In Deutschland werden beim Mähen der Wiesen für die Heuernte jährlich mehr als 100.000 Rehkitze getötet, so schätzt die Stiftung für Tierschutz. Durch den Einsatz von Wärmebilddrohnen können viele davor bewahrt werden.
Unter den Rehkitzrettern ist auch der Verein "Feld-Wald-Wiesen-Westpfalz". Dieser unterstütze seit 2021 in der Region Aktionen für den Artenschutz, darunter die Rehkitzrettung und Baumpflanzaktionen, sagt Felix Schellhaas aus Weilerbach im Landkreis Kaiserslautern. Gemeinsam mit seiner Freundin, der Vikarin Meredith Vossloh aus der Evangelischen Kirche der Pfalz, hat der 26-Jährige den Verein gegründet. Beide retten gemeinsam seit 2021 jährlich im Mai und Juni Rehkitze.
Felix Schellhaas ist der Drohnenpilot, die 25-jährige angehende Pfarrerin Meredith Vossloh holt die Kitze aus der Wiese und "parkt" sie unter einem Korb an sicherer Stelle, bis etwa drei Stunden später die Wiese abgemäht ist und die Rehkitze an ihren Platz zurückgesetzt werden. Durch Fiepen locken sie dann ihre Mütter an, die meist nach kurzer Zeit erscheinen und sie säugen.
An einem Dienstagmorgen um 5.30 Uhr stehen Schellhaas und Vossloh am Rand einer Wiese bei Weilerbach. Zunächst rufen sie im Tower der drei Kilometer entfernten US-Airbase Ramstein an und sagen Bescheid, dass nun die Rehkitzrettung beginnt.
Rettung, keine Spionage
"Vor einer Woche hatte ich morgens um sieben während der Rettung plötzlich Besuch von sieben Mitarbeitern der US-Militärpolizei, die das auf ihrem Radar gesehen haben, per Jeep kamen und wissen wollten, warum ich ohne ihre Genehmigung eine Drohne aufsteigen lasse", sagt Schellhaas. Er habe aufklären können, dass die Aktion der Rehkitzrettung und nicht der Spionage diene. Vor jedem Einsatz kündige man nun telefonisch mit Angabe der GPS-Koordinaten die Aktion an, erzählt Schellhaas. Der 26- jährige Sohn eines Landwirts absolvierte an der Uni Bonn seinen Bachelor in Umweltschutz.
Schellhaas lässt die Drohne aufsteigen und markiert auf seinem Bildschirm die Fläche, die das knapp 900 Gramm schwere Gerät in 35 Metern Höhe abfliegen und auf Wärmepunkte absuchen soll, die Kitze mit ihrer Körperwärme erzeugen. Schon ab acht Uhr wäre die Suche zu ungenau, weil dann die Sonne bereits Pflanzen und Boden erwärme, sagt er. Die Kitze erscheinen als leuchtend weiße Punkte auf der Wiesenfläche, die auf dem Bildschirm abgebildet ist.
Geduckt ins Gras
Schon bald meldet die Drohne den ersten weißen Fleck. Felix Schellhaas zoomt das Kitz mit der installierten Kamera heran. Meredith Vossloh läuft los und hat es bald im hohen Gras gefunden. Mit übergestreiften Handschuhen rupft sie etwas Gras und umfasst damit den Leib des Rehkitzes, das sie in den Korb legt.
"Auf keinen Fall soll es Menschengeruch bekommen, sonst nimmt die Ricke es nicht mehr an", erklärt Vossloh. Sie freut sich, dass das Kitz keine Anstalten macht wegzulaufen - und die Begegnung mit den Menschen stoisch hinnimmt. Kitze hätten eine sogenannte Drückhaltung: Sie duckten sich, bewegten sich nicht und hätten so gut wie keinen Eigengeruch, der Fressfeinde wie Füchse anziehen könnte.
Schellhaas, der mit drei weiteren Drohnenpiloten des Vereins Feld-Wald-Wiesen-Westpfalz auch für einige andere Bauern der Region im Einsatz ist, hat mit Vossloh und anderen Rehkitzrettern in dieser Saison bereits 40 Kitze aus Wiesen in Weilerbach und Umgebung geholt und nach dem Mähen wieder zurückgesetzt. Abgesprochen seien die Aktionen auch mit dem jeweiligen Jagdpächter. "Wenn der nicht zuvor gefragt wird und zustimmt, ist die Rehkitzentnahme rechtlich gesehen Wilderei", sagt Schellhaas.