Jeden Tag werden mehr Gräber ausgehoben, jeden Tag mehr Menschen exhumiert, die dem kenianischen Sektenführer Paul Mackenzie zum Opfer gefallen sind. Der selbst ernannte Prediger soll seine Anhänger davon überzeugt haben, dass die Wiederkehr Jesu bevorsteht und sie schneller in den Himmel kommen, wenn sie sich zu Tode fasten. Die Toten wurden auf Mackenzies Grundstück und im nahegelegenen Shakahola-Wald im Osten Kenias in improvisierten Gräbern verscharrt. Bis Donnerstagabend hatte die Polizei 109 Leichen geborgen, darunter viele Kinder. Präsident William Ruto sprach von Terrorismus-ähnlichen Akten.
Behördenversagen im Umgang mit Glaubensgemeinschaften
Der Fall zeugt aber auch von Behördenversagen im Umgang mit sogenannten Glaubensgemeinschaften. Bereits im März war Mackenzie der Polizei zufolge verhaftet worden, weil zwei seiner Anhänger ihre Kinder nach Anweisungen Mackenzies hatten verhungern lassen. Er kam gegen Kaution frei.
Mitte April dann bekam die Polizei Informationen über unmenschliche Vorgänge auf Mackenzies Grundstück. Sie fanden 15 extrem geschwächte Menschen, vier davon starben auf dem Weg ins Krankenhaus. An dem Tag gab es nach Informationen des britischen Senders BBC erste Hinweise auf Massengräber.
Mackenzie war den Behörden aber schon davor bekannt. Über viele Jahre betrieb der selbst ernannte Pastor die "Good News International Church" im Küstenort Malindi, mehrmals wurde er wegen falscher Lehren angezeigt, wegen mangelnder Beweise allerdings nicht verurteilt. 2017 nahmen ihn die Behörden fest, weil er Schülerinnen und Schüler davon überzeugt hatte, dass Schulbildung "ungöttlich" sei und sie stattdessen seinen Lehren folgen sollten. Aber auch damals wurde er freigelassen.
Kirchen sind in Kenia nicht reguliert, jeder kann eine Glaubensgemeinschaft gründen. Etwa 4.000 Kirchen sind offiziell registriert. Ein Teil davon erreicht mit Prophezeiungen vom baldigen Ende der Welt und Versprechungen über ein besseres Leben nach dem Tod den unbedingten Gehorsam der Anhängerinnen und Anhänger. So finanzieren oftmals sehr arme Menschen den überbordenden Lebensstil selbst ernannter Pastoren.
Besseres Leben nach dem Tod versprochen
2019 schloss Mackenzie seine Kirche, verkaufte den angeschlossenen Fernsehsender, über den er seine Predigten verbreitet hatte, und ließ sich in dem Dorf Shakahola nieder. Ein Teil seiner Anhängerschaft folgte ihm. Offiziell betrieb er dort keine Kirche mehr. Wie es scheint, aber wohl einen sektenähnlichen Kult.
Die kenianische Zeitung "The Standard" berichtet vom Schicksal einer jungen Flugbegleiterin, die ihre Arbeit kündigte, ihren Besitz verkaufte und vor wenigen Wochen ihren Eltern zu Mackenzie folgte. Ihr Geld gab sie demnach dem Sektenführer. Sie soll eines der Opfer sein, die bereits aus den Gräbern rund um Mackenzies Haus und im nahegelegen Wald geborgen wurden.
Präsident Ruto rief die Sicherheitskräfte auf, im Umfeld von Religionsgemeinschaften nach Menschen zu ermitteln, die sich als religiöse Anführer maskierten und genau das Gegenteil von dem täten, was Religionen lehren. Was in Shakahola zu sehen sei, sei vergleichbar mit Terrorismus. "Terroristen benutzen Religion, um ihre ruchlosen Taten umzusetzen. Menschen wie Mackenzie benutzen die Religion, um genau das zu tun", sagte er am Montag auf einer Parade von Gefängniswärtern.
Noch wurde keine Anklage gegen den selbst ernannten Prediger erhoben. Die Polizei sucht weiter nach Opfern und Beweisen. Zugleich wurde ein weiterer Pastor an der Küste verhaftet. Auch er soll für den Tod von Gemeindemitgliedern verantwortlich sein.