Hallo Jakob, magst du dich kurz vorstellen?
Jakob Sahm: Hi, ich bin Jakob Sahm, 27 Jahre alt. Ich bin verheiratet und habe eine Tochter. Ich bin der Inhaber von Mosja, einer fairen und sozialen Modemarke und arbeite nebenbei als Integrationshelfer mit geflüchteten Menschen in Burbach, dem Ort, in dem ich auch lebe.
Was genau ist Mosja und was bedeutet für euch faire Mode?
Sahm: Wir haben unsere Marke auf drei Konzepte aufgebaut. Das heißt zum einen, dass wir unter fairen Bedingungen produzieren. Damit alle Menschen, die in der Lieferkette beteiligt sind, einen fairen Lohn erhalten, gesicherte und kontrollierte Arbeitsbedingungen haben - vor allem in Bezug auf Arbeitszeiten und Arbeitsschutz. Die zweite Säule ist, dass wir möglichst nachhaltige Materialien verwenden, das bedeutet biologische Baumwolle oder recycelte Materialien - das ist in unserem Fall Polyester. Und wir unterstützen als dritte Säule soziale Projekte mit jeder Kollektion und versuchen die Kollektion im Design auch immer darauf aufzubauen. Dazu haben wir aber auch noch Basics, die sehr gängig sind und auch die sozialen Projekte unterstützen.
Was hat es mit dem Markennamen auf sich?
Sahm: Das Wort Mosja basiert auf einem rumänischen Kinderheim, dass in dem Ort Mosna (sprich: Moschna) steht. Es heißt "Haus der Hoffnung". In dem Kinderheim leben Waisen und Kinder, die aus diversen Gründen nicht mehr bei ihrer Familie leben können. Das haben Josh und ich, die Mosja damals gegründet haben, oft besucht. Wir fanden das Projekt sehr schön. Wir sind über die christliche Gemeinde dort hingekommen. Ein rumänisches Ehepaar hat das Kinderheim mittlerweile übernommen, weil das deutsche Ehepaar, dass sich früher gekümmert hatte, mittlerweile in den Ruhestand gegangen ist. Was wir auch besonders finden, ist, dass die Kinder dort bilingual aufgezogen werden. Sie lernen die deutsche und die rumänische Sprache, damit sie durch die Bildung nochmal andere Chancen haben, trotz der erschwerten Startbedingungen. Das fanden wir so cool, dass wollten wir mit der Marke unterstützen.
Dabei ist es aber nicht geblieben ...
Sahm: Am Anfang haben wir nur an das Kinderheim in Rumänien gespendet, jetzt wollen wir unsere Reichweite und Möglichkeiten aber auch nutzen, um andere Projekte zu unterstützen und haben so unser Konzept ein bisschen aufgelockert. Trotzdem machen wir es immer noch so, dass 20 Prozent der Gewinne von allen Kindersachen und der Babykleidung an das Kinderheim gehen.
Welche Projekte habt ihr nach dem "Haus der Hoffnung" unterstützt?
Sahm: Als erstes haben wir das Flüchtlingscamp Moria auf Lesbos unterstützt. Eine gute Freundin von mir war damals vor Ort, als es mit der Überfüllung und dem Brand so akut war. Sie hat uns von der Lage berichtet. Wir wollten deshalb auf die Situation aufmerksam machen und gleichzeitig Spendengelder generieren. So haben wir eine Sonderkollektion mit zwei Shirts gemacht, die auch super ankamen. Dadurch haben wir gemerkt, dass es gut ist, sich auch anderen Themen widmen zu können und wir dadurch die Leute, die uns auf den sozialen Medien folgen oder mittlerweile auch in den Store kommen, erreichen können.
