Krankenschwester Elisabeth (re.) und Krankenschwester Wendy in Westpapua
© epd-bild/Alexander Lang
Die großen digitalen Player sind auch bei indigenen Bevölkerungen in abgelegenen Winkeln der Welt angekommen, wie hier in Westpapua. Doch sie brauchen auch Schutzmaßnahmen.
Interview mit Sara Speicher
Digitale Gerechtigkeit geht uns alle an
Was in dem Begriff digitale Gerechtigkeit steckt, erklärt Sara Speicher vom Weltverband für christliche Kommunikation (WACC) im Interview. Sie ist überzeugt, dass alle Gerechtigkeitsthemen, an denen wir als Christ:innen auf der ganzen Welt arbeiten, auch online gelten.

Mission.de: Was bedeutet digitale Gerechtigkeit?

Sara Speicher: Alle Gerechtigkeitsthemen, für die wir uns in Gemeinschaften auf der ganzen Welt einsetzen – von der Überwindung von Gewalt und Armut bis hin zur Förderung von Gleichberechtigung und Bewahrung der Schöpfung – gelten auch für die digitale Welt. Digitale Werkzeuge können in unserer Gerechtigkeitsarbeit vor Ort zum Guten eingesetzt werden – um Menschen zu verbinden, Informationen auszutauschen und unsere Solidarität auf neue Weise zu erweitern. Aber sie verstärken auch die Gräben, die in unserer Welt immer noch bestehen – vom Zugang bis zu politischen Meinungen -, und viele der Auswirkungen des digitalen Wandels sind für uns als einzelne Nutzende nicht erkennbar. Daher ist es wichtig, über "digitale Gerechtigkeit" nachzudenken, damit wir informierte Nutzende und Fürsprecher:innen sein können.

Ist in der heutigen Welt noch eine klare Trennung zwischen digital und nicht-digital möglich?

Speicher: Es ist schwer vorstellbar, dass dies noch möglich ist. Und es gibt ein echtes Dilemma für Gemeinschaften, die noch keinen digitalen Zugang haben. Wie ein Vertreter einer indigenen Gemeinschaft in Lateinamerika sagte, können sie sich ohne digitalen Zugang nicht weiterentwickeln, aber ein digitaler Zugang ohne gewisse Schutzmaßnahmen würde ihre Lebensweise zerstören.

Was sind die Vorteile und Herausforderungen, wenn es um digitale Technologien und Kommunikation auf globaler Ebene geht?

Speicher: Es gibt sowohl eine Menge Chancen als auch Herausforderungen! Auf der einen Seite haben wir die Möglichkeit, uns besser zu vernetzen und Wissen auszutauschen als je zuvor. Auf der anderen Seite destabilisieren Fehlinformationen und Desinformationen die gesellschaftlichen Beziehungen in großem Ausmaß. Einzelpersonen und Gruppen haben mehr Macht, Meinungen auszutauschen und Missstände ans Licht zu bringen – und Einzelpersonen – insbesondere Frauen in Führungspositionen und öffentlichen Ämtern – sind Zielscheibe für üble Beschimpfungen im Internet. Und obwohl wir theoretisch Zugang zu viel mehr Quellen für Nachrichten und Perspektiven haben, leiden die klassischen Medien des öffentlichen Interesses katastrophal, während die Werbeeinnahmen nur an einige wenige große Technologieunternehmen gehen.

"Obwohl wir theoretisch Zugang zu viel mehr Quellen für Nachrichten und Perspektiven haben, leiden die klassischen Medien des öffentlichen Interesses katastrophal."

Warum kümmert sich der Weltverband für christliche Kommunikation (WACC) um digitale Gerechtigkeit?

Speicher: WACC ist eine Organisation und ein Netzwerk von Menschen, die glauben, dass Kommunikation ein Menschenrecht ist, das für nachhaltige Entwicklung und demokratische Teilhabe unerlässlich ist. Unabhängig von der Art der Kommunikation – von gedruckten Büchern bis hin zu sozialen Medien – sehen wir, wie einigen Menschen – insbesondere aus marginalisierten Bevölkerungsgruppen – der Zugang zu Informationen verwehrt wird, wie sie mit Fehlinformationen versorgt werden, wie sie zensiert werden und vieles mehr. In der digitalen Sphäre sehen wir, dass es bei Fragen der Gerechtigkeit nicht nur darum geht, einen Internetanschluss zu bekommen – es geht um Privatsphäre, Überwachung, Wohlstandskonzentration, Rechenschaftspflicht, Rassismus, Geschlechterungleichheit und sogar um Umweltfragen.

Warum sollte ich mich für digitale Gerechtigkeit interessieren?

Speicher: Wenn Ihnen die aktuelle Debatte über Künstliche Intelligenz irgendetwas sagt, dann, dass sich unsere Welt immer schneller in den digitalen Bereich verwandelt und dass dies Auswirkungen auf alle haben wird. Wir müssen online und offline aktiv sein, um die Welt zu fördern, die wir sehen wollen.

"Wir müssen online und offline aktiv sein, um die Welt zu fördern, die wir sehen wollen."

Und was können die Kirche und Christ:innen auf der ganzen Welt für eine gerechtere digitale Gesellschaft tun?

Speicher: Beginnen Sie damit, dass Sie sich besser über die Themen informieren! Es gibt kleine tägliche Schritte, die jede:r unternehmen kann und die wichtig sind, um unsere digitale Welt sicherer und gerechter zu machen. Auf dem Kirchentag in Nürnberg haben wir unser Quiz vorgestellt. Wir haben auch einen Studienleitfaden zur digitalen Gerechtigkeit, den kirchliche Gruppen nutzen können, um Möglichkeiten und Herausforderungen zu diskutieren und Maßnahmen zu ergreifen. Verbreiten Sie die Botschaft, dass alle Gerechtigkeitsthemen, an denen wir als Christ:innen auf der ganzen Welt arbeiten, auch online gelten.

evangelisch.de dankt der Evangelischen Mission Weltweit und mission.de für die inhaltliche Kooperation.