offene Kirchentür
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"Das Entscheidende ist, dass da, wo sich Menschen in Jesu Namen versammeln und sich von seiner Botschaft begeistern lassen, Kirche und Gemeinde ist", sagt der scheidende Oberkirchenrat Hans-Peter Hübner.
Prognose für Landeskirche Bayern
Kirchenjurist: Mitgliederzahl halbiert sich bis 2050
Der scheidende Oberkirchenrat Hans-Peter Hübner (63) erwartet in etwa eine Halbierung der heutigen Mitgliederzahlen der bayerischen Landeskirche auf etwa 1,1 Millionen Evangelische im Jahr 2050. Ihm sei angesichts dieser Entwicklungen aber nicht bang, sagte der Leiter der Abteilung "Gemeinden und Kirchensteuer" und Verfassungsrecht im Münchner Landeskirchenamt, der Ende August in den Ruhestand geht.

Der bereits in den Ruhestand verabschiedete Oberkirchenrat ist noch bis Ende August der Leiter der Abteilung "Gemeinden und Kirchensteuer" und Verfassungsrecht im Münchner Landeskirchenamt im Dienst. Ein Interview mit dem Evangelischen Pressedienst über die Situation der Landeskirche Bayern.

epd: Sie sind seit rund dreieinhalb Jahrzehnten im kirchlichen Dienst, meist bei der bayerischen Landeskirche, zwischendurch aber auch in Württemberg und Mitteldeutschland. Wieso sind Sie 2007 wieder zurück nach München? 

Hans-Peter Hübner: Eigentlich war ich nie richtig weg. Sowohl in meiner Stuttgarter, als auch in meiner Thüringer Zeit hatte ich immer auch einen Wohnsitz in München. Letztlich waren es vor allem persönliche Gründe, wieder nach München zurückzukehren. Ich arbeite gerne bei der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB), aber es ist auch nicht so, dass sie für einen Kirchenjuristen besondere Vorzüge vor anderen Landeskirchen hätte.

Was mir aber wichtig ist zu sagen: Ich möchte meine beiden "Auslandsstationen" unter keinen Umständen missen! Ich habe an beiden Orten viel gelernt. Die Württemberger waren vor 22 Jahren in Wirtschaftsdingen viel weiter als die ELKB, in Mitteldeutschland habe ich gelernt, wie eine kleiner werdende Kirche funktionieren kann und wie man sie dafür strukturell neu aufsetzen muss, um auch in der Fläche weiter präsent zu bleiben.

Was werden Sie an ihrer Arbeit als Oberkirchenrat und Abteilungsleiter besonders vermissen? Die vielen Sitzungen sind es, haben Sie ja schon angedeutet, wohl eher nicht …

Hübner: Die gehören unbedingt auch dazu. Aber nein, das wird mir nicht so fehlen. Ich kann jetzt aber auch keinen einzelnen Bereich herauspicken, der mir besonders fehlen wird - denn meine Abteilung ist ja sehr vielseitig. Als ich bei der ELKB vor dreieinhalb Jahrzehnten angefangen habe, habe ich zunächst fast ausschließlich Rechtsthemen bearbeitet. Als Abteilungsleiter aber durfte ich mich auch mit dem innerkirchlichen Finanzausgleich befassen, hatte Bauthemen, Fragen der IT-Ausstattung, Kunst und so weiter. Neulich habe ich sogar eine Kunstausstellung mit eröffnen dürfen.

Und am Ende sind auch immer wieder wissenschaftlich spannende Dinge entstanden - Buchprojekte etwa zu Kirchenbauten, Pfarrhäusern oder evangelischen Friedhöfen in Bayern. Das hat Spaß gemacht!

Oberkirchenrat Hans-Peter Hübner von der Evangelischen Landeskirche Bayern - bald im Ruhestand.

Wie ist das, wenn man zwar als überzeugter evangelischer Christ, aber dann doch als Jurist im Landeskirchenrat und Landeskirchenamt vornehmlich mit Theologen zusammenarbeitet?

Hübner: Ich würde sagen: Es braucht gegenseitiges Verständnis für die unterschiedlichen Sichtweisen. Ich denke, mir hat geholfen, dass ich im Nebenfach auch Theologie studiert habe und viel ehrenamtlich in meinen Gemeinden mitgearbeitet habe. Grundsätzlich sind Juristen und Theologen aber auch nicht so verschieden: Beide haben Methoden, Texte auszulegen - Theologen eben biblische und Juristen eben Rechtstexte. Ich fand dieses Zusammenwirken sehr inspirierend.