Dann hatten wir als nächstes die "Schattentöchter", die sich gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel einsetzen. Sie kommen aus Neuwied. Ich war selbst mal Botschafter für IJM - das ist eine Organisation, die sich auch gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution einsetzt, aber eher international. Deswegen fand ich es umso spannender, weil sich das Projekt "Schattentöchter" hauptsächlich hier regional engagiert. Irgendwie merkt man dann: "Okay, das passiert jeden Tag, stündlich vor der eigenen Haustüre, in der eigenen Stadt, im eigenen Dorf vielleicht sogar."
Helft ihr ausschließlich mit Geld?
Für uns ist es ganz wichtig, dass wir nicht nur die Spendengelder generieren. Auch wenn da einiges zusammenkommt, verändert das allein noch nichts. Wir machen auch mit verschiedenen Angeboten über die Kollektion hinaus auf die Arbeit der Projekte aufmerksam. Im Laden oder online. Mit dem Projekt "Schattentöchter" haben wir mehrfach Vorträge bei uns in der Region gemacht.
"Wir wollten immer gern Vorträge und Workshops zu unseren Projekten machen"
Im letzten Jahr das Kinderhospiz "Balthasar" unterstützt. Es möchte Kindern und Jugendlichen, die unheilbar krank sind, eine schöne Zeit gewährleisten und den Familien, die davon betroffen sind, Entlastung zu schenken. Im Juli haben wir mit der Lebenshilfe in Dillenburg eine Kollektion gestaltet. Gemeinsam mit Sascha Kirchhoff - er ist Öffentlichkeitsreferent bei der Lebenshilfe und nennt sich auch "Stimmgeber" - und mit Menschen mit Behinderung. Wir haben Bilder gemalt und Schriftproben genommen, sodass die Menschen sich auch aussuchen konnten, welches Thema sie gerne mal auf ein Shirt schreiben wollen. Daraufhin haben wir dann Shirts, Sticker und Postkarten gemacht.
Ihr seid jetzt gerade in einen neuen Laden gezogen. Wie kam es dazu und was, was wird sich jetzt dadurch ändern?
Sahm: Zum einen natürlich, dass wir mehr Platz haben. Das ist schön, weil das Ganze in den letzten Jahren auch sehr gewachsen ist. Es ist aus einem Hobby heraus entstanden, hat sich aber durch unseren ersten Laden, den wir 2021 eröffnet haben, ganz anders entwickelt. Wir wollten immer gerne Vorträge und Workshops zu unseren Projekten machen, die oft an den 30 Quadratmetern des alten Ladens gescheitert sind. Jetzt haben wir ganz andere Möglichkeiten.
Gleichzeitig erreichen wir so nochmal ganz neue Leute, die wir online nicht erreichen würden. Menschen, die vielleicht einfach nur davon gehört haben, die Designs schön finden oder einfach schauen wollen, was da drin ist in dem Laden. Und so vielleicht zum ersten Mal mit den Themen fairer Handel, Leben mit Behinderung oder Zwangsprostitution in Berührung kommen.
Ihr seid jetzt in Neunkirchen, also immer noch im ländlichen Raum. War das eine bewusste Entscheidung?
Sahm: Ich komme selbst aus Burbach, das ist ganz in der Nähe von Neunkirchen und ich fand das sehr schön, weil es auch einen besonderen Charakter hat. Die Leute wissen zu schätzen, dass es auch regional irgendwas gibt, dass auch coole Dinge regional funktionieren können. So können wir uns auch mit den Leuten die Zeit nehmen für die Dinge, die unsere Marke besonders machen.
"Ich arbeite auch mit geflüchteten Menschen. Das ist mir ein großes Anliegen."
Wie ist für dich, so jung Chef eines Unternehmens zu sein?
Sahm: Herausfordernd, aber auch schön zugleich. Ich habe es mir selbst ausgesucht und es ist gleichzeitig auch organisch gewachsen. Ich musste viele Dinge lernen und schätze die ganzen Dinge, die ein soziales Unternehmen ausmachen, die es so vielleicht in einem profitorientierten Unternehmen nicht gibt - wie die Gespräche mit all den Menschen.
