Vorsichtig zieht Ssenfuka Joanita Warry ein Poster von der Wand. "Wir haben einen Räumungsbescheid erhalten." Die 40-jährige Uganderin, die nicht leicht aus der Ruhe zu bringen ist, ist Geschäftsführerin der Lesben- und Frauenrechtsorganisation "Freedom and Roam Uganda" (Farug). "Wir waren 15 Jahre in diesem Gebäude. Jetzt hat uns unser Vermieter gekündigt, aus Angst vor dem neuen Gesetz."
Ende Mai setzte Präsident Yoweri Museveni ein drakonisches Anti-Homosexualitäts-Gesetz in Kraft, weltweit eines der schärfsten. Es sieht in bestimmten Fällen sogar die Todesstrafe vor. Kriminalisiert wird ebenfalls die "Förderung von Homosexualität". Gemeint ist damit jegliche Form der positiven oder aufklärenden Erwähnung, aber auch die Vermietung von Räumlichkeiten an LGBT-Personen oder -Organisationen oder deren Unterstützung ist strafbar. Es drohen 20 Jahre Haft für jene, die dessen für schuldig befunden werden. "Es ist logisch, dass die Menschen Angst haben", sagt Warry über die Mietkündigung.
Doch Aufgeben kommt für die Aktivistin mit dem freundlich zugewandten Auftreten nicht infrage. "Sie können uns für illegal erklären, aber wir werden nicht einfach verschwinden", sagt Warry entschieden über die queere Bewegung in Uganda. Seit der britischen Kolonialzeit werden Schwule, Lesben, bisexuelle und transidente Menschen in dem ostafrikanischen Land diskriminiert, bislang konnten gleichgeschlechtliche Handlungen mit bis zu 14 Jahren Haft bestraft werden. "Das Gesetz hat uns 20 Jahre zurückgeworfen", erklärt Warry. "Wir müssen jetzt wieder im Verborgenen arbeiten. So wie zu meinen Anfangszeiten als Aktivistin."
20 Jahre Haft für queeren Sex
Die gläubige Katholikin setzt sich schon seit ihrer Jugend für die queere Gemeinschaft in Uganda ein. "Als ich aufwuchs, kannte ich das Wort 'lesbisch' nicht", sagt Warry. "Bis ich etwa 14 Jahre alt war." Damals sei sie der freikirchlichen "Born Again"-Bewegung beigetreten und habe ein Buch über die Hölle bekommen. "Darin ging es um gleichgeschlechtliche Liebe - natürlich als Produkt der Hölle. So habe ich das erste Mal von Lesben gehört und verstanden, dass ich eine bin."
Die Höllenvision von damals wiederholt sich. Gerade religiöse Führer hätten in den vergangenen Monaten eine regelrechte Hetzkampagne gegen queere Menschen in Uganda eröffnet, sagt Warry. "Die anglikanische Kirche steht dabei an vorderster Front." Seit Jahren droht sie, die weltweite anglikanische Kirchengemeinschaft wegen des Streits um den Umgang mit Homosexualität zu verlassen.
Treiber sind christlich-fundamentalistische Gruppen aus den USA
Treiber der Hasskampagne seien vor allem christlich fundamentalistische Gruppen aus den USA, "die viel Geld in die Verbreitung von Homophobie in ganz Afrika stecken", bestätigt Warry die Aussagen anderer ugandischer Aktivistinnen und Aktivisten, die von Finanzierung aus dem Ausland berichten. Das ist nichts Neues. Auch der erste Versuch, die Todesstrafe gegen sexuelle Minderheiten einzuführen, ging auf das Agieren von US-Evangelikalen zurück. Der Abgeordnete David Bahati brachte 2009 ein entsprechendes Gesetz ein, das 2013 verabschiedet und danach vom Verfassungsgericht wegen Formfehlern gekippt wurde. Er gab selbst an, mit US-Freikirchen in Kontakt zu sein.
Besonders schmerze, wie Religion missbraucht werde, um Hass zu verbreiten, sagt Warry. Aus dieser Erfahrung heraus gründete sie die Gruppe "Faithful Catholic Souls" (etwa: Gläubige Katholische Seelen), die sich auch gezielt an Gläubige aus der LGBT-Gemeinschaft richtet. "Unser Ausschluss aus der Kirche nimmt uns nicht den Glauben." Heute träumt Warry davon, Ugandas erste lesbische Pastorin zu werden.
Während die anglikanische Kirche und der Oberste Rat der Muslime offen hetzten, hielt sich die katholische Kirche in Uganda zunächst zurück. Erst im Januar hatte Papst Franziskus dazu aufgerufen, Homosexualität nicht zu kriminalisieren. "Fakt ist aber auch, dass die katholische Kirche Teil des Interreligiösen Rates ist, der alle Religionen in Uganda zusammenbringt. Und dieser hat sich klar homophob ausgesprochen", erklärt Warry.
Nur einen Tag nach Verabschiedung des neuen Gesetzes reichten LGBT-Aktivistinnen und Aktivisten eine Petition ein, um gerichtlich dagegen vorgehen zu können. Auch viele Priester und Ordensfrauen seien mit dem Gesetz nicht einverstanden, betont Warry. Doch offen darüber sprechen könnten sie nicht. Was bleibt, ist die Hoffnung auf Unterstützung aus dem Ausland.