten schwindet trotzdem auch die Finanzkraft der evangelischen Publizistik. Was ist zu tun? Ich meine: Wir müssen unsere Kräfte bündeln. Ein wichtiger Schritt ist zum Beispiel die gesellschaftsrechtliche Mehrheitsbeteiligung, die das GEP am Medienhaus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) erworben hat und die dazu führt, dass wir ab 2024 unter einem gemeinsamen Dach im dann auf digitale Anforderungen hin umgebauten und modernisierten GEP-Gebäude in Frankfurt am Main starten werden.
Zum Kräftebündeln kommen wir gleich. Nochmal zur Einnahmenseite. Sie haben beschrieben, welchen Beitrag die evangelische Publizistik zu Medienvielfalt leistet. Sollte des GEP dafür nicht Geld aus dem Rundfunkbeitrag bekommen?
Bollmann: Wir können uns da gerne anmelden… Aber im Ernst: Ich würde ungern Kämpfe kämpfen, die wir nicht gewinnen können. Unabhängig davon, dass ich einem solchen Ansatz politisch keine Chance einräume, würden wir ja auch noch in eine Debatte reinlaufen, ob Menschen, die nicht in der Kirche sind und sowieso schon keine Lust haben, Rundfunkbeiträge zu zahlen, ob die auch noch evangelische Publizistik mitfinanzieren sollen. Eine solche Diskussion können wir uns ersparen.
Haben Sie eine andere Idee?
Bollmann: Neben Kostenabbau durch Synergie und Zusammenarbeit halte ich auch neue Finanzierungsmodelle durchaus für möglich, zum Beispiel durch Spenden. Unser Online-Portal "Amal", bei dem 30 Journalistinnen und Journalisten mit Fluchterfahrung arbeiten, finanziert sich rein durch Spenden. Auch BibelTV, an dem das GEP mit rund zwölf Prozent beteiligt ist, finanziert sich zu einem großen Teil durch Spenden. Das lässt sich möglicherweise auch auf andere Produkte der evangelischen Publizistik übertragen, in diese Richtung kann es vielleicht gehen.
Ich halte auch den Ausbau von weiteren Marktangeboten, gerade in der digitalen Transformation, für möglich. Was allerdings bedeuten würde, dass wir für den Anlauf spezielle Entwicklungsetats brauchen. Und wir reden über langfristige Strategien, also über Zeiträume bis 2030 oder länger. Solange wird es dauern, um grundlegend neue Finanzierungssysteme zu etablieren oder veränderte Geschäftsmodelle zu entwickeln und auf dem umkämpften deutschen Medienmarkt erfolgreich zu etablieren.
"Neben Kostenabbau durch Synergie und Zusammenarbeit halte ich auch neue Finanzierungsmodelle durchaus für möglich, zum Beispiel durch Spenden"
Sie haben es angesprochen: Das GEP hat die Mehrheitsbeteiligung am Medienhaus der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau übernommen. Folgen bald die nächsten Beteiligungen des bundesweiten Gemeinschaftswerks an landeskirchlichen Medienhäusern?
Bollmann: Konkret steht das nicht an, aber ich würde es für sinnvoll halten. Es folgen auf jeden Fall die nächsten Kooperationen. Dafür nenne ich mal drei Beispiele, die ich für sehr gelungen halte. Wir haben uns über Jahre Gedanken darüber gemacht, wie wir für die Nachrichtenagentur epd ein Video-Portfolio aufbauen können. Es war klar, dass wir das einerseits aus eigener Kraft nicht schaffen, dass wir ein Bewegtbildangebot aber anderseits benötigen, um die Nachrichtenagentur bei der zunehmenden Bedeutung von Bewegtbild zukunftsfähig zu machen. Mit epd video ist uns vor zwei Jahren eine Kooperation mit den landeskirchlichen Medienhäusern gelungen, von der beide Seiten profitieren: Die hochwertigen Videos aus allen Regionen Deutschlands finden mit dem epd einen Vertriebsweg, der in nahezu alle Medienunternehmen des Landes reicht, öffentlich-rechtlich wie privat. Und wir haben die Nachrichtenagentur deutlich gestärkt, die neben Text und Bild ihren Kunden jetzt auch Videos anbieten kann.
