Ortsschild von Sonneberg in Thüringen
© Martin Schutt/dpa
Im thüringischen Kreis Sonneberg hat sich der AfD-Kandidat bei der Landratswahl durchgesetzt.
AfD-Wahlsieg
Kirche fordert offenen Diskurs über AfD-Erfolg
Erstmals ist in Deutschland ein AfD-Politiker zum Landrat gewählt worden. Zentralratspräsident Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, sieht in dem Wahlergebnis einen "Dammbruch". Die evangelische Kirche fordert einen öffentlichen Diskurs anstelle von "Sonntagsreden und Schuldzuweisungen".

Die erstmalige Wahl eines AfD-Politikers auf einen Landratsposten in Deutschland hat eine Debatte über Konsequenzen ausgelöst. Zugleich macht sich Besorgnis breit, etwa bei Vertretern des Judentums.

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, nannte das Ergebnis der Stichwahl um das Landratsamt im thüringischen Sonneberg einen "Dammbruch". Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte im ZDF, die Sonneberger hätten für sich entschieden, "ein Signal an die ganze Republik zu senden, dass ihnen viele Dinge nicht gefallen".

Der Sprecher der Bundesregierung, Steffen Hebestreit, wollte das Ergebnis der Landratswahl nicht direkt kommentieren. Er betonte aber, Deutschland sei eine starke Demokratie. Sie sei geprägt von Werten wie Fairness, Toleranz, Anstand und Respekt. Diese Prägung gelte es zu pflegen und Meinungen sachlich auszudiskutieren. Zu spalten, eine Gruppe gegen die andere aufzubringen, "ist sicherlich kein Rezept, was dieses Land in eine gute Zukunft führen würde", sagte Hebestreit.

Der AfD-Politiker Robert Sesselmann hatte in der Stichwahl 52,8 Prozent der Stimmen erhalten, sein Gegenkandidat Jürgen Köpper von der CDU unterlag mit 47,2 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag mit 59,6 Prozent rund zehn Prozentpunkte höher als noch in der ersten Wahlrunde am 11. Juni.

Gegenbündnisse schwierig

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) zeigte sich bestürzt und gab der Union eine Mitschuld. Dem Berliner "Tagesspiegel" sagte die Thüringerin: "Wenn Teile der Union einen Kulturkampf ausrufen, muss man sich nicht wundern, wenn dieser Kampf von rechts angenommen wird." Der Präsident des Deutschen Landkreistages, Landrat Reinhard Sager (CDU) leitete aus dem Wahlergebnis einen "großen Ansporn" für alle anderen Parteien ab, "im politischen Wettstreit überzeugender zu sein".

Der Dresdner Politologe Hans Vorländer sieht in Parteienbündnissen gegen die AfD die Gefahr, dass die Parteien abseits der AfD inhaltlich nicht mehr zu unterscheiden seien. Die Front gegen die AfD werde von vielen Menschen als ein Bündnis von Blockparteien wahrgenommen, sagte er am 26.6. im Deutschlandfunk.

Bloße Aufregung reicht nicht

Der Publizistin Liane Bednarz zufolge könnte der AfD-Wahlsieg den Weg für weitere Wahlgewinne der Partei bahnen. "Die Wähler sehen nun, dass Stimmen für die AfD keine verlorenen Stimmen sind", sagte sie dem Evangelischen Pressedienst. Der Wahlsieg bei der Landratswahl sei auch ein Signal an Wähler, die mit der Partei sympathisierten, sie aber bislang nicht gewählt hätten, dass die vom Verfassungsschutz als Verdachtsfall für Rechtsextremismus eingestufte AfD eine reale Machtoption habe und zugleich noch salonfähiger geworden sei.

Insgesamt gelte für Politiker, aber auch für die Kirchen, dass die bloße Aufregung über die AfD und Hinweise auf die Einstufung durch den Verfassungsschutz nicht mehr bei den Menschen, die ihr gewogen sind, verfange, sagte Bednarz.

Die Evangelische Kirche in Mitteldeutschland (EKM) warnte vor "Sonntagsreden und Schuldzuweisungen". Stattdessen brauche es einen öffentlichen Diskurs, der von gegenseitiger Akzeptanz geprägt sei, sagte die Regionalbischöfin des Bischofssprengels Erfurt, Friederike Spengler dem Evangelischen Pressedienst (epd) in Erfurt. Eine offensive Auseinandersetzung mit der Thematik, der AfD und ihrer Wählerschaft fordert auch Pfarrer Christian Wolff in einem aktuellen Blogbeitrag.

Der Direktor der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, erklärte auf Twitter, nicht alle, die bei dieser Wahl für den AfD-Kandidaten Sesselmann gestimmt hätten, seien Rechtsextreme und Rassisten. Aber jeder AfD-Wähler habe "wissentlich für eine Partei gestimmt, zu deren Kern Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit gehören", schrieb der Historiker. Der Vorsitzende der jüdischen Landesgemeinde in Thüringen, Reinhard Schramm, sagte MDR Thüringen, ihn mache das Wahlergebnis "zutiefst traurig".