In der Wiederholung aus dem Jahre 2020 erzählt Jörg Lühdorff (Buch und Regie) nach wahren Begebenheiten die Geschichte der Juristin Franziska Schlüter (Henny Reents), die beim Kölner Versicherungskonzern Aescuria beschäftigt ist. Ihre Aufgabe ist es zu verhindern, dass das Unternehmen berechtigte Forderungen erfüllen muss. Im Grunde ist die Masche ganz einfach: Ein Vorgang wird so lange verzögert, bis die Sache verjährt ist. Die wenigsten Kunden können sich eine Klage leisten, die meisten sind irgendwann ohnehin zermürbt.
Weil sich die Mehrheit des Publikums aber nicht gern mit skrupellosen menschenfeindlichen Zynikern identifiziert, vollzieht Franziska eine komplette Kehrtwende (auch das eine Parallele zu "Was wir wussten"), als sich ein betrogener Kunde das Leben nimmt. Sein Abschiedsgruß entspricht der Grußfloskel, der der Film seinen Titelzusatz verdankt: "Alles Gute für die Zukunft für Sie und Ihre Familie".
Da es nie zu spät ist, verblüfft Franziska ihren Chef und Mentor Ulf Buschmann (Steve Windolf) mit ihrer Kündigung. Fortan will sie sich als selbstständige Anwältin dem Kampf gegen die Windmühlen des deutschen Rechtssystems stellen: Aus unerfindlichen Gründen müssen Versicherungsnehmer vor Gericht beweisen, dass ihre Ansprüche gerechtfertigt sind; in einer besseren Welt müsste die Versicherung hieb- und stichfest begründen, warum sie nicht zahlen will. Der Film verdeutlicht dies am Beispiel eines Nachbarn der Schlüters: Robert Strelau (Simon Böer) hat bei einem Autounfall eine Verletzung des Rückenmarks erlitten und sitzt seither im Rollstuhl. Weil die Schädigung jedoch auch andere Ursachen haben könnte (etwa einen Tumor), hat Aescuria die Zahlung bislang verweigert.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Empörung ist zwar immer ein zuverlässiger Treibstoff für den Motor einer Handlung, aber keine Garantie, dass dieser Motor auch reibungslos läuft. Deshalb hat Lühdorff die Geschichte um allerlei Nebenfiguren bereichert. Die interessanteste ist Franziskas neuer Partner: Weil sie sich keine eigenen Räume leisten kann, bezieht sie ein Büro in der Kanzlei eines erfahrenen Strafrechtsanwalts. Franz Sachtler hat zwar ein Alkoholproblem, weshalb er auch mal wochenlang nicht zur Arbeit erscheint, entpuppt sich aber als väterlicher Ratgeber in der Not; eine Rolle wie geschaffen für Martin Brambach.
Ähnlich ungewöhnlich wie der Kollege ist die Ausstattung: Franziskas Vorgänger hat sein Büro mit allerlei ausgestopftem Getier dekoriert. Gegenentwurf zur düsteren Kanzlei mit ihren zwielichtigen Mandanten sind natürlich die Räumlichkeiten der Versicherung, in denen Steve Windolf mit einer Breitbeinigkeit agiert, als habe er sich durch die Investment-Banker in "The Wolf of Wall-Street" oder "Bad Banks" inspirieren lassen. Während sich Buschmann also wie ein "Master of the Universe" aufführt, ist die zuvor so selbstbewusste Juristin nach ihrer Kündigung bloß noch ein Schatten ihrer selbst.
Der Ex-Chef bedient sich der in solchen Fällen üblichen Drohgebärden (etwa eine Unterlassungsklage) und schaut der Auseinandersetzung ansonsten jedoch sehr entspannt entgegen: Er weiß, dass Franziska keinen vernünftigen Satz mehr über die Lippen bringt, wenn sie es mit mehr als zwei Zuhörern zu tun hat. Womöglich ist es der Anwältin, die als Vorbild für die Juristin gedient hat, einst ähnlich ergangen, aber in Lühdorffs Umsetzung wirkt Franziskas Suche nach Wörtern wie ein rein dramaturgischer Einfall, der die Figur nahbarer machen soll.
Dabei sind die Prozessszenen auch ohne diese zusätzliche Hürde spannend genug: Vor Gericht sieht es recht gut aus für die Strelaus, bis der Anwalt des Konzerns ein Ass aus dem Ärmel zieht, auf das Franziska nicht vorbereitet war; zum Glück hat auch sie noch nicht alle Karten auf den Tisch gelegt. Das Ende wirkt zwar wie ein typischer Filmschluss, wird aber umgehend von der lakonischen Mitteilung konterkariert, dass sich an der versicherungsfreundlichen Gesetzgebung bis heute nichts geändert hat.