Ein zweites Beispiel ist yeet. Mit yeet haben wir ein digitales Content-Netzwerk, wo wir keine Produktionen bezahlen, aber mit dem wir Produktionen von einzelnen Influencern unterstützen, mit Beratung, technischer Hilfe, Marketing, etc. Auch das ist eine wichtige und gute Kooperation, die Früchte trägt und der evangelischen Publizistik Reichweite verschafft.
Und ein Produkt lassen Sie mich als ein drittes Beispiel noch hinzufügen: Das GEP beteiligt sich finanziell an der Basis:Kirche - Reportagen und Geschichten, die auf Youtube laufen. Die Bewegtbildgeschichten der Basis:Kirche erreichen in der Spitze bis zu eine halbe Million Abrufe. Das ist ein hochinteressantes Beispiel dafür, wie der evangelischen Publizistik die digitale Transformation gelingen kann.
Können Sie sich auch Kooperationen mit der katholischen Kirche vorstellen?
Bollmann: Wir arbeiten in der Journalistenausbildung mit der katholischen Journalistenschule, dem ifp, zusammen. Unsere Volontärinnen und Volontäre besuchen Kurse in München, und auch wir im GEP bieten für die katholischen Volos einen Kurs an. Davon kann es künftig sicher noch mehr geben.
Gibt es dann irgendwann ein Gemeinschaftswerk der ökumenischen Publizistik?
Bollmann: Ich denke, dass Kirche bei den schwindenden Mitgliederzahlen in Zukunft für ihr politisches Gewicht in dieser Gesellschaft mehr noch als bisher auf ökumenische Zusammenarbeit setzen muss. Das schließt Publizistik ja ein. Aber konkret ist das zurzeit nicht. Die katholische Kirche muss in diesen Zeiten viele Probleme bewältigen: Die Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt, Priestermangel, die Prozesse des Synodalen Wegs in der Auseinandersetzung mit Rom, etc. Ob da ausgerechnet die Publizistik der Türöffner für mehr Ökumene in Deutschland sein kann, stelle ich mal infrage. Jedenfalls traue ich mir da keine Prognose zu.
Lässt sich denn das regionale Profil evangelischer Publizistik erhalten, wenn die regionalen Medienhäuser an Eigenständigkeit verlieren?
Bollmann: Die regionalen Medienhäuser in den Gebieten der evangelischen Landeskirchen wird es ja auch weiterhin geben. Wir bemühen uns nicht um Fusionen, sondern wenn überhaupt um gesellschaftsrechtliche Beteiligungen oder niedrigschwelliger um Kooperationen. Ein zentraler Mediendienstleister für die Gemeinschaft der Gliedkirchen und die EKD mit allen evangelischen Medienhäusern unter einem Unternehmensdach ist weit und breit nicht in Sicht. Und selbst wenn es ihn in weiter Zukunft mal geben würde, würde ich kein Problem mit der föderalen Kompetenz erkennen können. Das macht uns zum Beispiel der Marktführer im Nachrichtenagenturbereich, die Deutsche Presse-Agentur (dpa), doch seit Jahrzehnten vor: dpa ist sehr stark in den Regionen, weil sie regionale Einheiten haben, aber innerhalb einer gesamtzentralen Organisation. Aber für eine landeskirchlich organisierte Kirche steht das nicht zur Diskussion. Es muss andere Formen von Zusammenarbeit geben. Die aber sind notwendig - davon bin ich überzeugt.
Welche Produkte sehen Sie besonders unter Druck in der evangelischen Publizistik?
