"Sonst verlieren sich Eltern und Kinder"; und davon erzählt dieser Breisgauer "Tatort" mit dem passenden Titel "Das geheime Leben unserer Kinder". In der Vergangenheit haben Tobler und Berg (Eva Löbau, Hans-Jochen Wagner) von der Kripo Freiburg meist im Schwarzwald ermittelt. Der elfte Fall spielt dagegen in der Stadt, weil auch das Thema eher städtisch ist: Es geht um drei junge Leute, die mit wenig Aufwand rasch reich werden wollen. Dafür haben sie sich mit ziemlich zwielichtigen Typen eingelassen, und das geht im Krimi selten gut. Die drei sind wohlbehütet aufgewachsen; prompt fallen ihre Eltern aus allen Wolken, als ihnen klar wird, dass ihre Kinder zu Verbrechern geworden sind.
Drehbuchautorin Astrid Ströher und Regisseur Kai Wessel haben bereits bei "Saras Geständnis" (2022) zusammengearbeitet, einem freudlosen und eher enttäuschenden Freiburger "Tatort" über eine Frau, die zu Unrecht als Vatermörderin im Gefängnis war. Ihr neuer Film ist gerade auch dank der jungen Mitwirkenden von ganz anderer Qualität. Zu Beginn ist aus dem Trio allerdings bereits ein Duo geworden: Chris, der Dritte im Bunde, wird tot in einem Wehr entdeckt. Bei der Obduktion stellt sich raus, dass die klaffende Wunde am Hinterkopf nicht die Todesursache war.
Tilmann P. Gangloff, Diplom-Journalist und regelmäßiges Mitglied der Jury für den Grimme-Preis, schreibt freiberuflich unter anderem für das Portal evangelisch.de täglich TV-Tipps und setzt sich auch für "epd medien" mit dem Fernsehen auseinander. Auszeichnung: 2023 Bert-Donnepp-Preis - Deutscher Preis für Medienpublizistik (des Vereins der Freunde des Adolf-Grimme-Preises).
Der junge Mann, der seine Kfz-Lehre schon vor Monaten geschmissen hat, ist ertrunken; ein Detail, das in Krimis gern verwendet wird, um anzudeuten, dass selbst bei einem Unfall mutmaßlich auch Heimtücke im Spiel war. Es dauert nicht lange, bis Tobler und Berg bei den Eltern der beiden anderen, Benno (Aniol Kirberg) und Zoé (Caroline Cousin), vorstellig werden. Zoés Vater Paul (Christian Schmidt) ist der Lebensgefährte von Bennos Mutter Miriam (Susanne Bormann) und reagiert regelmäßig eifersüchtig auf die freundschaftlichen Gefühle, die sie nach wie vor für ihren Ex-Mann (Kai-Ivo Baulitz) hegt, was ihn nicht daran hindert, seinerseits eine Affäre zu pflegen.
Für die eigentliche Krimihandlung ist dieses Beziehungsgeflecht zunächst im Grunde unerheblich, aber natürlich machen sich die drei Elternteile große Sorgen, als das Kripoduo ihnen offenbart, dass ihre Kinder Drogen vertickt haben. Das vermeintlich leicht verdiente Geld wollten sie in eine neue Kryptowährung investieren, die astronomische Wertzuwächse verzeichnet. Weil sie aber natürlich keine erfahrenen Kriminellen, sondern bloß Amateure sind, ist irgendwas gründlich schiefgegangen, weshalb ihnen nun die Schergen ihres Auftraggebers auf den Fersen sind. Als Benno von den Gangstern entführt wird, kommt es zu einem dramatischen Finale mit unerwartet tragischem Ausgang.
Die optische Ebene (Kamera: Andreas Schäfauer) ist wie eigentlich immer in Wessels Werken auch diesmal vorzüglich; gerade die Schlussszenen sind beeindruckend gefilmt. Interessant ist auch der Einsatz des bereits mit der Titelgestaltung vorweggenommenen Stilmittels des geteilten Bildschirms.
Abgesehen von Telefongesprächen wird es gern verwendet, um eine Szene aus zwei verschiedenen Blickwinkeln zu zeigen, aber hier ersetzt es die Parallelmontage zweier gleichzeitig stattfindender Ereignisse. Das verleiht dem im Vergleich zu früheren Schwarzwald-Krimis ohnehin recht flott erzählten "Tatort" mehr Dynamik und ist auch dramaturgisch sinnvoll: So kann Grimme-Preisträger Wessel ("Leben wäre schön", 2004; "Zeit der Helden", 2014) auf einen Blick verdeutlichen, wie seine Figuren buchstäblich wie auch im übertragenen Sinn unterschiedliche Wege einschlagen.
Für Tobler und Berg gilt das ebenfalls, allerdings nicht aufgrund von Ermittlungsdifferenzen, denn die Kommissarin muss sich um ihre Nicht kümmern. Gleich zu Beginn bittet Teenager Vanessa (Lola Höller) ihre Tante um Asyl: Sie hat Krach mit den Eltern. Geschickt doppelt Autorin Ströher den Fall auf diese Weise in Toblers Privatleben: Vanessa will Influencerin werden, weil sich auch damit viel Geld einnehmen lässt; theoretisch zumindest. Um möglichst viele "Follower" zu bekommen, lässt sie sich auf allerlei waghalsige "Challenges" ein; kein Wunder, dass die sonst so besonnene Kommissarin ein bisschen ausrastet, als sie rausfindet, dass das Mädchen sein Leben riskiert. Trotzdem sorgt dieser Teil der Handlung für einige Heiterkeiten; ein ungewohntes, aber willkommenes Element im ansonsten stets dramatischen Breisgau-"Tatort".