Und du bist auch in der Kirche aktiv?
Sahm: Ja, genau. Ich bin sozusagen im CVJM aufgewachsen, habe Jugendarbeit gemacht und arbeite jetzt im CVJM-Haus mit geflüchteten Menschen. Das ist mir auch ein großes Anliegen. Ich bin dort mit Abstand der jüngste Mitarbeiter. Am Anfang ehrenamtlich und jetzt auf geringfügiger Basis angestellt. Ich bin auch getauft und konfirmiert, aber eher beim CVJM und bei den Jesus Freaks in Burbach aktiv.
Was sind denn genau die Jesus Freaks?
Sahm: Ja, das hört sich immer wesentlich wilder an als es wirklich ist. Die Jesus Freaks haben sich Anfang der 90er Jahre aus der Hamburger Punker Szene gegründet. Leute, die eigentlich gescheitert waren im Leben und dann Jesus für sich entdeckt haben. Es waren also nicht die "Bilderbuch-Christen", sondern Menschen, die das alternativer leben. Vielleicht auch ein Stück weit provokativ. Das wurde in den letzten Jahren auch mit dem Freakstock - das ist ein Festival, das einmal im Jahr stattfindet - bekannter.
"Wir wollen nicht, dass jemand in den Laden kommt und direkt mit der Jesus-Keule umgehauen wird."
Und wie ist euer Gemeindeleben?
Sahm: Jede Jesus Freaks Gemeinde ist unterschiedlich, das kann man nicht pauschalisieren, aber ich würde unsere Gemeinde als einen ganz normalen Haufen beschreiben. Ich glaube, jemand der "Freaks" hört, hat vielleicht eine Barriere im Kopf. Wenn die Leute aber dann zu uns in die Gemeinde kommen, merken sie, dass es eigentlich ganz locker ist. Vielleicht lockerer als in vielen Gemeinden der Landeskirche. Aber es ist nicht so, dass bei den Jesus Freaks das Abendmahl mit Chips und Bier und gefeiert wird. Wir sind eher wie ein großer Hauskreis.
Das heißt, Glaube spielt schon eine große Rolle in deinem Leben?
Sahm: Definitiv. Wir versuchen das aber nicht mit dem Label zu vermischen. Obwohl alle Mitarbeitenden, also Ann-Kathrin, Pauline und ich auch christlich sind. Die Werte möchten wir ganz klar implementieren. Wir wollen aber nicht, dass jemand bei uns in den Laden kommt und direkt mit der Jesus-Keule umgehauen wird. Man merkt das vielleicht eher in dem, was wir sagen und wie wir agieren. Deswegen sind wir jetzt nicht direkt eine christliche Marke, sondern eher Christen, die dahinterstehen.
Unterstützt dich dein Glaube in den Dingen, die du tust?
Sahm: Absolut, gerade in dem Sektor, der sehr herausfordernd sein kann. Gerade an Tagen an denen man denkt: "Wieso mach ich das eigentlich noch?" Da ist es einfach gut, Ermutigung zu erfahren - sei es im Gebet, aber auch im Gespräch mit anderen Leuten. Der Glaube spielt dann doch eine zentrale Rolle am Ende.
Was wünschst du dir für deine Projekte in der Zukunft?
Sahm: Ich wünsche mir, dass wir weiterhin so viel Glück, Freude und Spaß an den Spendenprojekten haben, dass wir immer wieder tolle Menschen kennenlernen. Wir hoffen, viele Leute erreichen zu können, die sich dann über das Thema fairer Handel Gedanken machen. Bei den Schuhen, die ich trage, bei dem Shirt, das ich trage, bei dem, was ich sonst konsumiere, was ich esse, zu überlegen, welche Menschen dahinterstehen und auf sie zu achten, sie zu würdigen und ihnen mit Respekt zu begegnen.
Interview: Leonie Mihm