Wenn der frühere Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch am 9. August seinen 85. Geburtstag feiert, werden die Würdigungen wohl nüchterner ausfallen als noch vor fünf Jahren zum 80. Geburtstag. Zu schwer wiegen die Vorwürfe, er habe bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche nicht genügend getan. Mittlerweile lebt der Theologe zurückgezogen in Mannheim, in einer Einrichtung des Betreuten Wohnens.
Zollitsch wurde am 9. August 1938 in Filipo, im heutigen Serbien, geboren. Schon als Kind war der Donauschwabe mit den Grausamkeiten des Zweiten Weltkriegs konfrontiert. Als Sechsjähriger musste er mit ansehen, wie sein 16-jähriger Bruder und über 200 weitere Bewohner seines Dorfes im heutigen Serbien 1944 von Tito-Partisanen hingemetzelt wurden. "Damals habe ich mich gefragt: 'Wo ist Gott?'", sagte er einmal. Doch er habe im Laufe seines Lebens immer wieder Gottes Nähe spüren können.
Nach der Flucht kam die Familie 1946 nach Baden. Zollitsch studierte Theologie in Freiburg und München und erhielt 1965 die Priesterweihe. 1974 promovierte er. Anschließend leitete er das Freiburger Priesterseminar, das Collegium Borromaeum, und war 20 Jahre als Personalreferent tätig.
Mit 64 Jahren wurde Zollitsch überraschend 2003 Oberhirte des Erzbistums Freiburg. 2008 wählten die katholischen deutschen Bischöfe den damals 69-Jährigen zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz. Dieses Amt hatte er bis 2014 inne. In seiner Amtszeit wurden zahlreiche sexuelle Übergriffe katholischer Geistlicher bekannt. Seit 2010 werden immer mehr Fälle öffentlich, die aufgearbeitet werden müssen, auch im Erzbistum Freiburg.
Vorwurf der "massiven Vertuschung"
Für sein Fehlverhalten im Umgang mit sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche hatte sich der Alterzbischof vergangenen Herbst öffentlich entschuldigt und um Verzeihung gebeten. Dieses Schuldeingeständnis kritisierten Betroffene aber als nicht ausreichend und unglaubwürdig. Ein im April erschienener Missbrauchsbericht des Erzbistums Freiburg wirft Zollitsch eine "massive Vertuschung" und "Ignoranz geltenden Kirchenrechts" beim Umgang mit sexualisierter Gewalt vor. Er habe Priester und Kirche über das Wohl der betroffenen Kinder gestellt. Zollitsch äußerte sich dazu nicht, gab allerdings zahlreiche Ehrungen zurück, wie etwa das Bundesverdienstkreuz. Zudem will er auch auf eine Beisetzung im Freiburger Münster verzichten.
Außerdem gingen mehrere Anzeigen bei der Staatsanwaltschaft Freiburg ein. Ein Ermittlungsverfahren gegen den Theologen werde es jedoch nicht geben, teilte die Behörde Ende Juli mit. Es gebe keine Anhaltspunkte für "nicht verfolgte und noch verfolgbare Straftaten", hieß es zur Begründung.
Impulsgeber für die Ökumene
Anerkannt wird das Wirken des katholischen Geistlichen als Impulsgeber für die Ökumene, dem Zusammenleben der Konfessionen und Religionen sowie der wissenschaftlichen Theologie. Seine Weggefährten, wie der Münchner Kardinal Reinhard Marx, beschreiben Zollitschs lebensfrohe Art, seine spürbare Spiritualität und Fürsorge für andere sowie sein theologisches Denken.
Er selbst bezeichnete sich als "im guten Sinne konservativ". 2008 überraschten seine vergleichsweise liberalen Aussagen, etwa zum Zölibat. Damals erklärte er in einem Interview, dass es bei diesem Thema keine Denkverbote geben sollte. Die Verbindung zwischen Priestertum und Ehelosigkeit sei "theologisch nicht notwendig".
Für Aufregung sorgten auch die 2013 veröffentlichten Seelsorgeleitlinien seiner Freiburger Erzdiözese zur Begleitung wiederverheirateter Geschiedener. Damals erklärte Zollitsch, dass die Kirche eine Antwort darauf geben müsse, dass 30 bis 40 Prozent der Ehen scheiterten und die Partner neue Verbindungen eingingen. In seine Amtszeit fiel auch der Deutschland-Besuch von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2011.
In Erinnerung wird aber vor allem der Missbrauchsskandal bleiben, der seine Amtszeit prägte. Dies führte zu einer großen Vertrauenskrise in der katholischen Kirche und einer beispiellosen Austrittswelle, die bis heute anhalten.