"'Paket mit mobiler und stationärer Infrastruktur' zum Beispiel steht für Stacheldraht und Zäune." Das sei gefährlich und könne den Diskurs nach rechts verschieben, warnte die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland.
Polemische Rhetorik gebe es in unterschiedlichen Zusammenhängen. "Wenn etwa im Blick auf Flüchtlinge von 'Sozialtourismus' gesprochen wird, ist das brandgefährlich", sagte die leitende Theologin der Evangelischen Kirche von Westfalen. CDU-Chef Friedrich Merz hatte vergangenes Jahr von einem "Sozialtourismus" von Flüchtlingen gesprochen, die angeblich zwischen Deutschland und der Ukraine pendelten. Später bat er um Entschuldigung, falls seine Wortwahl als verletzend empfunden worden sei.
"Sprache verrät viel und ist oft auch eine Vorstufe für Taten, wenn es nicht nur um einzelne Entgleisungen geht", mahnte Kurschus. Zugleich dürften keinesfalls alle, die sich kritisch zur Aufnahme von Flüchtlingen äußern, des Rechtspopulismus verdächtigt werden.
Als kirchliche Aufgabe sieht es Kurschus an, zur Aufklärung und Verständigung beizutragen, "zum Beispiel indem wir populistische Sprache und Falschinformationen aufdecken". Dazu brauche es Räume, in denen in guter Weise offen und kontrovers diskutiert werden könne. "Ich hoffe, dass beispielsweise der bevorstehende Kirchentag in Nürnberg dazu einen Beitrag leisten wird", sagte die EKD-Vorsitzende. Der Deutsche Evangelische Kirchentag verleihe traditionell unterschiedlichen Stimmen Gehör und ermögliche "inhaltlichen Streit im besten Sinne".
Angst der Menschen ist nachvollziehbar
In Teilen der Bevölkerung beobachtet die 60-jährige Theologin eine wachsende Fremdenfeindlichkeit. In den Kirchengemeinden und vielen Kommunen nehme sie zugleich eine große Bereitschaft wahr, Geflüchtete aufzunehmen und sie zu unterstützen. Nachvollziehbar findet Kurschus, dass Menschen in Deutschland Angst haben, abgehängt zu werden: "Sie befürchten, durch steigende Energie- und Lebenshaltungskosten in Armut zu geraten."
Manchen fehle das Verständnis dafür, dass Flüchtlinge aus der Ukraine und anderen Ländern nach Deutschland kommen und hier teilweise von den Sozialsystemen abhängig sind. "Diese Ängste dürfen aber nicht von der Politik instrumentalisiert oder gar geschürt werden und zu einem Nachteil für diejenigen führen, die jetzt dringend unsere Unterstützung brauchen", betonte Kurschus. Den Ängsten müsse mit Maßnahmen zur Bekämpfung der Armut, zum Beispiel durch die Kindergrundsicherung, begegnet werden.