An den theologisch-pädagogischen Berufsgruppen schätze ich den Bildungshorizont, die oft gegebene hohe Musikalität und Kreativität. Wobei letzteres natürlich auch mal schwierig wird. Theologinnen und Theologen entwickeln gerne Visionen und Konzepte und dann kommen wir als Juristen mit dem "emotionsreduzierten Blick" und versuchen das Ganze in der Realität anzudocken …

Sie haben in Ihrer Dienstzeit viele Reformprozesse in der Landeskirche mit begleitet, vieles trägt auch Ihre Handschrift: Was glauben Sie, wo steht die ELKB im Jahr 2050?

Hübner: Das ist wirklich eine lange Perspektive - die Strategieüberlegungen in der Landeskirche reichen im Moment bis zum Jahr 2035. Aber trotzdem will ich eine Antwort versuchen: Ich gehe davon aus, dass sich bis 2050 die Zahl der evangelischen Kirchenmitglieder in Bayern in etwa halbiert auf dann 1,1 Millionen. Das wäre übrigens die Mitgliederzahl, die die Mitteldeutsche Kirche hatte, als ich dort gearbeitet habe. Das zeigt, dass man auch mit weniger Mitgliedern Kirche und Gemeinde sein kann.

"Dazu gehört auch, dass nicht mehr in jeder Kirchengemeinde alles angeboten werden kann."

Das setzt allerdings die Bereitschaft voraus, dass man den Struktur-, Finanz- und Gebäudeaufwand reduziert. Dafür gibt es bei uns in Bayern schon klare Konzepte. Dazu gehört auch, dass nicht mehr in jeder Kirchengemeinde alles angeboten werden kann. Es wird Spezialisierungen und noch mehr Zusammenarbeit in den verschiedenen Regionen geben müssen.

Das klingt so, als wäre Ihnen bei diesem Gedanken - anders als so manch anderem in Kirche und vor allem auch Kirchenleitung - gar nicht so bang ...?

Hübner: Ich will es mal mit dem letzten Satz des Matthäus-Evangeliums beantworten: "Ich bin bei euch - alle Tage bis zum Ende der Welt." Das ist eine derart kraftvolle Zusage, dass man im Vertrauen darauf auch von liebgewonnenen, aber nicht mehr haltbaren Struktur Abschied nehmen kann. Im Neuen Testament steht doch nirgends, dass Christinnen und Christen immer in der Mehrheit oder immer eine gesellschaftlich relevante Größe sein werden.

Das Entscheidende ist, dass da, wo sich Menschen in Jesu Namen versammeln und sich von seiner Botschaft begeistern lassen, Kirche und Gemeinde ist. Man muss doch nur in die Welt schauen: Das bundesdeutsche System, wie Kirchen organisiert sind, ist ja jetzt nicht gerade das weltweit übliche.

Sie bleiben im Ruhestand weiter Honorarprofessor. Warum ist Ihnen die juristische Ausbildung des theologischen Nachwuchses so wichtig? Um die künftigen Pfarrerinnen und Pfarrer zu "erden"?

Hübner: Natürlich ist es wichtig, dem theologischen Nachwuchs auch die rechtlichen Rahmenbedingungen nahezubringen, wie unsere Kirche funktioniert und gesamtgesellschaftlich verortet ist. Aber, und das ist der viel wichtigere Punkt, vor allem geht es um die Rückkopplung. Da sitzen junge Menschen mit einem - noch - unverstellten Blick, die teilweise bereits erste praktische Erfahrungen in den Gemeinden gemacht haben. Und die sagen einem dann ganz direkt, wenn sie irgendwelche Rechtsvorschriften oder Vorgehensweisen für unsinnig oder auch nicht praktikabel halten.

Da gab es schon den ein oder anderen Punkt, den ich in der Vergangenheit aus meiner Tätigkeit als Dozent und Honorarprofessor mit ins Büro genommen habe. Wenn ich das nun weiterhin mache, ist das auch ein Ansporn für mich selbst, mich weiter über die Rechtsentwicklung im kirchlichen und staatlichen Bereich auf dem Laufenden zu halten.

Wie halten Sie es als gebürtiger Nürnberger im Ruhestand: Bleiben, wo man ist, oder zurückkehren zu den eigenen geografischen Wurzeln?

Hübner: Leider ist es ja so: Wenn man einen Leitungsjob hat, ist die Zeit für Freizeitangebote relativ begrenzt. Das heißt, dass ich das vielfältige kulturelle Leben in München oder auch die Nähe zu den Seen und Bergen nur sehr bedingt auskosten konnte. Das möchte ich jetzt nachholen. Mittelfristig werde ich aber meine Zelte in München abbrechen. Zwei Standorte, zwischen denen ich pendeln werde, wird es aber weiterhin geben: Zum einen natürlich in meiner Heimat Franken, zum anderen einen im Oberallgäu.