Die Bundesregierung hat sich über die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts verständigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) erklärte am Freitag in Berlin, damit werde eines der wichtigsten Vorhaben der Ampel-Koalition umgesetzt. Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft sei "das stärkste Bekenntnis zu Deutschland", so Faeser. Die Türkische Gemeinde in Deutschland begrüßte die geplante Reform, die Union kritisierte sie.
Aktuell kann sich einbürgern lassen, wer seit acht Jahren in Deutschland lebt, ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht hat und eine Reihe weiterer Voraussetzungen erfüllt. Dazu gehören unter anderem Sprachkenntnisse, die selbstständige Sicherung des Lebensunterhalts und ein erfolgreich absolvierter Einbürgerungstest. Wer sogenannte besondere Integrationsleistungen vorweist, etwa ein besonders gutes Sprachniveau oder gute schulische oder berufliche Leistungen, kann sich nach sechs Jahren einbürgern lassen. Wer den deutschen Pass hat, hat dann alle Rechte eines deutschen Staatsbürgers, kann etwa auch den Bundestag wählen.
Künftig soll eine Einbürgerung nach fünf statt wie bisher nach acht Jahren möglich sein. Wer besonders gut integriert ist, soll nach drei Jahren Aufenthalt den deutschen Pass beantragen können. Zu den besonderen Integrationsleistungen zählen gute Sprachkenntnisse, besondere Leistungen im Job oder ehrenamtliches Engagement. Außerdem wird die Mehrstaatigkeit erlaubt. Faeser sagte, die Menschen würden "künftig nicht mehr gezwungen sein, einen Teil ihrer Identität aufzugeben".
Das deutsche Recht verlangt bislang, dass vor einer Einbürgerung in Deutschland die ursprüngliche Staatsbürgerschaft "grundsätzlich" aufgegeben werden muss. Dies gilt aber bereits jetzt in vielen Fällen nicht, etwa für EU-Bürger oder für Staaten, bei denen die Staatsbürgerschaft nicht aufgegeben werden kann. Das ist aktuell bei 25 Staaten der Fall, darunter Iran, Afghanistan und Syrien. Im vergangenen Jahr hat das Bundesinnenministerium zudem verfügt, auch bei ukrainischen Staatsangehörigen auf die Aufgabe des anderen Passes zu verzichten, weil wegen des Krieges dieser Verwaltungsakt faktisch nicht möglich ist. Die vielen Ausnahmen sorgen dafür, dass nach Angaben des Bundesinnenministeriums 2021 bei mehr als zwei Dritteln der Einbürgerungen (69 Prozent) die sogenannte Mehrstaatigkeit zugelassen wurde. Die Koalition will deshalb den Doppelpass künftig generell erlauben.
Gegenüber Faesers erstem Entwurf zur Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts gibt es einige Änderungen, etwa, dass menschenfeindliche, antisemitische oder rassistische Handlungen eine Einbürgerung verhindern. Darauf hatte vor allem die FDP gedrungen. Staatsanwaltschaften werden verpflichtet, den Einbürgerungsbehörden Informationen über die Motive für eine Straftat mitzuteilen. Damit werden auch Bagatellstrafen erfasst, wenn ein antisemitisches oder rassistisches Motiv vorliegt.
Das Innenministerium erklärte, der zwischen dem Innen- und dem Justizministerium sowie dem Kanzleramt abgestimmte Gesetzentwurf werde nun zur Abstimmung an die Bundesländer und die Verbände geschickt. Erst danach wird er vom Bundeskabinett beschlossen und geht dann in den Bundestag und Bundesrat.
Ausnahmen beim Einbürgerungsantrag
Interessentinnen und Interessenten für den deutschen Pass müssen wie bisher selbst für ihren Lebensunterhalt aufkommen können. Wer Bürgergeld bezieht, kann grundsätzlich nicht eingebürgert werden. Davon gibt es Ausnahmen: Wer seit knapp zwei Jahren in Vollzeit arbeitet, kann den Einbürgerungsantrag auch dann stellen, wenn er oder sie zusätzlich auf staatliche Leistungen angewiesen ist. Das gilt auch für Ehe- oder Lebenspartner und -partnerinnen und minderjährige Kinder.
Aus dem Justizministerium verlautete, die Rechtslage werde gleichwohl insgesamt strenger. Anders als bisher soll nämlich nicht mehr berücksichtigt werden, ob jemand unverschuldet in die Lage geraten ist, staatliche Leistungen beantragen zu müssen, etwa weil er oder sie trotz aller Bemühungen keine Arbeit findet oder beispielsweise kleine Kinder zu betreuen hat.
Die Lebensumstände und die Lebensleistung der sogenannten Gastarbeitergeneration in der Bundesrepublik und der Vertragsarbeiter in der DDR werden hingegen berücksichtigt. Ein unverschuldeter Verlust des Arbeitsplatzes etwa ist kein Hinderungsgrund für die Einbürgerung. Angehörige dieser Generation sollen künftig für den deutschen Pass auch nicht mehr den Einbürgerungstest und schriftliche Sprachtests absolvieren müssen, weil sie nicht die gleichen Integrationschancen hatten wie später ins Land gekommene Menschen. Schließlich sollen öffentliche Einbürgerungsfeiern zur Regel werden, um die Bedeutung des Vorgangs als Bekenntnis zu Deutschland zu unterstreichen.
Unterschiedliche Meinung zum Plan der Koalition
Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde (TGD), Gökay Sofuoglu, lobte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe die geplante doppelte Staatsbürgerschaft. Sie entspreche dem Lebensgefühl und der -realität vieler Menschen mit Migrationsgeschichte. Mit Blick auf den Ausschlussgrund antisemitischer oder rassistischer Handlungen warnte der TGD-Chef davor, die Überprüfung dürfe nicht zu "einem generellen Gesinnungstest" werden. Die Union warf der Ampel-Koalition erneut vor, ihr Gesetz breche mit dem bisherigen Recht. Die Reform führe zu einer "Entwertung der deutschen Staatsangehörigkeit", sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Bundestagsfraktion, Thorsten Frei den Funke-Zeitungen.
In Deutschland lassen sich viel weniger Menschen einbürgern, als es wahrscheinlich könnten: 2021 ließen sich nur 2,45 Prozent der seit mindestens zehn Jahren in Deutschland lebenden Ausländer einbürgern. Gleichzeitig erreichten die Einbürgerungen in dem Jahr laut Migrationsbericht der Bundesregierung einen Höchststand: 131.595 Menschen erhielten den deutschen Pass. Grund dafür ist eine hohe Anzahl von Einbürgerungen syrischer Flüchtlinge, die seit 2015 in großer Zahl nach Deutschland gekommen sind und 2021 beim Nachweis besonderer Integrationsleistungen erstmals von der Einbürgerung nach sechs Jahren Gebrauch machen konnten. Rund 19.000 Syrerinnen und Syrer wurden 2021 eingebürgert, 28 Prozent von ihnen bereits nach sechs Jahren. Vor allem ließen sich aber Menschen aus anderen europäischen Staaten - inklusive Türkei - einbürgern (rund 63.000).