Das Ziel, den weltweiten Hunger bis 2030 zu besiegen, scheint kaum mehr zu erreichen. Rund 735 Millionen Menschen haben laut den Vereinten Nationen im vergangenen Jahr Hunger leiden müssen. Damit hungerten 122 Millionen Menschen mehr als vor der Corona-Pandemie, heißt es im UN-Welternährungsbericht, der am Mittwoch in Genf veröffentlicht wurde.
Zuletzt habe die Zahl der Hungernden zwar stagniert und sei im Vergleich zu 2021 sogar etwas zurückgegangen, dieser bescheidene Fortschritt werde aber von steigenden Lebensmittel- und Energiepreisen wieder untergraben.
"Die Weltgemeinschaft hat in der Agenda 2030 das Versprechen abgegeben, den Hunger und die Fehlernährung weltweit zu beenden. Bis dahin sind es gerade noch acht Ernten", sagte Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne).
Als Gründe für den Anstieg der Zahl der Hungernden nennen die UN die Pandemie, Extremwetter und Folgen der Klimakrise sowie bewaffnete Konflikte einschließlich des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Knapp 30 Prozent der Weltbevölkerung, nämlich 2,4 Milliarden Menschen, hatten dem Welternährungsbericht zufolge 2022 keinen steten Zugang zu Nahrungsmitteln.
Das Entwicklungsziel der Vereinten Nationen, den Hunger bis 2030 zu beenden, sei noch eine "gewaltige Herausforderung". Tatsächlich gingen Prognosen davon aus, dass 2030 noch immer fast 600 Millionen Menschen nicht genug zu essen haben werden.
Aktuell ist Afrika laut den UN-Zahlen die am stärksten betroffene Region: Jeder fünfte Mensch auf diesem Kontinent habe Hunger, mehr als doppelt so viele Menschen wie im weltweiten Durchschnitt. Fortschritte bei der Bewältigung des Hungers seien in Asien und Lateinamerika zu beobachten gewesen. UN-Generalsekretär António Guterres sprach von Lichtblicken. "Wir müssen die Widerstandsfähigkeit gegen die Krisen und Schocks stärken, die zu Ernährungsunsicherheit führen - von Konflikten bis zum Klima", sagte er.
Brot für die Welt warnt Entwicklungsetat zu kürzen
Die Präsidentin des evangelischen Hilfswerks "Brot für die Welt", Dagmar Pruin, warnte mit Blick auf die Zahlen vor den im Bundeshaushalt geplanten Kürzungen im Entwicklungsetat. Das sei falsch und sende "ein fatales Signal an die internationalen Partner Deutschlands", sagte Pruin in Berlin. Der für Ernährung zuständige Bundesminister Özdemir forderte: "Wir müssen weg vom kurzfristigen Krisenhopping, unsere Unterstützung muss langfristig wirken." Es brauche eine grundlegende Transformation der Agrar- und Ernährungssysteme.
In dem Bericht warnen die Fachleute auch vor den Folgen von Hunger und Mangelernährung für Kinder. So hätten im Jahr 2022 weltweit 148 Millionen Kinder unter fünf Jahren wegen Mangelernährung unter einer Wachstumsverzögerung gelitten. 45 Millionen Kinder seien akut mangelernährt gewesen. Zugleich waren den Angaben zufolge 37 Millionen Mädchen und Jungen übergewichtig.
Der Bericht "The State of Food Security and Nutrition in the World" stammt von der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO), dem Internationalen Fonds für landwirtschaftliche Entwicklung (IFAD), dem Kinderhilfswerk Unicef, dem WFP und der Weltgesundheitsorganisation (WHO).