Nach eigenen Angaben hat sich die DAK als erste Krankenkasse der Aufarbeitung der Missstände gewidmet. Der von der Kasse beauftragte Bielefelder Historiker Hans-Walter Schmuhl kommt in seiner Studie zu dem Ergebnis, dass es sich bei den Misshandlungen "eindeutig nicht um Einzelfälle handelte", sondern in den Kinderkurheimen "eine Subkultur der Gewalt" ihren Nährboden fand.
"Subkultur der Gewalt"
Kurkinder wurden gedemütigt, ans Bett gefesselt, mussten ihre Teller leer essen oder bekamen sogar Erbrochenes eingetrichtert. Sie wurden geschlagen, eingesperrt und auch Opfer massiver sexueller Gewalt. Während der Kur waren sie von der Außenwelt abgeschottet, der Tagesablauf war streng reglementiert.
Die Kinder hatten während der sechswöchigen Kur keinen Kontakt zu den Eltern. Das alles wurde als Voraussetzung für einen Kurerfolg gerechtfertigt. Einige der dokumentierten Gewaltformen verstießen auch damals gegen geltendes Recht. Schmuhl zufolge waren aber viele Züchtigungsformen rechtens und hätten, auch wenn sie bekannt geworden wären, keinen Anstoß erregt.
Schmuhl recherchierte unter anderem im Zentralarchiv der DAK. Da keine Fallakten mehr existieren, beruhen seine Ergebnisse außerdem auf ausführlichen Interviews mit früheren Kurkindern, die sich inzwischen unter anderem in der Initiative Verschickungskinder organisiert haben. Der Höhepunkt des Kinderkurwesens war Mitte der 1970er Jahre erreicht. Seit 1993 gibt es keine reinen Kindererholungskuren mehr. An der Organisation der Kinderkuren waren den Angaben zufolge neben Kommunen, Jugendämtern und Krankenkassen auch Arbeiterwohlfahrt, Diakonie und Caritas beteiligt.
Das Schicksal der Verschickungskinder wird erst seit einigen Jahren erforscht. Vorstand und Verwaltungsrat der DAK hatten sich im November zu ihrer Verantwortung bekannt und beschlossen, die Vorgänge historisch untersuchen zu lassen. Es hat sich auch eine Betroffenen-Initiative gegründet.