Auf der neuen Website "Jüdische Geschichte online" werden digitale Projekte aus der Judaistik und Geschichte vorgestellt und ihre Inhalte über die Suchfunktion verknüpft. So kann man historische Dokumente, Fotos, Oral History Interviews oder auch Nachschlagewerke zu einzelnen Schwerpunktthemen entdecken. Die Internetpräsenz wird vom Moses Mendelssohn Zentrum für europäisch-jüdische Studien in Potsdam (MMZ) gemeinsam mit dem Institut für die Geschichte der deutschen Juden ausgebaut. Mitmachen können wissenschaftliche Institute oder Wissenschaftler:innen mit ihren Projekten zum Thema jüdisches Leben.
Der Vorteil: Über die Plattform kann man verschiedene Projekte zu einem Thema finden. Gibt man zum Beispiel den Begriff "Palästina" ein, so finden sich insgesamt 68 Treffer aus den beteiligten eingespeisten Projekten. Darunter ein Jugendbuch, Einträge zu verschiedenen Hachschara-Ausbildungsstätten in Brandenburg, also den Aufbruchsstätten ins jüdische Exil bis hin zu einem lebensgeschichtlichen Interview. Auch die Ankündigung eines Vortragsabends zu Palästina aus dem Jahr 1908 wird angeboten.
Es können auch Namen oder Orte in das Suchfeld eingegeben werden. Gibt man beispielsweise den Namen des jüdischen Physikers "Einstein" in die Suchmaske ein. Dann erscheint unter den Treffern auch eine Hetzrede eines NSDAP-Funktionärs aus dem Rundfunk, der 1933 darin auch den jüdischen Physiker Albert Einstein diffamierte. Einstein hatte zuvor öffentlich die Nationalsozialisten kritisiert. 1933 floh er ins Exil in die USA.
Projektleiterin, Professorin Miriam Rürup, sieht in dem Portal einen Türöffner: "Das Portal ist eine Einladung, sich über die übergeordnete Suche wie in einer Art 'Jewgle' auf digitale Spurensuche durch verschiedene Einzelprojekte zur deutsch-jüdischen Geschichte, zur Vergangenheit und Gegenwart zu begeben", sagt sie. Durch die zweisprachige Präsentation auf Englisch und Deutsch "können auch Nachkommen deutscher Jüdinnen und Juden Zugang zu dem im Portal versammelten umfangreichen Wissen bekommen", sagt sie. Rürup ist auch die Direktorin des MZZ, sowie Initiatorin der digitalen Edition Hamburger Schlüsseldokumente zur deutsch-jüdischen Geschichte, die ein Kernbestandteil des neuen Portals sind.
Die Plattform ist erst seit kurzem online. Die Vernetzung stehe noch ganz am Anfang, sagt Anna Menny, eine der Projektkoordinatorinnen. "Die Suchmöglichkeiten werden umso spannender je mehr Projekte beteiligt sind, ergänzt die Historikerin vom Hamburger Institut für die Geschichte der deutschen Juden. Sie sagt: "Momentan sind über das Portal vier Projekte durchsuchbar, diese reichen von einer thematischen Website zum jüdischen Brandenburg über die Datenbank zu Hachschara-Stätten und die Hamburger Schlüsseldokumente-Edition bis hin zu lebensgeschichtlichen Interviews zur jüdischen Geschichte der DDR.
Interessant sind auch Einblicke in das Leben jüdischer Wissenschaftlerinnen aus der Vorkriegszeit. Beispielsweise geben Lebensläufe von Agathe Lasch, der erste Germanistin Deutschlands mit eigenem Lehrstuhl, Aufschluss über den Wandel des Kolonialinstituts bis zur Universität Hamburg.
Bei der Namenssuche der politischen Philosophin Hannah Arendt findet man bislang noch wenig Dokumente. Doch Rürup verweist auf neue Verknüpfungen: "Und die nächsten Ideen sind schon da: Bald soll mit 'Jewgle Books' auch noch eine digitale Bibliothek der online verfügbaren Literatur zu jüdischen Themen hinzukommen", sagt sie.
Ins Auge fallen die digitalen Online-Ausstellungen, die auf der Schlüsseldokumente-Website des Portals gehostet werden. Wie zum Beispiel die Ausstellung "Kinderwelten – neue Blicke auf die Geschichte des jüdischen Schullebens". Diese Dokumente zeigen Schüler:innen aus Hamburg aus dem 18. bis Mitte des 20. Jahrhunderts.
Die Historikerin Anna Menny wünscht sich, dass bald weitere digitale Projekte dazukommen, um möglichst vielfältige Aspekte und Zugänge zur jüdischen Geschichte aufzeigen zu können. Denkbar wären auch Forschungsarbeiten über Stadtsynagogen wie sie in Halle, Köln oder Augsburg stehen.
Miriam Rürup verweist auf das Portal als ein Gemeinschaftsprojekt. Alle weiteren zukünftig hier durchsuchbaren Projekte blieben eigenständig erhalten und erkennbar. Sie erlangten aber über die Plattform "eine Vernetzung und verstärkte Sichtbarkeit im Bereich jüdische Geschichte". Das Portal macht laut Rürup damit erstmalig thematisch relevante Inhalte unterschiedlicher Projektträger gemeinsam durchsuchbar.
"Die Trefferliste als digitale Zusammenschau von virtuell und real an unterschiedlichen Orten aufbewahrten Quellen ermöglicht nicht nur den leichteren Zugang zu kleinen Datenbanken oder Editionen, sie kann ebenso neue Perspektiven auf die eigene Forschungsfrage bieten", schließt Miriam Rürup.