Aufnahmesituation
© epd/Antje Arlt
Das Lied "Ich lebe gerne hier" ist bei Spotify & Co. verfügbar - und dank leichtem Refrain gut mitzusingen.
Song von Menschen mit Behinderung
"Meine Bude, Höhle, mein Zimmer, mein Quartier"
In einem Popsong singen Bewohner der Lebenshilfe Wohnstätten Mainfranken darüber, wie wichtig für erwachsene Menschen mit Behinderung die eigenen vier Wände sind. Das Lied ist in Streaming-Diensten verfügbar - und dank leichtem Refrain gut mitzusingen.

Aus jeder Silbe und jedem Ton hört man die Lebensfreude: "Es ist meine Bude, meine Höhle, mein Zimmer, mein Quartier, meine Wohnung, meine Stadt, ich lebe gerne hier", schallt es aus den Boxen. Seit einigen Tagen kann man "Ich lebe gerne hier" bei bekannten Streaming-Diensten hören. Aufgenommen hat den Song aber kein Pop- oder Rockmusiker und auch kein Schlagersänger, sondern ein Chor aus 16 Bewohner:innen der Lebenshilfe Wohnstätten Mainfranken, einer Einrichtung für erwachsene Menschen mit Behinderung.

Antje Arlt arbeitet in der sogenannten Wohnberatungsstelle der Lebenshilfe Wohnstätten. Zu ihren Aufgaben gehört es, bei Gruppenabenden in die Wohnheime und Wohngemeinschaften zu gehen - oder auch die allein in einer eigenen Wohnung lebenden Klienten zu besuchen. "Die zeigen mir in der Regel voller Stolz ihre Zimmer und erzählen mir von den tollen Erlebnissen ihres Alltags", sagt Arlt: "Meine Kollegen und ich haben einfach mal zugehört, was die Menschen an ihrem Zuhause toll finden." Daraus ist nun ein eigener Song geworden.

Die vielen unterschiedlichen und oft aber auch recht ähnlichen Antworten hat sie mit drei musikbegeisterten Kolleg:innen zu einem Text zusammengefasst - und Musik dazu geschrieben. Es geht dabei um die selbst ausgesuchten Möbel, die Geheimverstecke für getragene Socken, das TV-Programm, die aus dem WG-Kühlschrank gemopste Milch oder auch das Plakat des Lieblings-Fußballvereins an der Wand. Außerdem natürlich auch darum, dass es in Wohnheimen und WGs auch mal krachen kann.

In einem Popsong besingen Bewohner der Lebenshilfe Wohnstätten in Unterfranken, wie wichtig für erwachsene Menschen mit Behinderung die eigenen vier Wände sind.

"Musik ist für viele Menschen mit einer Behinderung etwas Wichtiges", sagt Arlt. In den Wohnheimen, WGs oder auch in den ganz eigenen vier Wänden werde viel Musik gehört, gemacht und gesungen - die Bandbreite ist dabei enorm: "Von Iron Maiden bis Kastelruther Spatzen ist alles dabei", erläutert Arlt. Der Song der "LHW Allstars", wie sich die Gruppe bei Spotify oder Apple Music mit ihrem Erstlingswerk nennt, ist geschmeidiger Mitsing-Pop geworden, mit ein bisschen Ethno-Einflüssen dank Flöte, Tuba und Co. im Instrumentarium.

Wichtig war Antje Arlt (Wohnberatungsstelle der Lebenshilfe Wohnstätten und ihren Mitstreitern), dass möglichst jede:r, die/der möchte, sich an der Entstehung des Songs und bei seiner Aufführung beteiligen kann.

Wichtig war Antje Arlt und ihren Mitstreitern, dass möglichst jeder, der möchte, sich an der Entstehung des Songs und bei seiner Aufführung beteiligen kann - inklusiv eben. "Daher haben wir uns auch für einen Refrain mit wenig Text und viel 'La la la la' entschieden, damit keiner erst Textzeilen büffeln muss", erläutert sie. Den Text der Strophen singt Wohnstätten-Kollegin Rebecca King, die Trommelgruppe der Waldorfschule Würzburg hat für den Rhythmus gesorgt. Außerdem gibt es mehrere Musiker mit Behinderung, die mitgespielt haben.

Zentral für das Stück ist aber der Chor aus 16 Bewohner:innen, die den Refrain mit enormer Leidenschaft in Richtung Mikrofone geschmettert haben. "Ich mache viele Kunst- und Kultur-Projekte bei uns im Haus - aber dieser Song ist etwas Besonderes", sagt Arlt. Er habe schnell eine "Eigendynamik" entwickelt, inzwischen wird er in vielen Lebenshilfe-Einrichtungen in Würzburg rauf und runter gehört und laut gesungen: "Und zwar von Jung bis Alt, wie schon im Chor!" Die Sänger auf der Aufnahme sind 20 bis 65 Jahre alt.

Warum gerade die eigenen vier Wände zum Song-Thema geworden sind? "Weil das für erwachsene Menschen mit einer Behinderung nach wie vor keine Selbstverständlichkeit ist", sagt Arlt. Gäbe es die Wohnheime, WGs und das ambulant betreute Wohnen in ganz eigenen Appartements nicht, vielen ihrer Klienten bliebe nur, bis ins eigene Rentenalter bei den noch höher betagten Eltern wohnen zu bleiben.