Bollmann: Meine gesamte Laufbahn im GEP begleitet mich das Thema Kirchengebietspresse, leider. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Auflagen von 2002, als ich im GEP begonnen habe, bis heute signifikant gesunken sind. Das ist ein empirischer Fakt. Es hat sehr, sehr viele Versuche gegeben, diesen Trend zu stoppen. Leider ist nicht erkennbar, ob das wirksam gelingen kann, auch wenn ich mir das wünschen würde. Vielleicht gelingt ja noch ein überzeugender Transfer der wertvollen Inhalte auf digitale Plattformen - das wäre vielleicht ein Weg. Den Kirchenzeitungen in Print ergeht es nicht anders als der säkularen Printpresse, die auch seit Jahren unter einem kontinuierlichen Auflagenverlust leidet.
Geisendörfer hat gesagt, die Kirche müsste auf zehn Theologen einen Journalisten einstellen. Wo stehen wir da heute?
Bollmann: Ich würde mich nicht auf eine Quote festlegen. Aber ich bedaure, dass der Journalismus auch als Beruf insgesamt in unserer Gesellschaft an Attraktivität einbüßt. Deshalb bauen wir hier im GEP auch eine eigene Volontärsausbildung auf. Ich zitiere nochmal den Soziologen Rosa: Demokratie
braucht Religion. Weitergeführt hieße das: Religion braucht evangelische Publizistik. Evangelische Publizistik braucht Journalistinnen und Journalisten. Punkt. Und dann schauen wir mal, wie sich die Produkte entwickeln und wie viel wir benötigen.
"Religion braucht evangelische Publizistik. Evangelische Publizistik braucht Journalistinnen und Journalisten"
Sie gehen nächstes Frühjahr in den Ruhestand. Sie haben das Haus dann über 20 Jahre geleitet. Wenn Sie nicht GEP-Direktor geworden wären, was dann?
Bollmann: Dann wäre ich Sportreporter beim Hörfunk geworden beziehungsweise geblieben. Dafür schlägt mein Herz, und ein paar Fußballspiele habe ich während der ersten zehn Jahre meiner Zeit im Radio auch kommentieren dürfen.
Was war Ihre größte Enttäuschung in den 20 Jahren?
Bollmann: Die größte Enttäuschung habe ich auf der EKD-Synode 2005 erlebt. Die Synode hat damals beschlossen, die Finanzmittel aus dem EKD-Haushalt an das GEP in einer Größenordnung von mehr als 27 Prozent, also um 1,6 Millionen Euro zu kürzen. Das war ein heftiger Schlag - ich habe das damals nicht verstanden und halte die Entscheidung bis heute für falsch.
Wir haben danach dann sechs, sieben Jahre benötigt, die Folgen dieser Beschlussfassung in den relevanten kirchenpolitischen Gremien transparent zu machen, zu diskutieren und schließlich durch zahlreiche Folgebeschlüsse abzufedern. Welch ein Kraftakt! Umso mehr freue ich mich nun, dass es eine solche Beschlussfassung in der EKD-Synode in Bezug auf die Haushaltsanstrengungen bis 2030 eben nicht gegeben hat. Dafür bin ich außerordentlich dankbar.
Und der größte Erfolg?
Bollmann: Den größten politisch-organisatorischen Erfolg haben wir bereits 2004 erreicht und 2005 umgesetzt: Die von der EKD-Synode durch ihre Beschlussfassung möglich gemachte Fusion des GEP mit dem Hansischen Druck- und Verlagshaus und damit der Auftrag, "chrismon "im GEP zu produzieren, hat diesem Haus einen großen publizistischen Schub verschafft, ohne den viele Dinge, die in den Folgejahren gelungen sind, nicht denkbar gewesen wären.
Welche epd-Meldung möchten Sie in zehn Jahren lesen?
Bollmann: "Das GEP startet ein evangelisches Netflix." Ich würde mich so freuen, wenn ich in meinem Rentenalter erleben könnte, wie es die evangelische Publizistik schafft, eine Kombination von Fernsehen, Hörfunk, Nachrichtenagentur, digitalen Medien und Printangeboten zu etablieren. Ein wie Netflix zu erwerbendes Angebot, das in seiner Vielfalt ganz viele Menschen anspricht und so das Evangelium mit modernen Kommunikationsmitteln verkündigt.