38 Jahre lang war "Kirche unterwegs" eng mit dem Namen Manfred Zoll verbunden. Die Leitungsverantwortung, die er seit 1999 innehatte, hat der Diakon nun an Friedemann Heinritz übergeben, der als langjähriger Mitarbeiter seine Leidenschaft teilt, kleine und große Menschen auf kreative Weise mit dem Evangelium zu erreichen - sei es auf Campingplätzen, bei innovativen Projekten in Kirchengemeinden oder anderswo.
Zoll wird am 7. Oktober 2023 in einem Gottesdienst und anschließendem Festakt in der Evangelischen Missionsschule Unterweissach in den Ruhestand verabschiedet. Doch noch ist er mit Freude und frischen Ideen mittendrin. Mit seiner Kollegin Marlene Gruhler, der er die Leitung der Campingarbeit in Gohren übergeben wird, gestaltet er dort noch einen Sommereinsatz - erstmals mit einer Waldkinderbibelwoche als Ferienprogramm. Nachahmen ist erwünscht - das Format steht bereits als neueste von etwa 35 KibiWo-Arbeitshilfen zur Verfügung, mit denen deutschlandweit und sogar im Ausland jährlich etwa 2000 Gemeinden Projekte durchführen.
Dass die in Württemberg 1955 gegründete "Kirche unterwegs" in bewährter Weise besteht und Neues gestaltet, ist keineswegs selbstverständlich. Mehrere Landeskirchen haben den Arbeitsbereich aufgegeben, zuletzt meldete Hannover, dass die kirchlichen Angebote für Camper dort größtenteils vor dem Aus stünden. "Man braucht Ressourcen, um etwas weiterzuentwickeln und um Ehrenamtliche zu gewinnen, zu begleiten und zu vernetzen", weiß Manfred Zoll.
4 Haupt- und 150 Ehrenamtliche
Vier hauptamtliche Stellen hat die "Kirche unterwegs", die als Verein mit Sitz in Weissach im Tal in der Bahnauer Bruderschaft verwurzelt ist und von Anfang an von der Landeskirche unterstützt wurde. Etwa 150 Ehrenamtliche gestalten die Arbeit auf sechs Campingplätzen für jeweils vier Wochen mit. In Gohren, dem größten Campingplatz am Bodensee, für acht Wochen.
Pro Jahr werden nach Zolls Schätzung etwa 10.000 Leute erreicht. "Als freies Werk kann man leichter auf gesellschaftliche Entwicklungen eingehen, inhaltlich und wirtschaftlich durch kurze Dienstwege dynamischer agieren", beschreibt der scheidende Leiter die Vorteile der württembergischen Struktur.
Früher schickten Eltern ihre Kinder, heute kommen sie dazu
Singen, biblische Geschichte auch als Bibeltheater, Basteln und Spielen - die klassische Form des Programms auf den Campingplätzen sei im Prinzip unverändert geblieben, erklärt Manfred Zoll. Während in den 1990er-Jahren Eltern ihre Kinder aber noch zu dem Angebot geschickt hätten, kämen sie jetzt mit ihnen zusammen. Die inzwischen weitgehend berufstätigen Mütter und Väter hätten im Urlaub vermehrt den Wunsch nach Familienzeit. "Das Kinderprogramm ist für Eltern durchaus attraktiv; die elementare Verkündigung kommt bei ihnen prima an", beobachtet Zoll.
Die Herausforderung für Mitarbeitende sei, biblische Inhalte so aufzubereiten, dass Kinder und Erwachsene spüren, dass sie als Person darin vorkämen. Hilfreich sei auch ein Setting - Open Air oder offenes Zelt - , in dem man einfach mal "kommen, gucken und hören kann" und bei Bedarf auch ohne Gesichtsverlust wieder gehen könne.
"Dichte christliche Inhalte können Menschen faszinieren, wenn das Setting stimmt", ist die Erfahrung von Manfred Zoll. Die hat er auch mit dem in der Coronazeit entwickelten Veranstaltungsformat "Abendstimmung am See" in Gohren gemacht, wo in der Hauptsaison 5.000 bis 6.000 Urlauber:innen campen. Musik und Poetry, dazu die hereinbrechende Nacht am Ufer, die gegenüberliegenden Lichter, LED-Strahler, die die Bäume bestrahlen - all das habe Menschen aller Generationen angezogen.
"Eine besondere Herausforderung hatten wir in Bad Liebenzell, als wir kurzfristig erfuhren, dass über 90 Prozent der Camper Holländer seien. Wir haben dann ein ‚Open Tipi‘ angeboten, ein von 15.30 bis 22 Uhr geöffnetes Zelt, das neben klassischen Programmpunkten viel Raum für Begegnung lässt." Um die Sprachbarrieren bei der Verkündigung gering zu halten, stellte Zoll das Vaterunser anhand von Zirkusgegenständen dar. "Toll, dass Kirche sowas macht", so die Reaktion der Besucher.
Laut Zoll liegt aktuell eine Chance darin, weniger Programm und mehr Begegnungsräume zu bieten, ohne inhaltsleer zu werden. "Kirche auf dem Dorfplatz hätte Zukunft", so seine Einschätzung.